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Australian Open - Philipp Kohlschreiber im Interview: "Alexander Zverev genießt es, sein letztes Hemd zu geben"

Florian Bogner

Update 11/01/2024 um 14:20 GMT+1 Uhr

Philipp Kohlschreiber war selbst 16-mal bei den Australian Open dabei. Vor der 2024er Ausgabe der "Aussie Open" ist der 40-Jährige nun ins Expertenteam von Eurosport gewechselt. Im Interview schätzt der Ex-Profi die Chancen von Angelique Kerber und Alexander Zverev ein und traut beiden nach dem erfolgreichen United Cup gute Ergebnisse zu. Der Top-Favorit bei den Herren bleibe aber Novak Djokovic.

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Nach fast 20 Jahren auf der Profi-Tour hat Philipp Kohlschreiber 2022 in Wimbledon seine Tennis-Karriere beendet.
Für Eurosport betritt der 40-Jährige nun während der Australian Open, an denen er selbst 16-mal teilnahm, Neuland: Kohlschreiber wird als Experte neben ehemaligen Tennis-Stars wie Boris Becker, Barbara Rittner, Anke Huber, Patrik Kühnen, Markus Zoecke oder Carl-Uwe Steeb als Co-Kommentator im Einsatz sein.
Vor Turnierstart spricht Kohlschreiber im Interview mit Eurosport.de über die neue Herausforderung.
Außerdem schätzt er die Lage im deutschen Tennis nach dem erfolgreichen United Cup ein und traut Angelique Kerber sowie vor allem Alexander Zverev "down under" positive Überraschungen zu.
Philipp, Du hast Deine Karriere vor eineinhalb Jahren in Wimbledon beendet. Wie ist es Dir seither ergangen?
Philipp Kohlschreiber: Mir geht's mit der Entscheidung nach wie vor sehr, sehr gut. Ich muss aber zugeben: Je mehr Tennis ich schaue, desto größer wird die Träne im Knopfloch. Ich habe es erstmal ruhig angehen lassen, wollte mich nicht stressen. Ich habe es genossen, mal keine Termine und Verpflichtungen zu haben. Aber jetzt so langsam kribbelt's wieder in den Pobacken.
Bei den Australian Open bist Du jetzt erstmals für Eurosport gemeinsam mit anderen Tennisgrößen wie Boris Becker, Barbara Rittner, Anke Huber oder Patrik Kühnen im Einsatz und wirst als Experte mit kommentieren.
Kohlschreiber: Ein echtes Dream Team, von dem ich noch viel lernen kann. Ich versuche, mich akribisch vorzubereiten und werde auf jeden Tipp hören. Für mich geht's vor allem darum, mich in einem neuen Feld auszuprobieren. Macht das Spaß? Kann ich das überhaupt? Bin ich ein Mehrwert für die Zuschauer? Ich hoffe natürlich, dass ich nachher all diese Punkte mit 'Ja' beantworten kann.
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Philipp Kohlschreiber war 16-mal bei den Australian Open am Start - zuletzt 2022

Fotocredit: Getty Images

Du selbst standest 16-mal im Hauptfeld der Australian Open, hast dreimal das Achtelfinale erreicht - was macht für Dich die Faszination des 'Happy Slams' aus?
Kohlschreiber: Für uns Europäer ist es schon mal die Abwechslung, dass du dort nach sechs Wochen harter Vorbereitung voll in den Sommer startest. Vor den Australian Open feilt jeder an der Form - aber erst dort weißt du genau, wo du stehst. Außerdem ist der Australier an sich gut drauf. Dieses lockere 'hey mate, how are you?' ist ansteckend. Man ist dort schnell in der Genießerstimmung.
Aus deutscher Sicht besonders ist das Comeback von Angie Kerber auf großer Bühne. Welchen Eindruck hast Du von ihr?
Kohlschreiber: Angie schaut topfit aus und hat beim United Cup gleich gezeigt, dass in ihr nach wie vor eine Kämpfernatur steckt. Für sie war das ein toller Test, weil sie vier Matches gegen hochkarätige Gegnerinnen spielen konnte. Ich glaube schon, dass sie als Grand-Slam-Siegerin einen gewissen Anspruch an sich stellt und nicht zufrieden ist, sich nur mit der Top 50-100 zu messen. Ich denke, der United Cup hat ihr gut gezeigt, woran sie noch feilen muss. Und so wie ich sie kenne, wird sie hart daran arbeiten. In Melbourne braucht sie ein bisschen Auslosungsglück, dann ist was drin. Ich drücke ihr echt die Daumen, dass es gut für sie läuft.
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"Du hast es! Du hast es!" Kerber gewinnt die Australian Open 2016

Der Sieg im United Cup gibt wahrscheinlich allen im Team ein gutes Gefühl …
Kohlschreiber: Die Leistung war großartig. Das deutsche Team hat richtig geil gekämpft. Wie oft dachte man schon, dass es vorbei ist, und dann haben sie es doch noch umgebogen? Was Alex Zverev geleistet hat: echt Hut ab! Sich nach den Einzeln jedes Mal noch hinzustellen und im Mixed Vollgas zu geben, hat schon den Löwenanteil ausgemacht. Er hat das Team zum Titel geführt. Ich glaub aber auch, dass er es genießt, im Team für Deutschland sein letztes Hemd zu geben.
Er hat den guten Schwung vom Ende des letzten Jahres mitgenommen. Er wirkt sehr stabil. Ich habe so ein Gefühl: Halbfinale ist Minimum drin.
Was traust Du ihm in Melbourne zu?
Kohlschreiber: Um sein Fitnesslevel brauchen wir uns glaube ich keine Sorgen machen - beim United Cup waren sechs Stunden Tennis am Tag kein Problem für ihn! (lacht) Ich finde, er hat den guten Schwung vom Ende des letzten Jahres mitgenommen. Er wirkt sehr stabil. Ich habe so ein Gefühl: Halbfinale ist Minimum drin. Ich sehe ihn einfach in einigen Matches deutlich vorne, wenn man jetzt zum Beispiel Tsitsipas nimmt, den er auch beim United Cup geschlagen hat. Oder Rublev, gegen den er ein tolles Rezept hat. Der United Cup gibt nochmal einen extra Push. Mit dem Titel hat er sein Selbstvertrauen gesteigert. Er ist schon immer einer, der gerne viel spielt. Wenn es dann noch erfolgreich wird, ist er ein noch besserer Wettkämpfer und noch unangenehmer für seine Gegner.
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Rafael Nadal musste seinen Start leider verletzungsbedingt absagen. Wie schätzt Du die Lage bei ihm ein?
Kohlschreiber: Eins muss man wissen - Rafa Nadal spielt immer mit großer Anspannung und da war mir klar, dass er am Anfang öfter das Zwicken im Muskel spüren wird. Du kannst viel trainieren, aber diese Anspannung, auch mental, das kriegst du nur über die Matches. Es ist schade, weil er in Brisbane gleich ein unglaubliches Niveau an den Tag gelegt und mit Thiem und Kubler weiß Gott keine schlechten Gegner besiegt hat. Aber vielleicht ist es für ihn gar nicht so schlecht mit Blick auf den Rest der Saison; gleich mit Best-of-Five in die Vollen zu gehen, hätte vielleicht eine noch schlimmere Verletzung nach sich ziehen können. Jetzt hat er einen entspannteren Aufbau bis zu den French Open.
Rune hat erkannt, dass er ein Heißsporn ist, seine Emotionen manchmal überkochen. Ich habe selbst festgestellt, dass Boris es extrem gut schafft, Emotionen im richtigen Moment in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich bin überzeugt, dass er dem Holger extrem guttut.
Novak Djokovic hat beim United Cup gegen Alex de Minaur erstmals seit sechs Jahren wieder ein Match auf australischem Boden verloren und war danach auch angeschlagen. Ist er für die Aussie Open dennoch Dein großer Favorit?
Kohlschreiber: Auf jeden Fall. Er hat seit 2011 neunmal in Melbourne gewonnen. Allein das macht ihn zum absoluten Top-Favoriten. Dort spielt er einfach eine Klasse besser und rasiert die meisten Gegner.
2023 kam die junge Generation mit Carlos Alcaraz, Jannik Sinner und Holger Rune immer stärker auf. Was traust Du Ihnen in Melbourne zu?
Kohlschreiber: Bei Rune muss man sagen, dass er eine extrem clevere Entscheidung getroffen hat, Boris Becker in sein Team zu nehmen. Ich hatte mit Boris ja auch beim Davis Cup das Vergnügen und spreche aus Erfahrung. Rune hat erkannt, dass er ein Heißsporn ist, seine Emotionen manchmal überkochen. Ich habe selbst festgestellt, dass Boris es extrem gut schafft, Emotionen im richtigen Moment in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich bin überzeugt, dass er dem Holger extrem guttut. Ich bin gespannt, wie er auf seinen Finaleinzug in Brisbane aufbauen wird.
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Becker über Rune: "Dann spielt er schneller als 98 Prozent"

Und die anderen?
Kohlschreiber: Über Alcaraz brauchen wir nicht reden, er ist ein Supertalent. Er hat aber noch kein Match seit den ATP Finals gespielt. Also mal abwarten, wie er startet. Sinner ist ein verdammt heißes Eisen. Er hat eine unglaubliche zweite Jahreshälfte 2023 gespielt und ist dieses Jahr definitiv ein Kandidat für ein Grand-Slam-Finale. Bisher hatte ich aber manchmal noch das Gefühl, dass ihm die Best-of-Five-Matches körperlich noch zu viel abverlangen und er dann in den späteren Runden etwas müde war und nicht mehr sein bestes Tennis spielen konnte. Alle drei Youngster sind aber monsterspannend anzuschauen. Ich freue mich drauf und hoffe, dass ich sie auch mal kommentieren darf.
Gibt es noch jemanden, den man auf dem Zettel haben muss?
Kohlschreiber: Auch wenn es in letzter Zeit etwas ruhiger um ihn geworden ist und die Leistungen nicht mehr ganz so glänzend waren - Casper Ruud. Wir reden hier von einem, der in einem Jahr dreimal in einem Grand-Slam-Finale stand. Und er ist erst 25. Auf ihn bin ich gespannt.
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