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Eurosport Taktik-Check: Schalke 04 und der harte Weg zum Topteam

Luca Baier

Update 17/10/2015 um 11:31 GMT+2 Uhr

Der FC Schalke 04 hat einen starken Saisonstart hingelegt und liegt im Kampf um die Champions-League-Plätze derzeit komplett im Soll – daran ändert auch die Niederlage am letzten Spieltag gegen den 1. FC Köln nichts. eurosport.de analysiert, woran es Schalke dennoch zu einem absoluten Topteam der Bundesliga fehlt.

Die "Jungen Wilden" von Schalke 04 im Taktik-Check

Fotocredit: Imago

Acht Spiele, 16 Punkte, zwei Siege in der Europa League, Platz drei in der Bundesliga: Der Schalker Saisonstart ist mehr als ordentlich gelaufen. So weit, so gut. Doch sind die Königsblauen wirklich auf dem Weg zu einem Topteam der Liga?
Gegen Hertha BSC (Samstag, 15:30 Uhr im Liveticker bei eurosport.de) muss die Mannschaft von André Breitenreiter zeigen, dass die bisherigen Erfolge nicht von ungefähr kommen – denn die Hauptstädter reisen als direkter Verfolger ins Ruhrgebiet.

Schalker Scheinstabilität

Auffällig war bislang die defensive Stabilität der Schalker. In elf Pflichtspielen blieb das Team beachtliche sieben Mal ohne Gegentor. Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten Breitenreiter und sein Trainerstab die Probleme mit der Kompaktheit aus der Vorsaison in den Griff bekommen. Die guten Ergebnisse täuschen allerdings darüber hinweg, dass die Schalker Gegner eigentlich immer gute – und teilweise auch hundertprozentige Chancen hatten.
Dass Ralf Fährmann von vielen als Kandidat für die Nationalmannschaft ins Gespräch gebracht wurde, hat einen simplen Grund: Er hatte einfach unheimlich viele Gelegenheiten, sich auszuzeichnen – und meisterte dies mit Bravour. Kaum ein Spiel verging, indem der Keeper nicht mindestens einmal im Eins-gegen-Eins gegen einen gegnerischen Stürmer rettete.
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Ralf Fährmann ist bei Schalke die unumstrittene Nummer eins

Fotocredit: Imago

Grund dafür sind klare taktische Mängel. In Schalkes 4-4-2, das je nach Personal auch als 4-2-3-1 bezeichnet werden kann, gibt es große Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Neuzugang Johannes Geis lässt sich im Spielaufbau zwischen oder sogar hinter die Innenverteidiger fallen und baut im Stile eines Liberos das Spiel auf. Weil die Außenverteidiger weit vorrücken und die vier Offensivspieler vorne meistens auf einer Linie stehen, ist Leon Goretzka im Mittelfeld oftmals allein auf weiter Flur.

Kein Zugriff = Konteranfälligkeit

Nach Ballverlusten wird es für den talentierten Mittelfeldakteur so naturgemäß schwer, die großen Räume im Zentrum zu schließen. Ein aggressives Gegenpressing, wie es Topteams wie Bayern oder Dortmund spielen, ist so nicht möglich – gefährliche Konter durchs Zentrum sind die Folge. Gegen die im Umschaltspiel so starken Herthaner könnte dies große Probleme verursachen.
Der 1. FC Köln machte am vergangenen Spieltag vor, wie man am besten durch die königsblaue Formation kontert: Nach Ballgewinn kommen die Stürmer entgegen, die Flügelspieler rücken ins Zentrum und bieten sich um Goretzka herum an. Mit schnellen Pässen in die Tiefe können zudem die Schwächen der einzelnen Spieler aufgedeckt werden. Geis, der durch seine Libero-Rolle im Aufbau in diesen Situationen meistens noch hinten ist, und Neustädter sind beide nicht besonders schnell – schon gar nicht, wenn sie große Räume zu verteidigen haben.

Kreativität? Umschaltspiel und Einzelaktionen!

Dass die klaren taktischen Defizite im Defensivspiel sich bislang kaum in Zahlen ausdrücken, ist neben Fährmanns Großtaten am Fließband auch ein Stück weit dem Unvermögen und Pech der Gegner zuzuschreiben. Doch nicht nur hinten hakt es. Schaut man sich die Traumtore von Schalkes Shootingstar Leroy Sané an, mag man nicht an Offensivprobleme der Gelsenkirchener glauben.
Das Erspielen von Großchancen fällt dem Team von Breitenreiter jedoch mitunter sehr schwer. Viele Teams stellen Geis im Aufbau zu und provozieren so lange Bälle in die Spitze. Besonders Choupo-Moting kann diese auf dem Flügel gegen die in der Regel kleineren Außenverteidiger regelmäßig verarbeiten. Um die Angriffe im Anschluss kontrolliert auszuspielen, mangelt es den Schalkern jedoch an Struktur. Nur selten werden Dreiecke gebildet, unvorhersehbare Laufwege sind ebenfalls Mangelware.
So ist es wenig überraschend, dass die größte Gefahr nicht aus dem geregelten Spielaufbau heraus, sondern nach Standards und Umschaltsituationen entsteht. Von den 22 Schalker Pflichtspieltoren fielen 16 Treffer nach solchen Szenen. Matips Kopfballstärke und Sanés überragende Tempodribblings im Konter sind bislang die Schlüsselfaktoren im Spiel von S04. Ob Pal Dardai mit der Hertha ein Gegenmittel findet?

Breitenreiters Herausforderung

Dass Schalke bislang so kontinuierlich gepunktet hat und mit Fährmann und Sané zwei Spieler in absoluter Topform aufbietet, täuscht also über einige taktische Defizite hinweg. Gegen gut organisierte Gegner, die zudem auch noch stark im Umschaltspiel sind, wird Schalke regelmäßig Probleme bekommen, aufgrund ihrer individuellen Klasse und den wohl stärksten Standards der Liga aber trotzdem oft gewinnen.
So lange die Königsblauen weiter punkten, wird Breitenreiter die nötige Ruhe und Zeit haben, um an den richtigen Schrauben zu drehen. Das Potenzial, mit diesem Kader ein klares Konzept zu entwickeln, das längere Ballbesitzphasen und schnelles Umschaltspiel vereint, ist auf jeden Fall da.
Das Heimspiel gegen Hertha soll im besten Fall den nächsten Schritt auf dem Weg zur Spitzenmannschaft darstellen.
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