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John McEnroe exklusiv in Legends' Voice: "Novak Djokovic und Rafael Nadal kämpfen nur noch gegeneinander"

Dennis Melzer

Update 17/05/2023 um 16:39 GMT+2 Uhr

Der siebenmalige Grand-Slam-Sieger John McEnroe blickt exklusiv bei Eurosport auf die neue Tennis-Saison. McEnroe erwartet sich vor allem von der Youngster-Garde um Holger Rune und den aktuell verletzten Carlos Alcaraz viel. Daniil Medvedev muss sich aus Sicht des US-Amerikaners nach dem durchschnittlichen Jahr 2022 "eine neue Einstellung" zulegen und die Klärung der GOAT-Debatte wird verschoben.

John McEnroe (r.) und Novak Djokovic

Fotocredit: Imago

Die Australian Open werfen ihre Schatten voraus, das erste große Highlight des Tennis-Kalenders steigt zwischen dem 16. und 30. Januar in Melbourne.
John McEnroe blickt in der aktuellen Folge der Eurosport-Serie Legends' Voice voller Vorfreude auf die neue Saison. Die ehemalige Nummer eins der Welt prophezeit vor allem der jungen Garde um Holger Rune, Jannik Sinner und dem derzeit verletzten Carlos Alcaraz ein erfolgreiches Jahr.
Daniil Medvedev, der im vergangene Jahr in Melbourne einen Zwei-Satz-Vorsprung gegen Rafael Nadal aus der Hand gegeben und in der Folge mit Problemen zu kämpfen hatte, müsse sich laut McEnroe hingegen eine neue Einstellung zulegen.
Nadal und Novak Djokovic schätzt der 63-Jährige - trotz des gehobenen Tennis-Alters - zudem weiterhin als Top-Favoriten auf die großen Titel ein.
Von John McEnroe
Hallo liebe Tennis-Fans,
ich bin zu Beginn der neuen Tennissaison vor allem gespannt, wie sich die junge Generation um Holger Rune, Jannik Sinner, Carlos Alcaraz und Félix Auger-Aliassime im Jahr 2023 schlagen wird. Es ist wirklich schade, dass Carlos die Australian Open verpassen wird.
Ich erwarte Großes von diesen Jungs und glaube, dass sie imstande sind, Unglaubliches zu leisten. Es scheint so, als könnten sie die Generation um Alexander Zverev oder Stefanos Tsitsipas vorzeitig überholen. Wir haben darüber diskutiert, wie viele Grand-Slam-Turniere sie gewinnen können, aber letztlich waren es die großen Drei, insbesondere Rafael Nadal und Novak Djokovic, die weiterhin als Sieger dastanden. Natürlich haben wir hin und wieder neue Champions gesehen, zum Beispiel Daniil Medvedev oder Dominic Thiem, die bei den US Open triumphiert haben.
Wir haben immer darauf gewartet, wer den ganz großen Durchbruch schafft. Für mich sieht es derzeit so aus, als ob Rune und Alcaraz - insofern sie gesund bleiben - zahlreiche Majors gewinnen werden.
Sinner gehört ebenfalls zu dieser Gruppe, Félix Auger-Aliassime hat in den vergangenen Monaten wirklich große Fortschritte gemacht - und ich gehe davon aus, dass auch er die Qualität hat, mehrere Majors zu gewinnen.

Youngster werden kommende zehn Jahre dominieren

Es wird interessant, ob einige der Jungs, die aktuell Mitte bis Ende 20 sind, noch einen Gang zulegen können, sodass sie mit den Top-Talenten mithalten können. Für mich sind das nämlich die Spieler, die die Führung übernehmen und die kommenden zehn Jahre dominieren werden.
Man spürt, dass diese Youngster furchtlos sind. In diesem Alter darf man das sein, man weiß es eben noch nicht besser und das ist eine Zeit lang sogar von Vorteil. Aus diesem Grund wird dieses Jahr für Alcaraz sehr interessant. Immerhin ist er der jüngste Spieler, der das Jahr als Nummer eins beendet hat. Das ist eine unglaubliche Leistung, aber die Erwartungen sind jetzt viel höher als noch vor einem Jahr.
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Holger Rune bei den French Open

Fotocredit: Getty Images

Rune hat sich aus meiner Sicht bei den French Open im Juni ein bisschen übernommen, der Druck hat ihm offenbar zugesetzt. Aber im Anschluss hat er sich wieder gefangen und man hat gesehen, was in ihm steckt; es wird also interessant sein zu sehen, was bei ihm in diesem Jahr passiert.
Auch die amerikanischen Spieler haben sich gegenseitig gepusht und den Glauben genährt, dass sie auf höchstem Niveau konkurrieren können. Wenn ich einen herausgreifen müsste, würde ich wahrscheinlich Sebastian Korda wählen, er ist der Jüngste in der aktuellen Spitzengruppe der US-Amerikaner und derjenige, der im Moment den größten Vorteil hat.
Frances Tiafoe hat sich ebenfalls stark verbessert, Taylor Fritz ist schon jetzt ein Top-10-Spieler, ihm winkt eine große Karriere. Es ganz nach oben zu schaffen, wird eine schwierige Aufgabe für ihn, aber er hat den Druck auf die anderen US-Boys erhöht. Vermutlich werden wir bald ein paar Amerikaner unter den ersten zehn der Weltrangliste sehen.

Medvedev "muss eine ganz neue Einstellung finden"

Gehen wir nun auf ein paar andere Jungs ein: Zverev war lange Zeit verletzt. Es wird spannend, wie er sich erholt. Medvedev hat sich indes meiner Meinung nach nie davon erholt, dass er das Match gegen Nadal im Finale der Australian Open im vergangenen Jahr verloren hat, nachdem er bereits mit zwei Sätzen geführt hatte.
Daniil muss eine ganz neue Einstellung finden: Er war zu Beginn des Jahres die Nummer eins, mittlerweile ist er auf Platz sieben abgerutscht. Das ist ein ziemlich dramatischer Einbruch für jemanden, der so kurz davor war, die Australian Open zu gewinnen.
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Daniil Medvedev - Australian Open

Fotocredit: Getty Images

Eine solche Niederlage kann einem manchmal wirklich im Gedächtnis bleiben. Ich habe 1984 bei den French Open gegen Ivan Lendl verloren und bin erst jetzt darüber hinweg! Ich habe das Gefühl, dass Daniil sich noch immer schwer tut; wenn man so weit vorne liegt und den Sieg direkt vor Augen hat, ist es nicht so einfach, den Fokus zu behalten. Ich hatte das Glück, dass ich kurz nach meiner Niederlage gegen Lendl Wimbledon gewonnen habe, das hat den Schmerz gelindert, aber man vergisst es nie. Trotzdem muss man daraus lernen. Er hat genug Erfahrung, um das Australian-Open-Finale als Antrieb zu nutzen.
Aber es war nicht nur das: Auch der Krieg in der Ukraine und die Tatsache, dass die Russen nicht in Wimbledon spielen durften, wird ihn beeinflusst haben; die schrecklichen Geschehnisse wirken sich auf alle aus, vor allem aber auf die Ukrainer und die Russen - und das macht es noch schwieriger. Es war aus politischer Sicht ein schreckliches Jahr, das auch Daniil nicht kalt gelassen hat. Andrey Rublev ist ein anderer Typ, der viele richtige Dinge sagt und Frieden predigt, wenn er spielt. Dass er das macht, ist sehr erfreulich. Man muss einfach berücksichtigen, dass all die Männer und Frauen aus diesen Ländern davon betroffen sind.

"Wie lange halten Rafa und Novak durch?"

Eine weitere große Frage für das Jahr 2023 ist: Wie lange halten Rafa und Novak wirklich noch durch? Meiner Meinung nach kämpfen die beiden nur noch gegeneinander, sie haben also einen echten Anreiz, noch ein paar weitere Turniere zu gewinnen, bevor sie aufhören. Das traue ich beiden zu.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob Novak oder Rafa die GOAT-Debatte in dieser Saison ein für alle Mal klären werden. Ich bin nach wie vor von allen Big 3 beeindruckt. Ich meine, Roger hat einfach aufgehört zu spielen, und was Rafa 2022 in Australien und dann bei den French Open geleistet hat, spricht einfach für sich. Es ist nahezu unmöglich, in Melbourne gegen Novak und in Paris gegen Rafa zu wetten. Novak hat die Australian Open neunmal gewonnen. Nach dem, was im vergangenen Jahr passiert mit ihm in Melbourne geschehen ist, wird es sehr interessant sein, zu sehen, wie die Fans auf ihn reagieren und wie er darauf reagiert, wieder dabei zu sein.
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Novak Djokovic beim Finale in Adelaide

Fotocredit: Imago

Ich sehe ihn als Favoriten und aus meiner Sicht ist Rafa immer noch der Mann, den es bei Roland Garros zu schlagen gilt. Der Mann hat die French Open 14 Mal gewonnen. So lange er spielt, wird er bei diesem Turnier immer der Favorit sein. Und ich habe gehört, dass Rafa immer noch unbedingt spielen will, dass er hungrig ist. Das ist Novak ebenfalls.
Die jüngeren Spieler sind auf dem Vormarsch, man hofft als Fan darauf, dass sie ihr Spiel auf ein noch höheres Niveau bringen. Das macht es für Rafa und Novak nicht einfacher. Aber man sollte die beiden niemals abschreiben. Novak macht für mich den hungrigsten Eindruck. Er ist derjenige, der augenscheinlich von den drei Großen am meisten darauf gibt, der Rekord-Grand-Slam-Sieger und damit der GOAT zu sein.
Was auch immer passiert, ich habe das Gefühl, dass wir in den nächsten zwölf Monaten einen spannenden Kampf der Generationen erleben werden.
Herzliche Grüße und viel Spaß mit den Australian Open bei Eurosport,
Euer John McEnroe
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Djokovic entschuldigt sich nach Wutausbruch beim Team

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