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Bundesliga-Kolumne LIGAstheniker: Max Eberl unter Zugzwang - so verliert der FC Bayern seine Leistungsträger

Thilo Komma-Pöllath

Update 04/03/2024 um 16:25 GMT+1 Uhr

Die Aufbruchstimmung beim FC Bayern ist nach dem Remis beim SC Freiburg bereits wieder verpufft. Eine vorzeitige Trennung von Thomas Tuchel wird immer wahrscheinlicher. Der neue Sportvorstand Max Eberl ist nun umso mehr gefragt. Zumal dem Rekordmeister die Abgänge von einigen Top-Stars wie Alphonso Davies, Joshua Kimmich, oder auch Jamal Musiala drohen. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Eklatante Unterschiede: Tuchel nach Bayern-Remis ratlos

Heilsbringer haben in diesen Zeiten nur eine ganz kurze Halbwertzeit.
Und insgeheim darf man froh sein, dass Jesus Christus seine Bergpredigt vor über 2000 Jahren gehalten hat - in Zeiten von Clickbaiting und Social-Media-Trending will man gar nicht wissen, wie schnell die Botschaft des Mannes aus Betlehem, der bekanntlich eine ganze "Fußballmannschaft" anführte, an Bedeutung verloren hätte.
Die Bayernpredigt des neuen Sportvorstands Max Eberl ist erst ein paar Tage alt, aber die immense Vorerwartung ist quasi instand verpufft. Wer geglaubt hatte, dass mit ihm sofort alles anders und damit besser würde, so glorreich wie in Satzung und Selbstverständnis eingeschrieben, darf sich getäuscht fühlen.
Das eher peinliche Unentschieden in Freiburg (2:2), seines ersten Pflichtspiels in Verantwortung, war bekanntlich "Harakiri", so der Noch-Trainer Thomas Tuchel, der Heilsbringer a. D. aus dem letzten Jahr. Es ist sogar noch schlimmer: Nach dem ersten Pflichtspiel von Eberl als Sportvorstand der Bayern heißt die einzig glaubwürdige Botschaft: Deutscher Meister wird nur Bayer 04 Leverkusen.

Tuchel wie im Kasperltheater

Natürlich ist das nicht Eberls Schuld, sondern neben einem Zeitgeist- vor allem ein Führungsdilemma des FC Bayern, das nun schon viel zu lange währt.
Wir erinnern uns: Im März 2023 wurde Julian Nagelsmann ohne Not und ziemlich panisch von einem überforderten Jung-CEO (Oliver Kahn) fristlos entlassen und viele fragten sich: Warum eigentlich?
Im Februar 2024 beendete ein ganz neuer Bayern-Vorstand (CEO Jan-Christian Dreesen) den Vertrag mit Thomas Tuchel erst zum Saisonende. Und wieder fragten sich die allermeisten: Warum eigentlich? Warum nicht sofort?
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Bayern-Trainer Tuchel: Entlassung hat "nichts verändert"

Auch das Freiburg-Spiel lieferte viele Indizien dafür, dass Tuchel das Saisonende als Bayern-Trainer gar nicht erleben wird. Oder noch genauer: erleben kann. Es ist dabei gar nicht mal so sehr der erneute sportliche Rückschlag, vielmehr muss man annehmen, dass die Mannschaft längst tut, was sie will und den Trainer hilf- und wirkungslos an der Seitenlinie zappeln lässt wie Kasperl im Puppentheater.
Oder wie soll man den Tuchel-Satz nach dem Freiburg-Spiel interpretieren, als er ratlos meinte, das sei doch alles ganz anders besprochen gewesen…?

Laufen den Bayern die Spieler davon?

Der FC Bayern hat sich in eine systemische Krise hineinmanövriert, die um vieles größer ist, als man sich selbst eingestehen will.
Die Inkubationszeit der angekündigten Demnächst-Trennung von Tuchel hat ein Vakuum entstehen lassen, durch das die Bayern nicht nur ein Jahr verlieren werden, sondern möglicherweise die Substanz ihres Kaders, der aktuell einen Marktwert von rund einer Milliarde Euro hat. Die Anzeichen dafür gibt es längst und sie sind alarmierend.
Das deutlichste Zeichen ist sicher, dass das eigene Welttalent Jamal Musiala, der noch vor einem Jahr blind und per Handschlag verlängert hätte, einen neuen, über 2026 hinauslaufenden Vertrag abgelehnt haben soll. Dass angeblich Liverpool und ManCity an ihm interessiert seien, ist sicher das eine.
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Jamal Musiala soll eine Vertragsverlängerung zunächst abgelehnt haben.

Fotocredit: Getty Images

Schlimmer dürfte wiegen, dass er bei den Bayern derzeit gar nicht weiß, ob auch der neue Trainer, wer immer es sein wird, in ihm die große, strahlende Zukunft des Vereins sieht?
Und das kann man weiter deklinieren: Alphonso Davies soll sich mit Real Madrid schon einig sein, so ist zu lesen, Juventus hat großes Interesse an Leon Goretzka, Joshua Kimmich hat unter Tuchel eh keinen Bock mehr und Leroy Sané, der außer mit Tuchel immer mal so seine Probleme hatte mit seinen Trainern, weiß genau, warum er gerade jetzt nicht verlängern will. Das Vakuum des FC Bayern kann nur ein neuer Übungsleiter mit Strahlkraft und Spielidee füllen - doch der ist nicht in Sicht!

Max Eberl muss jetzt liefern

Glaubt man den englischen Medien, wird es Xabi Alonso ganz sicher nicht, an dem ebenfalls Liverpool dran ist und einen Nachfolger auf Augenhöhe für den jesuanisch geliebten Klopp sucht.
Alonso wäre genau dieser Charismatiker, den auch die Bayern präsentieren müssten. Vor allem auch als Signal nach innen, an die eigene Mannschaft, die Achse der Leistungsträger und Stars: Seht, wir starten jetzt wirklich eine neue Ära und reden nicht nur davon!
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Bayerisches Trainer-Puzzle: Eberl will sich auf Suche nicht eingrenzen

Es ist also mitnichten so, wie Max Eberl bei seiner Antritts-PK vor vier Tagen noch glaubte, "sich in Ruhe Gedanken machen" zu können was den neuen Cheftrainer angeht.
Spätestens seit Freiburg ist klar: Eberl muss liefern und zwar schnell, sonst droht der Kader auseinander zu fallen. Und klar ist auch: Sollte er Alonso und Musiala an Liverpool verlieren, wäre er der nächste beschädigte Heilsbringer des FC Bayern.

Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als LIGAstheniker das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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Eklatante Unterschiede: Tuchel nach Bayern-Remis ratlos

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