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Afrika-Cup 2017 - Lutz Pfannenstiel im Interview: "Das letzte Turnier für Fußball-Romantiker"

Eurosport
VonEurosport

Update 14/01/2017 um 16:50 GMT+1 Uhr

Lutz Pfannenstiel ist der einzige Spieler, der in seiner Karriere auf allen sechs Kontinenten aktiv war. Der 43-Jährige ist nach etlichen Jahren auf dem schwarzen Kontinent der Afrika Cup-Experte schlechthin. Seit Jahren ist Pfannenstiel für Eurosport als TV-Experte aktiv. Im Interview skizziert er die Eigenheiten des Turniers, das Gastgeberland Gabun und verrät seinen Favoriten auf den Titel.

Lutz Pfannenstiel ist der Afrika-Cup schlechthin

Fotocredit: Eurosport

Das Interview führt Maximilian Lütgens
Herr Pfannenstiel, Sie gelten als der Experte des afrikanischen Fußballs und waren als Aktiver u. a. Torhüter bei den Orlando Pirates in Südafrika und Co-Trainer der Nationalmannschaft von Namibia. Derzeit sind Sie Chef der internationalen Beziehungen der TSG 1899 Hoffenheim und helfen Kindern in Afrika mit dem Fußball-Projekt "Global United“. Was macht für Sie den Reiz am Afrika-Cup aus?
Lutz Pfannenstiel: Der Afrika-Cup ist das vielleicht letzte Turnier für Fußball-Romantiker. Da passieren verrückte, unvorhersehbare Dinge. Bei einer Europameisterschaft oder einer Weltmeisterschaft gibt es das so nicht mehr. 'African football – love it or leave it!' Entweder du liebst oder du hasst ihn. Und gerade in Deutschland gibt es sehr viele Liebhaber des afrikanischen Fußballs und des Afrika-Cups.
Mich fasziniert das Ungewisse, das Unberechenbare an diesem Turnier. Spieler tauchen auf, die vorher keiner auf der Rechnung hatte. Quasi aus dem Nichts. Mannschaften wie Zimbabwe, Uganda, oder Togo - da wissen die meisten Experten nicht einmal, wie man die Namen ausspricht. Faszinierend ist auch der Hunger der Spieler, die noch bei afrikanischen Vereinen unter Vertrag stehen. Sie wollen unbedingt den Sprung in die europäischen Top-Ligen schaffen. Ein gefundenes Fressen für die vielen Scouts aus Europa.
Welche Mannschaften sind in diesem Jahr die großen Favoriten? Auf welche Spieler, die in Europa noch nicht so bekannt sind, sollten wir achten?
Pfannenstiel: Die Favoriten sind die alten Bekannten, allen voran Titelverteidiger Elfenbeinküste, die ihr Team um einiges verjüngt haben. Bestes Beispiel ist da Yaya Touré, der bei den Ivorern nicht mehr dabei ist. Algerien ist bärenstark, was seit der Weltmeisterschaft bekannt ist, als Algerien im Achtelfinale den späteren Weltmeister Deutschland an den Rand der Niederlage gebracht hat.
Auch Ghana ist für mich einer der Favoriten, da sie immer zu den Favoriten gehören und es irgendwann endlich zum Titel reichen müsste. Diese drei sind meine großen Favoriten. Nigeria, die Mannschaft, die mir momentan in Afrika am stärksten scheint, hat sich dieses Jahr leider nicht qualifiziert.
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Thomas Müller im Achtelfinale gegen Algerien

Fotocredit: Eurosport

Sie sind bei Hoffenheim auch für das Scouting mitverantwortlich und waren als Afrika Cup-Experte für Eurosport und die "BBC" im Einsatz. Werden Sie in Gabun denn auch vor Ort sein?
Pfannenstiel: Ich bin auf alle Fälle vor Ort, aber der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest. Denn bis Ende Januar haben wir hier zuhause noch viel Arbeit wegen der Transferperiode. Halbfinale und Finale werde ich sicher live vor Ort sehen - wahrscheinlich berichte ich für’s Fernsehen.
Was bedeutet es, beim Afrika-Cup im Stadion zu sein? Gibt es dort eine spezielle Atmosphäre, was ist anders als bei Europameisterschaft und Champions League?
Pfannenstiel: Klar, gibt es dieses African Feeling, und zwar ganz stark. Die Begeisterung, der Rhythmus, die Leichtigkeit. Aber die Medaille hat - wie so oft - zwei Seiten. Wenn die Heimmannschaft spielt, wie jetzt in Gabun, da werden sprichwörtlich sämtliche Dämme brechen. Ich hatte das Glück, schon 2012 beim Afrika-Cup in Gabun dabei gewesen zu sein, als sich Gabun gemeinsam mit Äquatorial-Guinea den Afrika-Cup geteilt hat. Ich konnte dort alle Spiele von Gabun sehen, weil mein guter Freund Gernot Rohr damals Trainer von Gabun war. Die Stimmung war elektrisierend, eine wirklich positive und glückliche Stimmung.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass das Gros der Spiele nicht ausverkauft ist. Wenn die Heimmannschaft nicht spielt oder die großen Teams wie die Elfenbeinküste oder Ghana. Bei den "kleinen" Spielen ist meistens wenig los. In dem Moment, wo der Gastgeber ausscheidet, verlieren die Zuschauer meist das Interesse. Da ist dann nur noch im Finale was los.
Das sind die Höhen und Tiefen beim Afrika-Cup, und das war auch beim letzten Afrika-Cup 2015 in Äquatorial-Guinea so. Wenn Äquatorial-Guinea gespielt hat, dann war die Stimmung unglaublich. Ansonsten war teilweise Totenstille im Stadion.
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Für Lutz Pfannenstiel ist Afrika fast ein zweites zu Hause

Fotocredit: Eurosport

Hubschrauber im Stadion aufgrund von Fan-Ausschreitungen vor zwei Jahren in Äquatorial-Guinea, ein Torbruch 2013 in Südafrika und immer wieder fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen: Glauben Sie, dass sich die Zuschauer auch beim Turnier in Gabun auf Kuriositäten einstellen können?
Pfannenstiel: Gabun ist in dieser Hinsicht sicherlich besser organisiert. Allerdings würde ich die politische Situation als leicht angespannt bezeichnen, es könnte sein, dass sich die Unzufriedenheit der Leute ins Stadion überträgt. Ich gehe aber davon aus, dass wir in Gabun ein ruhiges Turnier erleben.
Bei den Schiedsrichterentscheidungen kann man sich sicher wieder auf ein paar lustige Szenen einstellen. Als jemand, der lange in Afrika war, bewerte ich die Schiedsrichterentscheidungen anders als viele von den Journalisten, die immer gleich von Verschwörungstheorien und absichtlichen Fehlentscheidungen sprechen. Es sind natürlich Entscheidungen dabei, die teilweise so haarsträubend sind, dass sie bei uns für große Verwunderung sorgen.
Da sehe ich aber immer noch eher das Gute und hole nicht gleich die Korruptionskeule aus dem Kritikersack. Was wir mit Sicherheit wiedersehen werden, sind extrem harte Tacklings. In der Bundesliga würdest Du da Rot ernten und eine Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung.
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Lutz Pfannenstiel war auch als Torwart-Trainer aktiv

Fotocredit: Eurosport

Wer wird den Afrika-Cup in diesem Jahr gewinnen? Wird Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund der große Star des Turniers?
Pfannenstiel: Ich hoffe für das Turnier, dass Ausrichter Gabun so weit kommt, wie es geht. Gabun hat eine große Auswahl von guten jungen Fußballern, aber der gesamte Kader hat noch nicht ganz die Qualität wie andere Mannschaften. Trotzdem denke ich, dass der Heimvorteil da einiges bewegen kann. Es besteht die Gefahr, dass das Spiel zu stark auf Aubameyang zugeschnitten ist. So etwas ist bei solchen guten Spielern oft der Fall.
Da ich ihn privat gut kenne und sehr schätze, wünsche ich ihm von ganzem Herzen, dass Gabun um den Titel mitspielt und er eine tragende Rolle dabei spielen kann. Trotzdem tippe ich dieses Jahr auf Ghana. Sie sind wieder mal an der Reihe. Ghana ist mein Favorit auf den Titel beim Afrika-Cup.
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