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"Ich seh' scheiße aus!"

Eurosport
VonEurosport

Update 23/04/2011 um 12:17 GMT+2 Uhr

Spielerisch konnte Andrea Petkovic der Weltranglistenersten Caroline Wozniacki mindestens das Wasser reichen. Doch nach fünf harten Matches in sechs Tagen und vielen Terminen jenseits des Tennisplatzes fehlte der Deutschen die Energie für den Halbfinaleinzug.

Petkovic Rollstuhl WTA Stuttgart 2011

Fotocredit: dpa

Aus Stuttgart berichtet Felix Mattis
Donnerstag, 16:15 Uhr auf dem Court 1 in der Porsche Arena: Petkovic bereitet sich im grünen Trainings-Dress mit ihrem Coach Petar Popovic auf die anstehende Partie gegen Wozniacki vor. Sie trifft nahezu jeden Ball perfekt, ein Lächeln kommt dabei aber selten über die Lippen. Sie ist voll fokussiert und scheint um sich herum alles auszublenden.
Erst als die Kontrahentin höchst persönlich nach ihrem eigenen Training am Platz vorbei läuft, wird es kurz spaßig: "Trainier' nicht zu viel, die Energie brauchst du später noch", wirft die Weltranglistenerste aus Dänemark Petkovic zu. Wozniacki trifft es nicht ganz, denn nicht das Training, sondern ganz andere Dinge saugen der populären Darmstädterin die Energie aus dem Körper.
"Es ist nicht, dass mir körperlich die Fitness fehlt. Es ist diese Energie, die von jedem ein bisschen gezogen wird. Hier ein Interview zwei Prozent, da ein Interview vier Prozent, da ein Meet & Greet zehn Prozent, da eine Autogrammstunde - all' diese Sachen", befand die Weltranglisten-19. nach dem Ausscheiden. "Was meinen Körper betrifft, da kann ich nicht mehr viel rausholen. Es geht einfach nur noch um diese geistige und emotionale Stärke, die ich brauche."
Der Stress ist "auch schön"
Tatsächlich gilt Petkovic als eine der körperlich fittesten Spielerinnen auf der Tour. Und wer sie in Stuttgart intensiver beobachtete, der bemerkte schon in den vergangenen Tagen bei den Matches gegen Tamira Paszek und Jelena Jankovic, dass hauptsächlich der Stress, den sie trotz allem als "schön" empfindet, an ihr nagt.
"Ich seh‘ wirklich echt scheiße aus. Als ich vom Platz kam hat Barbara Rittner gesagt: 'Du siehst heute noch schlechter aus, als in den vorigen Tagen.' Der Stress hat mich wirklich mitgenommen. Aber andererseits habe ich es genossen, dass das Publikum so hinter mir stand."
"Allein wird es nicht funktionieren"
Es war und ist ihr Ziel, das deutsche Tennis wieder mehr in den Blickpunkt zu rücken - die ausverkaufte Porsche Arena am Donnerstagabend war da ein positives Zeichen. "Es freut mich unheimlich, dass die deutschen Mädels hier so toll spielen." Die Erfolge der DTB-Teamkolleginnen, Julia Görges steht als erste Deutsche seit Anke Huber im Halbfinale, dürfen Petkovic Hoffnung machen, dass sich das Gewicht der öffentlichen Erwartungen in Zukunft auf mehrere Schultern verteilt, denn: "Allein wird es nicht funktionieren."
Das "Nein sagen" müsse sie noch lernen, erklärte Petkovic im Vorfeld des Stuttgarter Turniers angesichts der unzähligen Presse-Anfragen und anderer vermeidbarer Verpflichtungen, die vom Wesentlichen ablenken: dem Tennis. Es war ein Hilferuf einer durch eigenes Verschulden in kurzer Zeit sehr populär gewordenen 23-Jährigen. Doch der Ruf wurde nicht erhört. Beim Heimturnier stand die deutsche Nummer eins mehr im Fokus denn je. Jeder wollte ein Stück "Petko" mit nach Hause nehmen.
Im Rollstuhl zur Pressekonferenz
So spielte die Deutsche das Spiel auch nach dem Warm-Up am Donnerstag wieder geduldig mit: Als der letzte Ball geschlagen war, setzte Petkovic fast wie automatisch ein freundliches Lächeln auf, schrieb unzählige Autogramme und beantwortete selbst auf dem Weg durch die Katakomben noch freundlich alle Fragen unersättlicher Journalisten. Wozniacki dagegen war Minuten zuvor einfach schnurstracks weitergegangen.
Donnerstag, 20:50 Uhr im Presse-Zentrum der Porsche Arena: "Andrea kommt erst nach dem Doppel zur Pressekonferenz, sie ist sehr enttäuscht", hieß es nach Ende des Viertelfinal-Matches. Doch Petkovic hielt mal wieder eine Überraschung für die versammelte Medienwelt bereit. Kurze Zeit später ging der Fahrstuhl auf und heraus kam eine Rollstuhlfahrerin, die von einem Glatzkopf geschoben sowie von einem Freund begleitet wurde - Petkovic, ihr Trainer Popovic und Musiker Phil Fill.
"Ich bin noch keine Maschine…"
Kurzzeitig stockte den Anwesenden der Atem, doch dann sorgte die 23-Jährige mit einem schelmischen Lächeln für Erleichterung: "Ich wollte nur mal den Humor der deutschen Journalisten testen." Verletzt sei sie nicht, nur sehr müde.
Dennoch sollte der komödiantische Test wohl als weiteres deutliches Zeichen in Richtung Entlastung verstanden werden. "Ich spare Energie", scherzte Petkovic mit Blick auf den Rollstuhl, denn: "Irgendwann ist der Akku einfach leer. Ich bin noch keine Maschine." Hatte sie 'doch' oder 'noch' gesagt? 'Noch', denn nach kurzer Pause folgte schon die nächste Kampfansage der Darmstädterin, die am Montag unter den Top 15 der Welt stehen wird: "Aber ich werde bald eine sein."
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