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Triathlon-Star Anne Haug im Eurosport-Interview: "Alter ist eine Zahl und nichts weiter"

Tim Wehinger

Update 24/10/2023 um 16:55 GMT+2 Uhr

Triathletin Anne Haug war Ironman-Weltmeisterin 2019, holte zuletzt auf Hawaii WM-Silber und ist zudem Führende in der Weltrangliste der Professional Triathletes Organisation. Im Exklusiv-Interview mit Eurosport spricht die 40-Jährige über die unglückliche Aufsplittung der WM-Rennen von Frauen und Männern, ihre Motivation, weiter an sich zu arbeiten und die Aussichten für Olympia 2024 in Paris.

Haug exklusiv: "Weltranglistenerste bedeutet mir wahnsinnig viel"

Bei der Ironman-WM auf Hawaii waren die Frauen in diesem Jahr allein unterwegs. Die Männer haben ihren Weltmeister in Nizza ermittelt. Wie denken Sie nach der ersten getrennten Ironman-WM über die Aufsplittung?
Anne Haug: Der Fokus lag natürlich komplett auf uns. Aber die Insel war schon leerer, das muss man einfach sagen. Schon im Vorfeld war es komisch, weil sehr viele Frauen auf der Insel waren. Da hat schon was gefehlt. Normalerweise gibt es ein Kamera-Motorrad für die Männer und eins für die Frauen. Wenn wir aber unseren eigenen Renntag haben, wird das gesamte Renngeschehen natürlich auch komplexer dargestellt. Aber ich fände es besser, wenn wir die Rennen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen – ein Tag Frauen, ein Tag Männer – an einem Ort austragen würden. Es gehört einfach zu unserem Sport dazu, dass wir das zusammen machen – Männer, Frauen und auch die Altersklassenathleten. Das ist der Spirit unseres Sports. Der ist durch die Aufsplittung ein bisschen kaputt gegangen. Aber das eigene Rennen hat es nicht beeinflusst.
Sie waren Ironman-Weltmeisterin und sind auf Hawaii zuletzt wieder Vize-Weltmeisterin geworden. Dazu haben sie aber auch zweimal in Folge die PTO-Weltrangliste angeführt. Was bedeutet das für Sie?
Haug: Weltranglistenerste zu sein bedeutet mir schon recht viel, weil das nicht nur abbildet, dass man einmal im Jahr Leistung bringen kann, sondern weil es die gesamte Saison reflektiert. Da musst du das ganze Jahr über auf einem hohen Niveau sein – und das nicht nur auf der Ironman-Distanz, sondern auch auf der PTO-100km-Distanz. Du musst vielseitig sein und in den hochklassig besetzten Rennen immer vorne dabei. Mein Team hat da gute Arbeit geleistet. Denn um über mehrere Jahre konstant vorne dabei sein zu können, muss man es vor allem schaffen, seinen Körper gesund zu halten. Da habe ich tolle Leute an meiner Seite, die es trotz des wahnsinnig hohen Trainingsumfangs schaffen, mich an einem Stück zu halten. Das ist die Grundlage des Erfolgs.
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Anne Haug gewinnt den Ironman Hawaii 2019

Fotocredit: Getty Images

Die PTO erweitert das Rennprogramm für die kommende Saison. Die 100km-Distanz wird zur WM-Serie ausgebaut. Dazu stünde für Sie zum ersten Mal die Weltmeistzerschaft in Nizza an. Mit welchem Fokus planen Sie die Saison 2024?
Haug: Da noch gar nicht alle Termine feststehen, konnte ich noch keine richtige Planung machen. Zusätzlich wird es ja auch noch die Ironman-Serie geben. Im Moment ist es sehr spannend Triathlet zu sein, weil du einfach so viele Optionen hast. Die einzelnen Verbände konkurrieren um die Topathleten. Sich da zu entscheiden, wird schwierig sein. Wenn alle Termine raus sind, werde ich mich mit meinem Trainer hinsetzen und einen Plan für das nächste Jahr machen. Es wird auf jeden Fall spannend. Die PTO-Serie mit der kürzeren Distanz reizt mich schon. Das Kürzere und Schnellere ist einfach meine Leidenschaft und liegt mir auch ein bisschen besser als die Ironman-Distanz.
Sie haben die Ironman-Serie angesprochen. Welche Bedeutung kann die in Ihren Gedanken spielen?
Haug: Das ist als Konkurrenzprodukt natürlich clever gemacht. Da müssen sich die Athleten entscheiden. Wer den Athleten das bessere Angebot macht und die besseren Optionen bietet, der wird den großen Stich machen. Ich bin gespannt, welche Athleten sich für welche Serie entscheiden. Ich selbst muss mich auch noch entscheiden...
Alter ist eine Zahl und nichts weiter
Sie denken noch nicht an ein Karriereende. Wie lange glauben Sie, noch Höchstleistungen bringen zu können und die Kraft zu haben, sich dafür ein ganzes Jahr aufzuopfern?
Haug: Ich möchte mir da kein Limit setzen, weil ich denke, dass Limits ohnehin nur im Kopf existieren. Das Entscheidende ist die Motivation: Bin ich wirklich gewillt, meine Grenzen jedes Jahr noch weiter nach oben verschieben zu wollen? Da muss man sehr viel Willenskraft aufbringen. Solange ich Ziele habe und merke, die Leistung, die ich reinstecke, kann ich in Performance auf die Straße bringen, motiviert mich das natürlich. Ich mache das nicht, um um Platz 20 zu kämpfen. Aber ich habe immer noch Ziele und auch Baustellen, wo ich mich gerne verbessern würde. Ich würde mich gerne im Schwimmen verbessern, um in der PTO in der Radgruppe weiter vorne sein zu können. Das Schwimmen wird da immer wichtiger. Da bin ich richtig motiviert, nochmal anzugreifen. Solange die Leistungskurve nach oben geht und ich ganz vorne mitspielen kann, möchte ich das machen. Alter ist eine Zahl und nichts weiter. Da beschäftige ich mich auch gar nicht damit, wie alt ich bin.
Das haben Sie ja bereits oft genug bewiesen...
Haug: Und es ist ein Stück weit auch eine Extramotivation. Denn, wenn ich mal ein schlechtes Rennen mache, wird in die Kerbe gehauen ‚Die, die zu alt ist‘. Ich möchte eben beweisen, dass Alter kein Grund ist. Es geht darum, dich täglich zu motivieren, besser werden zu wollen. Das ist das einzig Entscheidende.
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Anne Haug

Fotocredit: Eurosport

Sie haben Baustellen angesprochen und ja auch den Schwimmtrainer gewechselt. Sie trainieren jetzt unter Bernd Berkhahn, der auch Florian Wellbrock trainiert. An was feilen Sie da?
Haug: Das entscheiden wir, wenn wir uns dann auch mal live gesehen haben. Dazu war noch keine Zeit. Aber ich freue mich sehr darauf, dass jemand direkt auf meine Technik schaut, dass ich vielleicht auch mal mit ins Trainingslager fahren kann. Er trainiert die besten Freiwasserschwimmer der Welt – wenn also jemand weiß, wie es geht, dann Bernd. Unsere Sportart entwickelt sich immer weiter. Da kannst du nie stehen bleiben. Du musst immer besser werden, weil du einfach im nächsten Jahr nicht mehr gut genug bist, wenn du dich nicht weiterentwickelst. Die Motivation ist groß, daran zu arbeiten. Meine Stärken kommen hintenraus. Wenn ich aber vorne schon ein bisschen mehr im Mix bin, ist das ganze Rennen natürlich einfacher. Da hoffe ich, die ein oder andere Minute rausholen zu können.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Ausblick auf ein anderes großes Triathlon-Highlight 2024 wagen – auf die Olympischen Spiele in Paris. Sie waren selbst in London und Rio dabei, hatten am Rio-Ergebnis (Platz 36) noch eine Weile zu knabbern. Wie denken Sie über Triathlon bei Olympia?
Haug: Die Olympischen Spiele sind der Traum eines jeden Sportlers. Da einmal dabei zu sein, ist wirklich ein Highlight in der Karriere. Das kann nichts anderes toppen. Mein Herz hängt auch an der olympischen Distanz. Ich bin ein riesiger Fan von Olympia.
Da wächst wirklich was Tolles heran
Sie trainieren in Saarbrücken am Olympiastützpunkt. Wie viel bekommen Sie da von den jungen Athlet:innen auf der olympischen Distanz so mit?
Haug: Sehr viel. Wir trainieren zusammen. Es ist schön zu sehen, was wir für junge Talente haben. Da wächst wirklich was Tolles heran.
Wenn Sie so nah dran sind, geben Sie uns einen Tipp: Was kann für Laura Lindemann, Lisa Tertsch, Nina Eim, Lasse Lührs und Tim Hellwig in Paris in Richtung Podium gehen?
Haug: Gerade die drei Mädels sind brutal stark. Denen ist allen ein Top-5-Ergebnis zuzutrauen. Laura ist noch immer jung, fährt aber schon zum dritten Mal zu den Olympischen Spielen. Obwohl sie noch unter 30 ist, ist sie die Erfahrenste – ihr traue ich alles zu, auch eine Medaille. Den anderen würde ich es von der Leistung her auch zutrauen. Aber Olympische Spiele sind anders. Da hilft es, wenn man schon einmal am Start war. Was Tim Hellwig in dieser Saison abgerissen hat, ist brutal. Er ist ein Mega-Talent und kann das nach seiner langen Verletzungshistorie endlich alles umsetzen. Dem traue ich auch alles zu.
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