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Speedway-Pilotin Celina Liebmann: "Die Vorurteile sind aber da, und ich finde sie nervig"

Fabian Kunze

Publiziert 25/05/2022 um 23:51 GMT+2 Uhr

Wenn die neu geschaffene SGP2 am Freitag in Prag die erste ihrer drei Saisonstationen im Rahmen der FIM Speedway Grand Prix absolviert (ab 18:45 Uhr live bei JoynPLUS), schreibt eine junge deutsche Pilotin Motorsport-Geschichte. Celina Liebmann wird als erste Frau auf diesem Level eine Finalrunde bestreiten. Die 20-Jährige ist in der tschechischen Hauptstadt mit einer Wildcard dabei.

Startet zum Auftakt der SGP2 in Prag mit einer Wildcard: Celina Liebmann

Fotocredit: Imago

Die direkte Qualifikation für die Finals der erstmalig in dieser Form ausgetragenen Serie hatte Liebmann bei den Ausscheidungsrennen im lettischen Daugavpils noch verpasst, weil sie "mit der Bahn in Lettland nicht zurecht kam", wie sie im Interview mit Eurosport.de erzählt.
Für die 20-Jährige, die seit ihrem fünften Lebensjahr auf Speedway-Maschinen unterwegs ist, war das "natürlich ärgerlich. Aber ich bin jemand, der mit den Sachen so umgeht, wie sie sind. Daher bin ich jetzt auch sehr froh über die Wildcard."
Sportlich möchte Liebmann aus Prag mit Zählbarem heimkehren. "Null Punkte würden mich enttäuschen. Aber ich bin über jeden Punkt froh, denn jeder Punkt, den ich schreibe, bedeutet, dass ich jemanden geschlagen habe, der sich auf direktem Weg qualifiziert hat", sagt Liebmann, die nicht nur gegen die Konkurrenz auf der Bahn, sondern auch weiterhin gegen Vorurteile kämpfen muss. "Es hieß immer: ‘Die schafft’s nicht bis dahin, nicht bis dahin, nicht bis dahin…’ Diese Stationen habe ich jetzt aber schon alle abgearbeitet und stehe im SGP2", freut sich Liebmann, es den Zweiflern auf sportlichem Wege gezeigt zu haben.
Wann hast du zum ersten Mal auf einem Motorrad gesessen?
Celina Liebmann: "Nur gesessen? Puh, da war ich vermutlich höchstens zwei. Ich erinnere mich an ein Foto, auf dem ich auf der Eisspeedway-Maschine von meinem Papa sitze."
Und wann bist du zum ersten Mal selbst gefahren?
Liebmann: "Das war 2006 - da war ich fünf Jahre alt."
In dem Alter lernen andere Kinder Radfahren. Konntest du Radfahren bevor du Motorrad gefahren bist?
Liebmann (lacht): "Davon gehe ich mal aus!"
Wie trainiert man Speedway als Kind? Habt ihr daheim den Garten gepflügt?
Liebmann: "Ich hatte zuhause gar keine Maschine. Das erste Mal gefahren bin ich direkt beim Schnuppertraining im Verein in Olching. Da gab es Vereinsmaschinen, mit denen wir in einer Speedway-Kurve Slalom und über Wippen fahren durften. Da ging’s eher darum, die Balance auf dem Motorrad zu halten. Das Highlight zum Schluss des Trainings war dann, dass wir um die Bahn fahren durften."
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Schon mit acht Jahren voll im Speedway-Fieber: Celina Liebmann (Mitte)

Fotocredit: Imago

Aus der Fünfjährigen von damals ist eine junge Frau geworden, die sich sehr erfolgreich in einer Sportart schlägt, die weiterhin extrem männlich dominiert ist. Stehst du da immer besonders im Fokus?
Liebmann: "Klar, das ist so. Und das wird auch in Prag so sein."
Kämpfst du nur mit den Konkurrenten oder weiterhin auch gegen Vorurteile an, was Frauen im Motorsport angeht?
Liebmann: "Beides! Für mich persönlich kämpfe ich gegen die Konkurrenten. Die Vorurteile sind aber da, und ich finde sie nervig. Das muss nicht sein. Aber ich muss mich schon immer beweisen, das haben die Jungs nicht. Bei mir wird gesagt: ‘Sie ist ein Mädchen und wird es nie soweit bringen.’ Das höre ich schon, seit ich mich erinnern kann. Es hieß immer: ‘Die schafft’s nicht bis dahin, nicht bis dahin, nicht bis dahin…’ Diese Stationen habe ich jetzt aber schon alle abgearbeitet und stehe im SGP2."
Da hast du ihnen gezeigt, wie weit es “das Mädchen” bringen kann...
Liebmann: "Ich habe es auf sportliche Weise gezeigt. Ich halte nichts davon, über Social Media zurückzuschießen. Da lese ich die Sachen, denke mir meine Teil und zeige dann auf sportlichem Wege, dass ich es doch kann."
Warst du überrascht als du erfahren hast, dass du in Prag mit einer Wildcard dabei bist?
Liebmann: "Auf jeden Fall! Das war in meiner Mittagspause, und ich habe ich gerade mit meiner Mutter telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass sie für genau den Tag Konzertkarten gekauft hat. Ich habe während des Telefonats durch Facebook gescrollt und da steht, ich habe die Wildcard für Prag. Da habe ich meine Mutter unterbrochen und sie gefragt: ‘Mama, was ist jetzt los?!’ Ich bin komplett ausgerastet. Sie ist komplett ausgerastet. Das mit den Karten ist zwar blöd gelaufen, aber sie weiß auch: Das mit Prag ist die größte Chance, die ich je hatte."
Hast du die ersten beiden GP-Stationen verfolgt und weißt, was dich in Prag erwartet?
Liebmann: “Klar, ich freue mich mega drauf - riesig. Ich kann es schon gar nicht mehr abwarten und zähle schon jeden Tag, die Tage bis es endlich soweit ist."
Was hast du dir sportlich für die Rennen in Prag vorgenommen?
Liebmann: “Ich will nicht mit null Punkten rausgehen. Null Punkte würden mich enttäuschen. Aber ich bin über jeden Punkt froh, denn jeder Punkt, den ich schreibe, bedeutet, dass ich jemanden geschlagen habe, der sich auf direktem Weg qualifiziert hat.”
Ärgerst du dich ein bisschen, dass du es nicht geschafft hast, dich auf direktem Weg zu qualifizieren?
Liebmann: “Es ärgert mich vor allem, dass ich mit der Bahn in Lettland nicht zurecht kam. Ich habe da keine Linie gefunden, die irgendwie schnell war. Ich habe am Kurvenausgang quer gestanden, wo die anderen schon lange wieder geradeaus gefahren sind und den Speed aufgebaut haben. Das ist natürlich ärgerlich. Aber ich bin jemand, der mit den Sachen so umgeht, wie sie sind. Daher bin ich jetzt auch sehr froh über die Wildcard."
Wie sieht es mit der Bahn in Prag aus - kennst du die?
Liebmann: "Tatsächlich bin ich da schon 2017 bei der Weltmeisterschaft auf der 250er gefahren."
Und auch gut zurechtgekommen?
Liebmann: "Ja, schon. Ich habe die Qualifikation auf direktem Weg überstanden und war auch am Finaltag ganz gut. In der letzten Runde habe ich leider den Bock weggeschmissen und mich dadurch nicht für das Halbfinale qualifiziert. Am Ende bin ich Neunte geworden - das ist ärgerlich und soll sich am Freitag am besten nicht wiederholen. Aber ansonsten habe ich guter Erinnerungen an die Bahn."
In Deutschland hat Speedway noch recht viel Luft nach oben, bis es den Stellenwert erreicht, den es zum Beispiel in Polen hat. Was muss in Deutschland passieren, damit sich der Sport weiter entwickelt?
Liebmann: "In Deutschland fehlt das Miteinander. Ich erlebe es zu oft, dass gegeneinander gearbeitet wird - sei es auf Vereinsebene oder beim Verband. Das ist in anderen Ländern bestimmt nicht so. Da ziehen alle an einem Strang und wollen den Speedway für die gesamte Nation nach vorne bringen. Bei uns gibt es Kollegen, mit denen man für Deutschland antritt, denen es aber nicht ums Team geht, sondern nur um sich selbst. Damit schwächt man sich untereinander, und wir bringen den Sport nicht voran."
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