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Corretja im French-Open-Interview: "Zverev ist bereit wie nie"

Marc Hlusiak

Update 25/09/2020 um 19:09 GMT+2 Uhr

Vor dem Start der French Open am Sonntag (27. September) spricht der ehemalige Top-10-Spieler und heutige Eurosport-Experte Alex Corretja über die veränderten Voraussetzungen für Top-Favorit Rafael Nadal und den Streit um die Spielervereinigung PTPA von Novak Djokovic. Außerdem schätzt der Spanier die Chancen von Alexander Zverev nach dessen erstem Grand-Slam-Finale bei den US Open ein.

Alexander Zverev bei den French Open

Fotocredit: Getty Images

Das Interview führte Marc Hlusiak
Frage: Jeder redet über die großen Probleme, die auf den Tennissport zukommen, wenn die Big 3 in einigen Jahren ihre Karrieren beendet haben. Können Sie einmal darlegen, was Nadals Karriereende im Speziellen für das spanische Tennis bedeuten würde?
Alex Corretja: "Noch ist das nicht genau zu sagen, glücklicherweise ist es ja noch nicht so weit. Sicher ist, dass er eine große Leere hinterlassen wird - nicht nur bei seinen Fans, sondern auch im gesamten Tennissport. Wir sind es gewohnt, Nadal dabei zuzusehen, wie er Grand-Slam-Titel und Masters gewinnt. Wir schauen ihm beim Kampf um die Nummer eins in der Weltrangliste und den Davis-Cup zu. Ich hoffe, dass es nicht so kommt wie damals in Deutschland, als Boris Becker, Steffi Graf und Michael Stich aufgehört haben. Deutschland hatte zwar weitere gute Spieler, aber es war nicht einfach, das Gefühl aufrecht zu erhalten. Es ist etwas anderes, wenn du jemanden hast, der jedes Grand-Slam-Turnier gewinnen kann. Gut spielen und dann im Halbfinale ausscheiden - das ist nie genug. Als Pete Sampras und Andre Agassi aufhörten war es ähnlich, auch die Schweden hatten ihre Probleme in den 80er Jahren. Rafa (Nadal, Anm. d. Red.) ist für uns mehr als nur ein Tennisspieler. Es gibt keinen Ersatz für ihn. Wir müssen verstehen, dass die Zeit mit ihm eine außergewöhnliche Phase in unseren Leben ist und wenn sie vorbei ist, dann müssen wir weitermachen. Denn der Tennissport überlebt auch ohne Rafa - so auch das spanische Tennis. Wenn auch nicht mit dem selben ständigen Adrenalinschub, den uns Rafa gegeben hat."
Frage: Erst einmal kämpft Nadal nun in Roland-Garros um seinen 13. French-Open-Titel -und das mit nur drei Spielen Vorbereitung beim Masters in Rom. Werden wir dieses Mal also einen schwächeren Sandplatzkönig als in den vergangenen Jahren sehen?
Corretja: "Es werden auf jeden Fall die schwierigsten French Open der vergangenen zehn Jahre für ihn - so viel ist sicher. Er hat bei den US Open nicht gespielt und hatte er kein zusätzliches Sandplatzturnier vor Rom wie beispielsweise Madrid, bei dem er sich etwas Rhythmus hätte holen können. Zudem sind es im Oktober in Paris komplett andere Bedingungen. Letztes Jahr gab es keine zwei Meinungen, da war er der klare Favorit. Dieses Jahr gehört er zu den Favoriten, ja, aber es ist nicht wie in der Vergangenheit, wo er weit höher einzuschätzen war als alle anderen. Ich glaube, dass Thiem sehr nah dran ist. Er hat die US Open gewonnen, war schon im Finale von Melbourne und Ronald-Garros. Er hat die Erfahrung und die Gewissheit, dass er ein Grand-Slam-Champion ist. Er hat jetzt den Glauben, dass er es schaffen kann. Rafa wird die erste Woche brauchen, um Rhythmus zu bekommen. Gelingt ihm das, kann er in der zweiten Woche den Titel angreifen. Aber Thiem wird da sein und zwar mit jeder Menge Selbstvertrauen und Rhythmus. Und genau das fehlt Rafa im Moment."
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Dominic Thiem mit der US-Open-Trophäe

Fotocredit: Getty Images

Frage: Die Hauptkonkurrenten für Nadal könnten die US-Open-Finalisten Dominic Thiem und Alexander Zverev sein. Ist es im Kampf um die Krone von Paris ein Vor- oder Nachteil, dass beide zwei anstrengende Wochen in New York hinter sich haben?
Corretja: "Es wäre natürlich besser, ein paar Wochen zu haben, um sich auf Sand auf die French Open vorzubereiten. Aber wir leben aktuell eben nicht in der perfekten Welt. Es ist definitiv ein großer Nachteil für diejenigen, die in New York in der ersten, zweiten oder dritten Runde schon ausgeschieden sind. Aber für Thiem und Zverev nicht unbedingt. Beide haben jetzt ein Finale gespielt, haben Grand-Slam-Rhythmus aufgebaut. Sie haben Nervenschlachten auf dem Court überstanden, lange Matches gespielt, sind gebreakt worden, waren Satz vor oder Satz zurück. Diese Gefühle brauchst du, um auf höchstem Niveau weiterarbeiten zu können. Ich glaube daher, dass die US Open mehr Vor- als Nachteil für die beiden sind. Natürlich ist es ein Nachteil, weil sie nicht so viel Zeit zur Vorbereitung hatten - aber es ist ein willkommener Nachteil."
Frage: Es gab in den vergangenen Monaten einige Kontroversen zwischen Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic bzgl. dessen neugegründeter Spielervereinigung PTPA. Machst du dir Sorgen, dass sich ein dauerhafter Streit zwischen der drei größten Namen des Herrentennis etabliert?
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Novak Djokovic

Fotocredit: Getty Images

Corretja: "Was ich an allen dreien mag: Sie versuchen zu helfen. Novak (Djokovic, Anm. d. Red.) hat es eigentlich nicht nötig, irgendetwas für andere zu tun. Er könnte einfach nur an sich selbst denken, aber das tut er nicht. Er ist nicht egoistisch. Du kannst für oder gegen die Spielervereinigung sein, am Ende versucht er trotzdem lediglich anderen zu helfen. Rafa und Roger (Federer, Anm. d. Red.) haben ebenfalls stets versucht, zu helfen. Es ist kein Problem, dass sie in dieser Sache anderer Meinung sind. Das ist normal und muss akzeptiert werden, solange der gegenseitige Respekt da ist. Außerdem kann Djokovics Alleingang sogar der ATP helfen. Er zeigt: 'Hey, wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern müssen uns weiter um unsere Spieler kümmern.' Die PTPA kann als Warnung für alle dienen. Keiner kann relaxen. Es wird sich zeigen, was letztlich daraus wird. Wichtig ist nur: Wer auch immer sich für die Vereinigung einsetzt, tut das, um zu helfen. Und wer hilft, kann so falsch nicht liegen. Nochmal: Man kann anderer Meinung sein, aber es ist schwer, einen Helfenden zu kritisieren."
Frage: Zum Abschluss: Kannst du den deutschen Tennis-Fans einen guten Grund nennen, der dafür spricht, dass Zverev schon in diesem Jahr der erste deutsche Sieger der French Open im Herrentennis wird?
Corretja: "Sascha (Zverev, Anm. d. Red.) hat in New York eine Menge gelernt. Ich glaube, dass er bereit wie nie ist, einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Aber die größten Chancen hat er nicht auf Sand - nicht in Roland-Garros. Aber es wird sicherlich nicht einfach, ihn zu schlagen. Er ist groß, hat gelernt, auf Sand zu spielen und ist ein großartiger Kämpfer. Nadal, Thiem und Djokovic stehen für mich über dem Rest - aber Zverev kommt direkt danach."
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