WTA Hamburg - Andrea Petkovic im exklusiven Eurosport-Interview zur Situation im Frauen-Tennis: "Das nervt mich"
Update 17/07/2025 um 11:05 GMT+2 Uhr
Zur aktiven Zeit von Andrea Petkovic gehörten vier deutsche Spielerinnen zur Weltspitze, was längst nicht mehr der Fall ist. Im Exklusiv-Interview mit Eurosport.de spricht die 37-Jährige, einst die Nummer neun des WTA-Rankings, über die Gründe und geht auf Hoffnungsträgerinnen wie Jule Niemeier und Ella Seidel ein. Zudem kritisiert sie die mangelnde öffentliche Wertschätzung für das Frauen-Tennis.
Andrea Petkovic vertritt eine klare Meinung
Fotocredit: Imago
Andrea Petkovic ist eine viel beschäftigte Frau. Bis zur vergangenen Woche war sie noch als TV-Expertin in Wimbledon im Einsatz.
Nun ist sie als Turnierbotschafterin des 250er-WTA-Turniers in Hamburg tätig. Zwischen all ihren Terminen - von Sponsorenmeetings bis hin zu Kindercamps und Autogrammstunden - nahm sich Petkovic Zeit, um mit Eurosport.de über die Situation im Frauen-Tennis zu sprechen.
Besonderer Fokus lag dabei auf Tatjana Maria und Laura Siegemund. Letztere begeisterte jüngst mit ihrem Viertelfinaleinzug in Wimbledon.
Die Leistungsdichte im Frauentennis sei allerdings höher als zu ihrer aktiven Zeit, so Petkovic, die zusammen mit Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Julia Görges eine extrem erfolgreiche Zeit im deutschen Frauen-Tennis bildetet. Daher sei es für jüngere Athletinnen schwieriger, bis in die Weltspitze vorzudringen.
Frau Petkovic, beim WTA-Turnier in Hamburg treten viele junge DTB-Spielerinnen an. Wem trauen Sie zu, nach Laura Siegemund und Tatjana Maria die nächste Topspielerin aus Deutschland zu werden?
Andrea Petkovic: Es gibt ganz viele. Eva Lys hat das bereits gezeigt, konnte nun aber leider krankheitsbedingt hier nicht dabei sein. Noma Noha Akugue ist zwar in der 1. Runde ausgeschieden, hat aber ein fantastisches Match gegen Anna Bondár gespielt. Ella Seidel ist bereits an der erweiterten Weltspitze dran. Sie hatte das Pech, dass sie in Wimbledon umgeknickt ist. Jule Niemeier hat bereits gezeigt, dass sie das kann. Das Schwierige am Individualsport ist, dass jede Geschichte individuell ist. Es gibt immer Gründe dafür, dass jemand bis zu einem gewissen Niveau kommt und dann vielleicht zurückgeworfen wird - zum Beispiel durch Verletzungen. Außerdem gibt es einen Unterschied zu meiner aktiven Zeit.
Nach der Ära von Boris Becker, Steffi Graf, Michael Stich und Anke Huber kam erst einmal nicht viel nach.
Andrea Petkovic
Und der wäre?
Petkovic: Als ich im Jahre 2008 auf die Tour kam, war es noch nicht so, dass alle Spielerinnen aus den Top 150 auf einem so hohen Niveau gespielt haben. Damals waren die 50 besten Spielerinnen richtig stark und danach gab es eine große Lücke. Das hat sich extrem geändert.
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Andrea Petkovic mit Eurosport-Reporter Oliver Jensen beim WTA-Turnier in Hamburg
Fotocredit: Eurosport
Dennoch ist es auffällig, dass es zu Ihrer aktiven Zeit mit Angelique Kerber, Sabine Lisicki, Julia Görges und Ihnen vier deutsche Spielerinnen gab, die zur Weltspitze gehörten. Warum ist das aktuell nicht mehr der Fall?
Petkovic: Es gibt zwei mögliche Erklärungen. Einmal gibt es natürlich von Generation zu Generation Wellenbewegungen. Nach der Ära von Boris Becker, Steffi Graf, Michael Stich und Anke Huber kam erst einmal nicht viel nach. Es ist nicht so, dass wir es Boris und Steffi gleichgetan haben. Aber es gab eben wieder eine Gruppe an Spielerinnen, die in der Weltspitze dabei war - vor allem Angelique Kerber.
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Coco Gauff (li.) und Aryna Sabalenka (re.) im Gespräch
Fotocredit: Getty Images
Was wäre neben den Wellenbewegungen die zweite Erklärung?
Petkovic: Als wir damals aufgewachsen sind, waren wir vier zwar diejenigen, die sich später durchgesetzt haben. Aber es gab 15 Spielerinnen in einem ähnlichen Alter, die ebenfalls stark gespielt haben. Viele sind dann aus verschiedenen Gründen weggefallen - manche wollten sich mehr auf die Schule konzentrieren, andere haben sich verletzt. Aber es gab eine Breite. Und diese Breite, aus denen vier oder fünf Spielerinnen hervorstechen, gibt es jetzt nicht mehr. Wir haben in Deutschland ein unglaubliches Potenzial und richtig viel Talent. Aber es fehlt die Breite, sodass vielleicht jemand auch mal überraschend durchstartet. Ob das dauerhaft der Fall sein wird, müssen wir abwarten.
Bei den Frauen ist es so, dass Coco Gauff einer der größten Sport-Stars in den USA ist. Das bekommen wir hierzulande allerdings nicht so mit, weil das ein anderer Markt ist.
Andrea Petkovic
Wie sehen Sie die Situation im Frauentennis allgemein? Bei den Herren gibt es mit Jannik Sinner und Carlos Alcaraz zwei relativ neue Superstars, die auch hierzulande gefühlt jeder kennt. Bei den Damen scheinen solche Mega-Stars, die über den Tennissport hinaus bekannt sind, zu fehlen …
Petkovic: Bei den Frauen gibt es drei absolute Top-Stars, die in den vergangenen fünf, sechs Jahren die Grand-Slam-Turniere fast unter sich aufgeteilt haben - nämlich Aryna Sabalenka, Coco Gauff und Iga Swiatek. Diese Phase der Dominanz ist länger als die von Sinner und Alcaraz. Aber wir schauen in Deutschland eben vielfach nur auf die deutschen Spielerinnen und bekommen davon wenig mit. Jannik Sinner wird fast als einer von uns wahrgenommen, weil er Deutsch spricht (lacht). Und Alcaraz ist einer der charismatischsten Spieler, die ich je gesehen habe. Beide sind zudem super bescheiden - einfach tolle Jungs, denen die Sympathien entgegenfliegen.
Und bei den Frauen?
Petkovic: Bei den Frauen ist es so, dass Coco Gauff einer der größten Sport-Stars in den USA ist. Das bekommen wir hierzulande allerdings nicht so mit, weil das ein anderer Markt ist. Sabalenka und Swiatek sind dort ebenfalls große Stars, weil sie die Konkurrenten von Gauff sind. Hier in Europa ist das leider nicht ganz so. Leider wird das Frauen-Tennis manchmal etwas abgewertet, obwohl die drei Frauen total dominieren. Das nervt mich immer. Daher versuche ich, das Frauen-Tennis zu unterstützen und zu stärken.
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