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French Open: Rafael Nadal - die historische Mission des Sonnenkönigs

Dan Quarrell and Ben Snowball

Publiziert 28/05/2018 um 11:11 GMT+2 Uhr

Rafael Nadal lebt eine der ungewöhnlichsten und erfolgreichsten Karrieren der Tennis-Historie. Bei den French Open 2017 schrieb er mit der Décima, dem zehnten Titel in Paris, Sportgeschichte. In diesem Jahr ist der Spanier wieder klarer Favorit. Eurosport.de präsentiert die Roland-Garros-Saga des Sandkönigs aus Mallorca.

Le bras gauche destructeur de Rafael Nadal.

Fotocredit: Eurosport

Die Geschichte Frankreichs, so erinnert uns der französische Schriftsteller Charles Péguy, kann man nur verstehen, wenn man sie in ihre verschiedenen Perioden unterteilt. In solche, die gewöhnlich verliefen und solche, die große Momente hervorbrachten. Das gilt auch für die French Open, oder besser Roland Garros, wie das Turnier eigentlich heißen muss und offiziell firmiert.
Das Stade Roland Garros, der Tempel des Sandplatz-Tennis', erlebt seit seiner Erbauung im Jahr 1927 mal mehr und mal weniger markante Perioden. Ganz selten kommt es zu einer unvergleichlichen, prägenden Ära - und genau in einer solchen befinden wir uns im Moment.
2005 traten die French Open in die Ära Rafael Nadal ein. Der Mann aus Manacor von der Baleareninsel Mallorca hat dem zweiten Grand-Slam-Turnier der Saison einen Stempel aufgedrückt, wie es nicht einmal Björn Borg in Paris, Roger Federer und Pete Sampras in Wimbledon oder Roy Emerson und Novak Djokovic bei den Australian Open vermochten. Nie zuvor in der Tennis-Historie ist es einem Spieler gelungen, einen Belag so sehr zu seinem zu machen.
Rafael Nadal begleitet uns nun also seit 2005. Schon mit 19 Jahren war sein Spiel ausgereift, seine Auftritte triumphal. Heute sehen wir ihn als 31-Jährigen, und noch immer ist er es, den es auf Sand zu schlagen gilt. Weil Nadals Aufstieg so früh begann und derart lange andauert, ist er schon jetzt eine Legende seines Sports. Mehr noch: Er ist derzeit dabei, sich sogar noch einmal neu zu erfinden. Eurosport hat sich auf Spurensuche begeben und nimmt die Karriere von Rafael Nadal in 6 Kapiteln unter die Lupe:

1.) Schon als Kind ein echter Champion

Geschichte hat generell einen großen Fehler: Sie liebt den Eroberer, sie serviert den Verlierer ab. Nachzufragen bei Lars Burgsmüller. Die meisten Tennis-Fans haben den Deutschen, zu besten Zeiten auf Position 65 der Weltrangliste notiert, tief in ihren Erinnerungen vergraben. Als Burgsmüller zum letzten Mal den Sand von Roland Garros betrat, wurde er Zeuge des Beginns einer großen Geschichte, er wusste es damals freilich noch nicht. Am 23. Mai 2005 hat jener Lars Burgsmüller also das Pech, in der 1. Runde den Weg eines jungen, muskelgestählten Tennis-Talents zu kreuzen: Rafael Nadal. Auf einem unbedeutenden Nebenplatz, dem Court N° 1, trugen die beiden Spieler ein Match über drei Sätze aus. 6:1, 7:6 (7:4), 6:1 lautete das Ergebnis - für den Spanier. Burgsmüllers French-Open-Reise endet an dieser Stelle, eine andere große beginnt: die von Nadal.
Roland Garros und Nadal haben zunächst eine Liaison, die nicht in Gang kommt und zweimal scheitert. 2003 vereitelten Ellbogen-Probleme den Start des jungen Mallorquiners, 2004 kommt ein Ermüdungsbruch dazwischen. Erst 2005 klappt es, Nadal reist mit 17 Siegen in Serie auf Sand nach Paris.
Damals stellte sich nur eine Frage: Gewinnt er die French Open schon im ersten Jahr?
Die Aussage stammt vom französischen Ex-Profi Sébastien Grosjean, der dem Youngster damals im Achtelfinale unterlag. "Es war bereits klar, dass er das Turnier irgendwann auf jeden Fall gewinnen würde und auch, dass er es mehrfach für sich entscheiden würde."
Monte-Carlo, Barcelona, ​​Rom. Schon als Nadal 2005 im 16. Pariser Arrondissement beim berühmtesten Sandplatz-Wettbewerb der Welt aufschlug, hatte er erste große Abdrücke auf dem Belag hinterlassen, den er fortan dominieren sollte. Auch den "Skalp" von Guillermo Coria und Titelverteidiger Gastón Gaudio, den French-Open-Finalisten von 2004, hatte sich der junge Spanier bereits geholt.
Toni Nadal, der Onkel und Trainer des Ausnahmetalents, war bereits zu jener Zeit komplett von den Fähigkeiten seines Neffen überzeugt. Sein Schützling hatte alle Karten in der Hand, um Mats Wilander zu folgen, der 1982 mit 17 Jahren die Tennis-Welt aus den Angeln hob und French-Open-Champion wurde. "Als Rafa in Paris ankam, wusste ich, dass er die Fähigkeit hat, das Turnier zu gewinnen. Er gewann Monte-Carlo, Barcelona und Rom. Aber wie überzeugt war er wirklich? Er hatte großes Selbstvertrauen, aber noch nicht diese Sicherheit. Und dann gab es da eine Nummer eins der Welt, die Roger Federer hieß...", erinnert sich Onkel Toni.
Nun, das Kräftemessen der zukünftigen besten Rivalen fiel auf das Halbfinale am 3. Juni 2005, dem 19. Geburtstag Nadals. Bevor es aber soweit sein sollte, hatte er ein Rendezvous mit einem anderen jungen Genie jener Zeit, dem jungen Franzosen Richard Gasquet. Es war die Neuauflage eines grandiosen und intensiven Halbfinales, das sich beide rund einen Monat zuvor beim Masters in Monte-Carlo geliefert hatten. Der Sieger hieß Nadal.
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Rafael Nadals Akkreditierung für die French Open 2005

Fotocredit: Getty Images

"Rafael hat am Tag der Auslosung mit Feliciano López trainiert. Wir haben uns dann das Tableau angesehen und festgestellt, dass Rafa in Runde drei wohl gegen Gasquet ran muss. Unser Gedanke war: 'Wird schwer'", erinnert sich Toni Nadal. "Der Druck lag bei Rafa, denn er war es, der zuvor die Sandplatzsaison dominiert hatte. Die französischen Journalisten haben viel Wind um das Match gemacht, man konnte den Eindruck gewinnen, es handele sich um das Finale. Alle sprachen plötzlich darüber, wie es Gasquet gelingen könnte, die Partie zu gewinnen. Ich kann mich erinnern, dass ich dann zu Rafa gesagt habe: 'Das ist gut, denn so wird es Gasquet sein, der plötzlich Druck hat, wenn so viel über dieses Duell gesprochen wird.' Und dann hat Gasquet kein gutes Match gespielt..."
Nadal schuf in der Tat klare Verhältnisse, setzte sich souverän mit 6:4, 6:3 und 6:2 durch. Ein sportlicher Meilenstein, aber auch ein mentaler. Im Kopf enteilte die damalige Nummer fünf der Welt dem Franzosen um Lichtjahre. "An diesem Tag war das Gesamtpaket Nadal doppelt so stark wie jenes von Gasquet", urteilt Philippe Bouin, Reporter-Legende und 25 Jahre lang für die französische Sportzeitung "L’Équipe" aktiv. "Ich neige sogar dazu, das enge Spiel zwischen den Beiden in Monte-Carlo als eine Art Unfall zu sehen. Wenn man bemerkt hat, wie Gasquet mit dem Schläger umgeht, war schnell klar, welch' enormes Talent er hat. Aber wenn man alle wichtigen Eigenschaften in Betracht zog, war ebenso augenscheinlich, dass wir bei Nadal einen Champion vor uns haben."
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Richard Gasquet und Rafael Nadal vor ihrem Achtelfinale 2005

Fotocredit: Getty Images


Das Machtverhältnis zwischen dem jungen Tennis-Mozart aus Frankreich und dem Tennis-Matador aus Spanien manifestierte sich an jenem Tag in Roland Garros. Nadal war nun, auf sportlicher Ebene, zum Mann gereift, Gasquet trat auf der Stelle und blieb für immer im Schatten des Iberers.
"Mit seiner Beinarbeit, seiner mentalen Stärke und seiner wilden Entschlossenheit war Nadal schon damals extrem schwer auszuspielen. Er bewegte sich extrem gut. Mag sein, dass er noch nicht ganz so hart geschlagen hat, aber seine Bälle hatten schon sehr viel Effet", so Grosjean, der eine Runde nach Gasquet ebenfalls erkennen musste, dass der junge Spanier nicht zu schlagen war. Immerhin: Grosjean nahm Nadal einen Satz ab, unterlag mit 4:6, 6:3, 0:6 und 3:6. "Rafael war dermaßen stark und zuversichtlich in den Ballwechseln, dass er immer den Punktgewinn suchte. Er ist einfach jemand, der diesen Kampf liebt", erklärt Grosjean.
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Rafael Nadal und Roland Garros - eine ganz besondere Beziehung

"Seine Einstellung war unglaublich. Rafael hat wie ein Löwe um jeden Ball gekämpft. Man musste sich zerreißen, um gegen ihn Punkte zu gewinnen", lobt auch Wilander. Aber: "Ich habe zu Beginn der zwei Turnierwochen damals nicht geglaubt, dass er als Turniersieger wieder abreist. Nachdem ich allerdings gesehen habe, wie er zu Werke geht, sich entwickelt, wurde mir klar: Er kann es packen. Gar nicht mal so sehr wegen seines Spiels, sondern aufgrund seiner Ausstrahlung. Rafael war wie ein Tier, das keine Angst und Schüchternheit kennt. Ja, er hatte die Aura eines wirklich großen Champions. Schon damals."
Und dann kam das Halbfinale gegen Federer! Nie zuvor waren sich die beiden Profis auf Sand gegenübergestanden. Nach der Partie war nichts mehr, wie es war - zumindest auf dem roten Belag. Was der Linkshänder Nadal für Rechtshänder Federer auf Sand wurde, ist vergleichbar mit der Bedeutung von Kryptonit für Superman: Es macht ihn schwach. Das war an jenem Tag in Roland Garros so, das wurde bei vielen folgenden Duellen nicht anders. Mit 6:3, 4:6, 6:4, 6:3 triumphierte Nadal letztlich am 3. Juni, da half auch die Klasse, Autorität und Erfahrung von Federer nichts.
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Mats Wilander und Rafael Nadal bei der French-Open-Premiere des Spaniers im Jahr 2005

Fotocredit: Getty Images


Der Coup gegen Federer war Nadals Meisterwerk, doch zur Vollendung fehlte noch der letzte Pinselstrich. Das Finale. Gegen Überraschungsmann Mariano Puerta. Und plötzlich war da dieser Schwindel bei Nadal, dieses Wissen um die Größe der Chance. Toni Nadal sagt dazu:
Wir waren uns völlig darüber im Klaren, dass dies das wichtigste Spiel wird, seit er jemals einen Tennisschläger in die Hand genommen hat.
Wenn man 19 Jahre sei "und im Finale eines Grand-Slam-Turniers steht, ist das nicht einfach. Besonders dann nicht, wenn du auch noch der Favorit bist." Mit Puerta wartete ein Gegner, der ebenfalls als großer Kämpfer galt und ebenfalls mit links spielte. Der Argentinier hatte nichts zu verlieren und war gewillt, alles dafür zu tun, den Höhenflug des Supertalents aus Mallorca zu stoppen.
Puerta lieferte Nadal den erwartet harten Kampf, nach drei Stunden und 24 Minuten musste er aber einsehen, dass der neue König nur Rafael Nadal heißen konnte. Mit 6:7 (6:8), 6:3, 6:1 und 7:5 holte sich Nadal die Coupe des Mousquetaires. "Für mich war das ein sehr schönes Finale", stellt Onkel Toni klar. "Man spricht heute fast immer über Rafaels Endspiele gegen Roger Federer und Novak Djokovic, aber das Match gegen Puerta war wirklich schön und zudem sehr hart." Nach dem Matchball leistete sich Nadal die einzige "Schwäche" im gesamten Turnier: er weinte. Für den frischgebackenen Champion das richtige Ventil, um die Anspannung loszuwerden und der Tatsache zu huldigen, dass er soeben der jüngste Grand-Slam-Turniersieger geworden war, seitdem ein gewisser Pete Sampras 1990 im Alter von 19 Jahren die US Open gewann.
Sechs Monate vor seinem ersten Roland-Garros-Triumph spielte Nadal, damals die Nummer 51 der Weltrangliste, an der Seite seines Landsmanns Albert Costa Doppel beim ATP-Turnier von Doha. Im Halbfinale schlug das Duo die französische Paarung Fabrice Santoro/Nicolas Mahut. Nadal hat bis heute nicht vergessen, was Costa nach der Begegnung gesagt hat: "Es ist einfach. Rafa ist ein Monster. Er hat eine Riesenzukunft und wird Roland Garros mindestens drei Mal gewinnen." Drei Mal. Costa sollte weit danebenliegen, sehr weit.
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Rafael Nadal im Finale 2005 gegen Mariano Puerta

Fotocredit: Imago

2.) Federer und Djokovic, ziemlich beste Gegner

Die neun Roland-Garros-Erfolge, die Nadal bis heute angehäuft hat, sind nicht nur der schieren Menge wegen einzigartig. Nein, sie sind es auch deshalb, weil der "Stier aus Manacor" dabei regelmäßig von zwei anderen Giganten der Tennis-Historie herausgefordert wurde: Federer und Djokovic. Fast immer führte Nadals Weg zum Titel über den Schweizer oder den Serben. Nur in der Saison 2010 war dies nicht der Fall. Federer und Djokovic sind die beiden Gegner, mit denen Nadal sich im Stade Roland Garros am häufigsten auseinandersetzen musste. Und es sind auch diese beiden, die er am häufigsten geschlagen hat. Den "Djoker" erwischte es sechsmal, den "FedExpress" stoppte Nadal fünfmal. Keine Frage, das Schweiz-serbische Duo ist die Lieblingsbeute des Spaniers. In sieben Endspielen und vier Halbfinals rang er einen der beiden Superstars nieder.
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Imperator Nadal, mächtiger als die Jedi-Ritter Djokovic und Federer

Fotocredit: Eurosport

Wenn für die beiden Ausnahmespieler Federer und Djokovic bei den French Open so wenig an Erfolg und Glanz abfiel, dann liegt das einzig und allein an der Person Nadal. Ohne ihn stünden Federer und Djokovic in der Addition bei wohl mehr als zehn Titeln. So sind es zwei.
Die Gründe der Chancenlosigkeit unterschieden sich allerdings fundamental: Federer hatte nie die richtigen Waffen, um Nadal in Paris zu schlagen. Djokovic dagegen schon. 2015 hat er es bewiesen und den Sandkönig in einem einseitigen Viertelfinale ausgeschaltet. Nadal war zu der Zeit, gemessen an seinem Können, nicht mehr als ein Schatten seiner selbst, während Djokovic auf einer unwiderstehlichen Welle des Erfolgs surfte. Doch auch abseits dieser Begegnung war Djokovic stets der gefährlichere Mann für Nadal.
Für Onkel Toni ein Phänomen, das Gründe hat: "Für Rafael war es immer 'einfacher' gegen Federer. Da hatte er immer eine ganz klare Linie. Er wusste, dass eine bestimmte Art und Weise zu spielen, zum Erfolg führen würde. Gegen Novak ist das schwieriger. Es gibt nicht die eine Methode, um ihn zu kontrollieren. Es ist jedes Mal ein neuer Kampf."
Federer fand sich bei Nadal mit einer Aufgabe konfrontiert, für die er keine Lösung parat hatte. Zum Leidwesen des Rekord-Grand-Slam-Champions beantwortete Nadal die Rückhand, Federers anfälligsten Schlag, stets mit einer Topspin-Vorhand, die die Welt noch nicht gesehen hatte. "Federer", so sieht es Eurosport-Experte Wilander, "hat diesen einen kleinen technischen Fehler auf der Rückhand, der es ihm schlicht unmöglich machte, Nadal auf Sand zu gefährden. Schlimmer noch: Nadal hat auch noch das perfekte Spiel, um genau solche Schwächen gnadenlos zu nutzen."
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Nadals unfassbarer Topspin: So funktioniert der Wunder-Schlag

Der dreifache French-Open-Sieger Wilander geht sogar noch einen Schritt weiter. Für den Schweden ist die Paarung Nadal-Federer eine der "schlimmsten aller Zeiten". Aus taktischer Sicht passen die beiden einfach nicht zusammen. Schlecht ist das nur für Federer. Das galt in geringerem Maße auch für John McEnroe, der für Björn Borg ein ähnlich großes Problem darstellte. John hatte diesen Linkshänder-Aufschlag, der Borg weit von der Linie wegtrieb. Das ist aber nichts gegenüber dem Alptraum, den Nadal für Federer bedeutet. Dieses Problem spürt der Schweizer vor allem auf Sand.
Während seiner fünf Duelle in Roland Garros gegen Nadal gelang es Federer immer nur phasenweise, gutes Tennis zu zeigen. Mal waren es ein paar Spiele in Folge, dann auch mal ein Satz. Wie das 6:1 im ersten Satz des Endspiels von 2006, das bei seinen Fans die wildesten Hoffnungen weckte. Nur: Nadal war immer in der Lage, diese Stürme zu überstehen. Weil er um seine Klasse wusste. Wilander erklärt:
Die Spielintelligenz von Nadal bestand darin, nie zu vergessen, dass er es war, der den Schlüssel in der Hand hält. Als er Federer 2005 in Roland Garros erstmals schlug, hat er gemerkt: Ich muss das und das tun, dann wird sich das Match irgendwann zu meinen Gunsten entwickeln.
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Roger Federer beim Finale 2006 in Roland Garros

Fotocredit: Getty Images

Vier Niederlagen in vier Sätzen ohne Chance, auch nur in die Nähe eines Sieges zu kommen. Dazu das Debakel im Finale 2008, das mit 6:1, 6:3, 6:0 an Nadal ging - Federer erlebte dabei sein Waterloo und kassierte obendrein nach über 2000 gespielten Sätzen seine erste 0:6-Packung in diesem Jahrtausend. Ein 0:6, die maximale Demütigung, hatte der Schweizer davor letztmals 1999 im Alter von 17 Jahren erlebt. Und dann dieser schwarze Tag in Roland Garros. Im Finale eines Grand-Slam-Events. Gegen seinen Erzrivalen. Onkel Toni wirkt fast verlegen, ist um eine Relativierung bemüht. "Federer hatte keinen guten Tag, für Rafael lief dagegen schon im Turnier alles perfekt", so der Coach.
Die brutale Überlegenheit des Mallorquiners zeigte Wirkung. Der Tsunami Nadal löschte das Feuer der Begeisterung auf dem Centre Court in Paris. "Dieses Szenario hat die ganze Atmosphäre zerstört", erinnert sich der amerikanische Journalist Christopher Clarey. "Ich erinnere mich an Larry Ellison, CEO von Oracle und großer Tennis-Fan. Der Mann hat später das Turnier von Indian Wells gekauft und saß in Roland Garros in Erwartung eines großen Duells auf der Tribüne. Als das Match schließlich seinen Lauf nahm, warf ich immer wieder verstohlene Blicke zu Ellison hinüber. Seine Enttäuschung war mit Händen zu greifen."
Aus Sicht der "New York Times", die schon so viele Grand-Slam-Finals begleitet hat, bleibt das Spiel hingegen ein starkes Stück Tennis-Geschichte. "Es war faszinierend, wie ein Spieler auf der Höhe seiner Dominanz einen der größten Champions aller Zeiten mit derartiger Leichtigkeit demontiert", schrieb die Zeitung. An diesem Tag zeigte sich deutlicher als jemals zuvor und danach das Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse der beiden Tennis-Ikonen auf Sand. "Ich denke, dass wir über die Jahre ein wenig unfair mit Roger umgegangen sind", sagt Wilander heute. "Er war so gut, spielte tolles Tennis und jedes Mal, wenn er gegen Nadal antreten musste, hatten die Leute plötzlich das Gefühl, dass das wohl doch nicht so ist. Aber man muss einfach sehen, dass diese eine Match-Konstellation Federer-Nadal der Horror für ihn war."
Mit Djokovic war das eine ganz andere Geschichte, obwohl der "Djoker" paradoxerweise in Paris häufiger gegen Nadal verlor als Federer. Nur: Mann muss in der Rivalität zwischen dem Spanier und dem Serben zwei Perioden unterscheiden: die vor und die nach 2011. Von 2006 bis 2008 unterlag Djokovic dem Sandplatz-Dominator dreimal, ohne ihm dabei auch nur einen Satz abnehmen zu können. Es war seine Lernphase auf sehr hohem Niveau. Nachdem Djokovic 2011 den Tennis-Thron übernommen hatte, kassierte er in Paris drei weitere Niederlagen gegen Nadal - zwei im Finale (2012, 2014), eine im Halbfinale (2013).
Aber hatte er deshalb das Federer-Syndrom? Nicht die Spur!
Aus der Perspektive von Profi-Coach Patrick Mouratoglou hatte Djokovic ein mentales Problem mit den French Open, nicht aber mit Nadal. Nach seinen drei Grand-Slam-Erfolgen 2011 - nur in Roland Garros hat es nicht geklappt - wurden die French Open zur Obsession. "Im Fall von Novak", erläutert Mouratoglou, "war die Sandplatz-Debatte verbotenes Terrain. Wenn Novak in Bestform ist, spielt der Belag im Prinzip keine Rolle, er ist überall grandios." Die Zahlen geben Mouratoglou recht. Nadal gewann zwar die ersten neun Sandplatz-Vergleiche mit Djokovic, doch seit 2011 steht es auf dem roten Belag 7:5 für den Allrounder aus Belgrad.
Djokovic tat Nadal bei den Masters-Events in Monte-Carlo, Madrid und Rom weh, aber in Roland Garros war es stets Nadal, der das letzte Wort hatte. Den wohl größten Sandplatz-Spieler aller Zeiten über zwei Gewinnsätze zu knacken, ist eine Sache, aber im Grand-Slam-Modus best-of-five... Mouratoglou rätselt. "Es gibt keine Logik dahinter. Novak ist auch über fünf Sätze unfassbar stark. Es ist schlicht eine Anomalie, dass er Nadal früher in Roland Garros einfach nicht bezwingen konnte." Aber wenn es in Paris um den Titel ging, habe ein Denkprozess bei Djokovic eingesetzt, der ihn ausbremste. "Dann bringt er Nadal 2015 endlich zu Fall, und was passiert? Der letzte Schritt bleibt ihm versagt, Novak verliert das Endspiel gegen Stan Wawrinka", erinnert Mouratoglou.
Im Gegensatz zu Federer fehlten Djokovic nicht die Mittel, um für die Aufgabe Nadal eine Lösung zu finden. Er hat sie einfach nicht nutzen können. "Ich erinnere mich an das Halbfinale im Jahr 2013. Wie bei den Endspielen zuvor, ist Novak nicht richtig ins Match gekommen", erklärt Mouratoglou. Dennoch: Die Partie entwickelte sich zum Gipfel ihres jahrelangen Showdowns in Roland Garros. Zu einem Monument des Sports. Dazu wieder Journalist Clarey: "Das war einer der größten Erfolge in der Karriere von Nadal. Das sagt viel aus." Djokovic war es gelungen, Nadal trotz eines zwischenzeitlichen Rückstandes in den fünften Satz zu zwingen. Mehr noch: Der Serbe erspielte sich einen Breakvorteil, unterlag nach einer dramatischen Schlussphase aber mit 7:9.
Ein Match mit einer irren Intensität, nach dem auch die Zuschauer erst einmal durchschnaufen mussten. Der arme Jo-Wilfried Tsonga eröffnete sein anschließendes Halbfinale gegen David Ferrer gar vor eher spärlich besetzten Rängen.
Clarey erinnert sich an eine Szene, die mehr als verdeutlicht, wie sehr die Partie alle Beteiligten mitgenommen hatte. Onkel Toni stand nach dem Match mit Tränen in den Augen in der Player's Lounge. "So etwas kam sehr selten vor, aber die Emotionen waren überwältigend, auch, weil Nadal 2012 eine Verletzung und es nicht leicht hatte."
Aber Roland Garros ist für Nadal der Jungbrunnen schlechthin. Hier kann er alles überwinden, hier heilen seine Narben. Hier ist er zuhause - Djokovic hin, Federer her.
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Das unglaubliche Halbfinale 2013 gilt als Höhepunkt der Duelle zwischen Novak Djokovic und Rafael Nadal in Roland Garros

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3.) El "Luchador", der Krieger

Kommen wir zurück auf den 8. Juni 2008, als Nadal seinen Rivalen Federer im Finale vorführte. Mit allem Respekt und Ehrerbietung für den Schweizer, aber die Ereignisse waren nichts weniger als eine Demütigung. In nicht einmal zwei Stunden demolierte Nadal den großen Roger Federer, seinen Körper und die Seele.
Während der Siegerehrung stand Federer mit dem Mikrofon in der Hand im weiten Runde des Court Philippe Chatrier, versuchte sich an einem Lächeln, entschuldigte sich beim Publikum und zollte seinem Bezwinger Respekt. "Rafa wirkte fast schon verlegen", berichtet Christopher Clarey, der als Reporter der "New York Times" dabei war.
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Finale 2008: Roger Federer und Rafael Nadal

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Auch wenn Nadal sein Spiel in Richtung Effektivität entwickelt hat, um auf körperliche Probleme zu reagieren, ist er sich immer treu geblieben. Es gibt nur ein Tempo, ein Level - und das liegt in beiden Fällen bei 100 Prozent. Das ist sogar vor dem Match so. "Schon in der Umkleide befindet er sich in einer Art Sprinter-Modus. Er fährt sich physiologisch hoch. Man spürt geradezu, dass er darauf brennt, in die Arena zu kommen. Rafa liebt die großen Spiele, den Kampf, die körperliche Herausforderung", schwärmt der ehemalige Weltranglistenvierte Grosjean. Journalist Bouin sieht immerhin noch zwei ehemalige Profis, die es in dieser Hinsicht mit Nadal aufnehmen:
In der Tennis-Geschichte sehe ich nur zwei Akteure, die den Vergleich mit Rafa im Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit nicht scheuen müssen: Jimmy Connors und Monica Seles
Diese Spieler, so Bouin, haben "nie die Frage nach Sieg oder Niederlage gestellt, aber sie sind in jedem Augenblick, bei jedem Ballwechsel und jedem Punkt ans Limit gegangen".
Alles an Nadal strahlt "Kampf" aus. Schon bei seinen ersten Schritten an der Porte d'Auteuil trug er Capri-Hose und ärmelloses T-Shirt. "Das war natürlich eine Marketing-Idee, aber sie charakterisiert Rafa exzellent", sagt Mouratoglou, der sich in den vergangenen Jahren vor allem als Trainer von Serena Williams einen Namen gemacht hat. "Andre Agassi, ebenfalls eine Institution der Tennis-Historie, kreierte mit seinem Neon-Outfit und dem Las-Vegas-Kid-Style auch schon seinen ganz eigenen Look. Mit seinen langen Haaren kam er so überraschend wie ein UFO daher", so Mouratoglou weiter. "Ich denke, dass sowohl bei Agassi als auch bei Nadal Outfit und Spieler sehr gut zusammengepasst haben. Für Beide war das so etwas wie eine Kriegsbekleidung."
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Lange Haare, Muskelshirt und Siegerpose - der Kämpfer Rafael Nadal

Fotocredit: Eurosport

Das "gelobte Land Paris" war seinem Herrn nicht immer wohlgesonnen und erlegte ihm durchaus schwere Prüfungen auf. Doch Nadal hat nie aufgegeben, nie sein Engagement zurückgefahren. Hatte er manchmal Zweifel? Das weiß nur er selbst. Wenn er sie hatte, dann hat er das zumindest nie erkennen lassen. Was immer erkennbar blieb, ist sein absoluter Wille auch in schwierigen Zeiten - und vor allem dann, wenn die Not am größten war. "Rafa ist in den Finals ein paar Mal in Rückstand geraten. Aber ihm fehlte immer nur einen Satz lang der Esprit. Wenn du alles, was in deiner Macht steht, getan hast, um ein Grand-Slam-Finale zu erreichen, hörst du nicht auf, nur weil du einen Satz verloren hast. Rafa ist ein Krieger, er liebt das Duell", bekräftigt Toni.
Die Begriffe Entspannung und Lockerlassen scheinen im Nadal'schen Wörterbuch nicht vorzukommen. "Wenn man gegen einen Spieler zurückliegt, der nicht Nadal heißt, kann man weiterhin an den Erfolg glauben. Aber gegen Rafa in Roland Garros? Das wäre so, als wenn man plötzlich von dir verlangen würde, drei oder viermal den Eiffelturm hinaufzusprinten", findet Wilander einen bildhaften Vergleich für die Größe der Aufgabe, ein Match gegen Nadal zu drehen.
Am Abend seines ersten French-Open-Triumphs durfte Reporter Clarey eine besondere Facette an Nadal kennenlernen. "Der Abend endete in einer Diskothek, aber Nadal hat nicht so gefeiert, wie man das von einem 19-Jährigen in der Situation erwartet hätte. Es interessierte ihn nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Das Match war ja vorbei. Nun wirkte er fast wie ein alter, weiser Mann. Er ist diesem besonderen Tag mit Reife und Demut begegnet." Ein Markenzeichen Nadals. Journalist Bouin hat für den Ausnahmekönner einen schönen Satz geprägt: "Man kann sehr weit nach oben kommen und auf dem Platz ein extremer Kämpfer sein, ohne im Leben ein Fiesling zu werden."
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Rafael Nadal feiert seinen Geburtstag in Roland Garros - ein festes Ritual am 3. Juni

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4.) 2009, ein Erdbeben erschüttert den Tennis-Sport

Auch bei den unwahrscheinlichsten Ereignissen gibt es immer Menschen, die darauf mit einem 'Damit habe ich gerechnet' reagieren. Mit denjenigen, mit denen wir über dieses sportliche Erdbeben gesprochen haben, bekamen wir unisono zu hören: 'Damit habe ich nie gerechnet.' Man konnte auch nicht damit rechnen, was sich am Sonntag, den 31. Mai 2009, in Paris abspielen sollte. Es war der Tag, an dem der König von Roland Garros in die Knie ging. Einer der größten Paukenschläge in der Historie des Tennis-Sports machte aus einem banalen Achtelfinale ein Match für die Geschichtsbücher. Sportjournalist Clarey gibt zu:
Ich habe mir die Partie zu Beginn gar nicht erst angesehen, weil ich überzeugt war, dass Nadal leichtes Spiel haben würde.
Und das aus gutem Grund. Nadal war vielleicht nie so sehr Favorit wie bei diesen French Open. Er hatte die vier vorangegangen Ausgaben für sich entschieden. Er hatte sein Herrschaftsgebiet mit dem Wimbledon-Triumph von 2008 und dem Erfolg bei den Australian Open 2009 gewaltig erweitert. Was sollte also schon passieren gegen Söderling, zumal Nadal dem Schweden drei Wochen zuvor in Rom mit 6:1 und 6:0 das Fell über die Ohren gezogen hatte.
Nach 31 Erfolgen in 31 Matches verliert Rafael Nadal gegen Robin Söderling erstmals auf dem Sand von Roland Garros
Nadals Knockout kam wie der berühmte Blitz aus heiterem Himmel. Zumindest für alle, die nicht seinem Team angehörten. Die ersten drei Runden liefen normal, das Sandplatz-Genie gab nicht einen Satz ab. "Ich habe keinerlei Anzeichen von Unruhe oder gar eines Problems bei ihm erkannt", erzählt Clarey. Im Achtelfinale spielte Nadal auch Lleyton Hewitt mit 6:1, 6:3, 6:1 an die Wand. Alle Indikatoren standen auf grün, wie üblich. Was allerdings der Öffentlichkeit nicht bekannt war: Im linken Knie herrschte Alarmstufe rot. "Rafael ging es sehr schlecht", gibt Toni Nadal heute zu. "Nach dem Spiel gegen Hewitt, am Abend im Hotel, war er ruhig, aber traurig. Er litt. Rafa hoffte immer noch, das Turnier zu gewinnen, aber er wusste, dass er nicht mehr 100 Prozent abrufen kann."
Allerdings ist dem Trainer-Onkel wichtig, zu betonen, dass "Robin Söderling ein wirklich sehr, sehr großes Spiel gemacht" habe. Und das ist ein weiterer Schlüssel, um dieses Match zu begreifen. Der Schwede, dessen Potenzial ebenso bekannt war wie selten wirklich ausgeschöpft wurde, rief an diesem Tag sein ganzes Können ab. Es ermöglichte ihm den nicht für möglich gehaltenen 6:2, 6:7 (2:7), 6:4, 7:6 (7:2)-Erfolg. Bei Eurosport-Experte Wilander blieb damals vor allem eines haften:
Ich habe das Gesicht von Rafa nach den ersten vier oder fünf Spielen gesehen. Es sendete die Botschaft aus: 'Oh mein Gott, ich werde das heute nicht packen.' Ich hatte das bei Rafa in Roland Garros noch nie zuvor gesehen.
Für Nadal war dieses Achtelfinale eine sehr schmerzhafte Erfahrung. "Erstmals bei den French Open zu verlieren war sehr schwer, das stimmt", sagt Onkel Toni. "Es war eine sehr große Niederlage und es war kompliziert für ihn." Es war schwerer zu verdauen als das Aus gegen Djokovic im Jahr 2015 oder die verletzungsbedingte Turnierabsage im Jahr 2016.
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Rafael Nadal verlässt den Court in Paris erstmals als Geschlagener

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Der Schock gegen Söderling hatte aber auch einen unschönen Nebenaspekt. Das Team um Nadal warf dem Pariser Publikum, das während des Matches vermehrt Partei für Söderling ergriffen hatte, in höflicher Form vor, den Titelverteidiger nicht respektiert zu haben. Der Onkel des Superstars wurde in dieser Hinsicht deutlicher, bezeichnete die Zuschauer gar als "dumm". Heute, acht Jahre später, haben sich Tonfall und Wortwahl geändert, in der Sache aber bleibt Toni Nadal bei seiner Ansicht. "Das Publikum kann natürlich tun, was es will, aber ich fand, dass es sich gegenüber Rafa nicht korrekt verhalten hat. Das war allerdings nicht der Grund für die Niederlage."
Wie dem auch sei, Nadal ließ dieses Kapitel seiner Karriere schnell hinter sich. Zwölf Monate später holte er sich die Krone von Paris zurück und läutete damit einen neuen Zyklus von fünf Titel-Jahren in Folge ein. Im Finale 2010 kam es dann auch noch zur Revanche gegen Söderling. Nadal schoss ihn in drei Sätzen mit 6:4, 6:2, 6:4 vom Platz. Der Mann, der im Jahr zuvor noch den König stürzte, hatte sich eingereiht in die lange Liste der chancenlosen Gegner...

5.) Nadal contra Borg, ein unmöglicher Vergleich?

Was Rafael Nadal auf Sand im Allgemeinen und in Roland Garros im Speziellen auf die Beine gestellt hat, ist fast unbegreiflich. Oder mit den Worten von Mouratoglou: "Es ist unheimlich, surreal. So etwas werden wir wahrscheinlich nie wieder sehen." In der Tat. Noch in 30, 40 oder 50 Jahren werden Tennis-Fans über diese Zeit sprechen, die den Begriff Ära verdient. "Ich glaube, dass wir die tatsächlichen Auswirkungen von Nadals Leistungen auf den Tennis-Sport noch gar nicht ermessen können", gibt der französische Tennisprofi Nicolas Mahut ehrführchtig zu Protokoll.
Nadal wird kolossal große Spuren hinterlassen. Unvergleichliche? Auch das. Auf dem Zeitstrahl der Sandplatz-Historie gibt es nur einen weiteren Champion, der mit Nadal vergleichbar ist: Björn Borg. "Das sind mit Abstand die beiden besten Sandplatz-Spieler, die ich jemals gesehen habe", ist sich Philippe Bouin sicher. "Die Hierarchie zwischen Nadal und Borg kann man allerdings nicht beurteilen, weil die Epochen überhaupt nicht vergleichbar sind. Ist der eine besser als der andere? Es liegt einfach zu viel Zeit dazwischen. Es ist so, als würde man Mozart und Beethoven in einem Vergleich gegenüberstellen."
Würde Nadal Borg schlagen oder würde der Schwede den Spanier bezwingen? Eine wissenschaftliche Antwort auf die Frage wird es nicht geben. Es ist eine Debatte ohne Ende, aber es ist eine spannende. Tennis-Journalist Clarey gibt zu, dass er sich aus solchen Diskussionen im Prinzip heraushält, "aber in diesem speziellen Fall kann auch ich nicht widerstehen."
Rafael Nadal und Björn Borg - eun unmöglicher Vergleich?
Zu einer interessanten Einschätzung kommt in dieser Frage Thierry Tulasne, einst die Nummer zehn der Welt. "Für mich kann man Borg und Nadal durchaus vergleichen", so der Franzose, der den Schweden im Vorteil sieht. "Meinem Gefühl nach würde Borg dominieren. Er verlor nur sehr wenige Matches. Trotz Gegnern wie Adriano Panatta oder auch Víctor Pecci hat er eine beeindruckende Siegquote. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Spieler gibt, der ihm ernsthaft Probleme bereiten würde. Rafa ist aus meiner Sicht häufiger in knifflige Situationen gekommen, wahrscheinlich häufiger als Björn."
Was den Vergleich statistisch erschwert, ist die Tatsache, dass Borg seinen Schläger bereits mit 26 Jahren in die Ecke stellte. So kam er "nur" auf 30 Sandplatz-Titel, sechs davon bei den French Open. Bei Nadal stehen an dieser Stelle die Zahlen 52 und neun. Für Wilander reicht das aber aus, um die Frage nach dem größten Sandspezialisten der Historie zu beantworten. Er gibt seine Stimme aber nicht seinem Landsmann, sondern Nadal. "Für mich ist Rafa der größte Sandplatz-Spieler. Natürlich hätte Borg zwei oder drei French-Open-Titel mehr gewinnen können. Hat er aber nicht. Diesen Umstand in dieser Frage gegen Nadal zu verwenden, halte ich für falsch. Man kann darüber debattieren, ob Federer der größte Rasen-Spieler ist. Aber auf Sand ist die Sache für mich klar: Nadal ist die Nummer eins."

6.) Von der Décima zur Undécima?

Auf dem Sockel der Coupe des Mousquetaires sind sie eingraviert, die Namen für die Ewigkeit. Champions und Legenden - und eine Anomalie. In den Jahren 2015 und 2016 fehlt plötzlich die Gravur "R. Nadal ESP", stattdessen sind dort die Herren Wawrinka und Djokovic verewigt. Zwei Jahre ohne Nadal, das hatte es zwischen 2005 und 2014 nie gegeben, nur 2009 musste sich der Graveur einmal kurz umstellen, um den Namen Federer auf den Pokal zu schreiben.
Es wird aber niemand in Abrede stellen, dass Nadal auf der berühmten Siegestrophäe von Roland Garros einen Raum beansprucht wie noch nicht ein Spieler zuvor. Zehn Mal taucht der Name des "Stiers von Manacor" auf der Coupe bislang auf.
Und Nadal ist gierig und erfolgshungrig wie eh und je. Der Weltranglistenerste will der Décima die Undécima, den elften Titel bei den French Open, folgen lassen.
Zwar ist Novak Djokovic noch nicht bei 100 Prozent, trotzdem muss Nadal extrem starke Konkurrenz fürchten. Da ist zum einen Alexander Zverev. Der Hamburger war im Finale des Sandplatz_Masters von Rom gegen den Spanier bereits auf der Siegerstraße, führte im dritten Satz mit 3:1. Dann kam eine Regenpause, die Nadal für sich nutzte. Der Sandplatzkönig kam fokussiert zurück, holte fünf Spiele in Folge und gewann das Endspiel mit 6:1, 1:6 und 6:3.
Dominic Thiem gelang es kurz zuvor beim Masters von Madrid, ebenfalls auf Sand, den "Stier von Manacor" zu bezwingen. Der Österreicher gewann im Viertlefinale überraschend klar mit 7:5 und 6:3. Das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, wer in Roland Garros das Sagen hat: Rafael Nadal.
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