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Hans-Joachim Stuck exklusiv im Interview: Carlos Sainz im Red Bull? Möglicher Titelkampf mit Max Verstappen
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Publiziert 25/03/2024 um 20:43 GMT+1 Uhr
Carlos Sainz hat mit seiner makellosen Darbietung beim Grand Prix von Australien die Gerüchteküche hinsichtlich seiner Zukunft in der Formel 1 ordentlich zum Brodeln gebracht. Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck könnte sich einen Wechsel zu Red Bull sehr gut vorstellen - mit der Nebenwirkung, dass Sainz seinem möglichen Teamkollegen Max Verstappen so manche schlaflose Nacht bereiten könnte.
Max Verstappen und Carlos Sainz
Fotocredit: Getty Images
Lediglich zwei Wochen nach seiner Blinddarm-OP stieg Carlos Sainz in Australien wieder in seinen Ferrari und führte die Scuderia prompt zum ersten Doppelsieg seit Bahrain 2022. Melbourne erstrahlte in Rot - doch der Triumph hatte einen faden Beigeschmack.
Der bevorstehende Abschied von Sainz bei Ferrari und die Verpflichtung von Rekordweltmeister Lewis Hamilton zur kommenden Saison waren nämlich wieder das heißeste Thema der Formel 1. Die Personalentscheidung des italienischen Rennstalls wurde knapp zwei Monate nach deren Romantisierung zum ersten Mal vehement hinterfragt.
"Ich habe mich sowieso immer gefragt, warum Ferrari einen Fahrer wie Carlos Sainz entlässt", erklärte Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview mit Eurosport.de. "Frederic Vasseur wird sich ärgern, dass er die Entscheidung getroffen hat."
Damit landet einer der kompaktesten Fahrer im Feld auf dem Markt, die Silly Season 2024 dürfte so spannend wie selten zuvor werden. Stuck träumt dabei von einem besonderen Coup, der Weltmeister Max Verstappen womöglich vor Probleme stellen könnte.
Düster sieht es indes rund um Sainz-Nachfolger Hamilton aus, der mit Mercedes ein sportliches Tal durchschreiten muss. Trotz des enttäuschenden Starts will Stuck aber nicht von einem Super-Tief sprechen. "Alle arbeiten am Limit - dann sind derartige Dinge nie ausgeschlossen", unterstrich der zweimalige Le-Mans-Sieger und betrieb Ursachenforschung.
Herr Stuck, Lewis Hamilton befindet sich in einem für ihn bis dato ungewöhnlichen Tief - ganz anders die Situation bei Carlos Sainz, der von Hamilton zum Jahresende ersetzt wird. Muss sich Ferrari jetzt hinsichtlich dieser Personalentscheidung hinterfragen?
Stuck: Ich habe mich sowieso immer gefragt, warum Ferrari einen Fahrer wie Carlos Sainz entlässt. Nach dem Rennen hat man gesehen, dass er von seiner Blinddarm-OP noch sehr gezeichnet war. Daher muss man seinen Sieg noch höher bewerten, weil er einen tollen Job gemacht hat. Und das war wieder einmal eine Bestätigung der Zweifel an seiner Entlassung. Frederic Vasseur wird sich ärgern, dass er die Entscheidung getroffen hat. Ich habe den Wechsel von Sainz auf Hamilton nie verstanden.
Sainz' Sieg in Melbourne ist ein goldenes Bewerbungsschreiben für ein Top-Cockpit im kommenden Jahr. Wo sehen wir den Spanier in der Saison 2025?
Stuck: Wenn ich Chef von Red Bull wäre, dann würde ich mit allen Mitteln nach einer fairen Lösung suchen, um den Vertrag mit Sergio Pérez aufzulösen. Da gibt es sicher Klauseln im Vertrag. Und danach würde ich Sainz das Cockpit anbieten. Momentan gibt es keinen Besseren.
Würde Sainz im Red Bull Max Verstappen gefährlich werden können?
Stuck: Erstens würde ich es mir wünschen, weil Konkurrenz das Geschäft belebt. Dann müsste Max noch mehr Gas geben, was er sicherlich kann. Zweitens bin ich mir sicher, dass Max schlechter schlafen würde, wenn er wüsste, dass Sainz sein neuer Teamkollege wird. Zudem kommt in jeder Karriere einmal der Tag, an dem man seinen Status verliert. Verstappen ist bei Red Bull die Nummer eins - irgendwann ist aber auch das vorbei. Entweder wird er zu alt oder ein neuer Teamkollege macht plötzlich Druck. Und dann geht es rund. Eine solche Situation kann zwei Dinge zur Folge haben: Verstappen wird noch schneller oder er zerbricht daran. Es könnte aber auch sein, dass Verstappen aufgrund seiner Rolle innerhalb des Teams ein Mitspracherecht hat, wer als sein Teamkollege engagiert wird. Dann könnte ich mir vorstellen, dass er mit Pérez zufrieden ist, weil er sich da keine Sorgen machen muss.
Bislang hat jedes Team, welches in Melbourne einen Doppelsieg gefeiert hat, am Ende auch beide WM-Titel eingefahren. Kommt es in dieser Saison zum Sturz von Red Bull? Zumindest im Vergleich mit Sergio Pérez machte Ferrari einen besonders starken Eindruck...
Stuck: Von einem möglichen Titel zu sprechen, ist noch deutlich zu früh. Die Saison ist noch lange. Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich zwar nicht viel verändert, aber wie heißt es so schön? To finish first you have to finish first.
Zum ersten Mal seit Aserbaidschan 2021 hat Mercedes bei einem Grand Prix keinen einzigen Punkt geholt. Doch im Gegensatz zu vor zwei Jahren befinden sich die Silberpfeile an einem ungewöhnlichen Tiefpunkt. Was läuft zurzeit schief?
Hans-Joachim Stuck: Ein Crash wie der von George Russell kann natürlich immer mal wieder vorkommen. Damit haben Team und Performance nichts zu tun. Zudem habe ich nicht den Eindruck, dass Mercedes in einem Super-Tief steckt. Die stehen am selben Punkt wie bereits in den vergangenen Jahren und sind letzten Endes einfach nicht zum Siegen fähig. Ein Motorschaden wie bei Lewis Hamilton sollte eigentlich nicht passieren, aber kann natürlich auch hin und wieder vorkommen. Alle arbeiten am Limit - dann sind derartige Dinge nie ausgeschlossen.
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George Russell zerlegte seinen Boliden beim Grand Prix von Australien
Fotocredit: Getty Images
Trotzdem sprechen lediglich 26 Punkte nach drei Rennen eine eindeutige Sprache...
Stuck: Mercedes ist einfach nicht auf dem Niveau von Red Bull und Ferrari. Und da muss man auch über Toto Wolff reden. Für ihn ist es wohl von Vorteil, dass er Mitbesitzer ist. Wenn es ein reines Mercedes-Team wäre, bin ich mir nicht sicher, ob er nicht schon ausgewechselt worden wäre - salopp gesagt, weil er nicht dafür verantwortlich ist. In der laufenden Saison mit dem ganzen Reisestress stellt sich jetzt die Frage, wie Mercedes den Rückstand aufholen will. Der Auftakt ist wie immer eine Standortbestimmung gewesen. Danach ändert sich aber bekanntlich nicht mehr viel. Mercedes hat daher ein großes Problem.
Wo könnte man aber bei den Silberpfeilen genau ansetzen? Immerhin steht das Team schon im zweiten Jahr in Folge nach wenigen Rennen da und spricht von einem falschen Fokus in der Entwicklung.
Stuck: Da gehört - banal gesagt - der Chef-Konstrukteur ausgewechselt. Den Ideengebern in der Entwicklung fehlen einfach die richtigen Ansätze. Ferrari ist im Vergleich dazu mit seinen Ingenieuren besser, weil die über ein ganz anderes Level verfügen. Das kann momentan nicht gut gehen.
Nach dem enttäuschenden Ergebnis in Melbourne wurde Toto Wolff gefragt, ob er denn noch der Richtige sei. Immerhin liegen wie bereits im vergangenen Jahr Ansprüche und Realität ziemlich weit auseinander. Wie schätzen Sie die Lage um Wolff ein?
Stuck: Toto Wolff selbst ist nicht für das Potenzial des Autos verantwortlich. Er war früher selbst Rennfahrer und weiß, worauf es in diesem Geschäft ankommt. Seine Aufgabe ist es, die nötigen Hebel und Stellschrauben zu finden und die richtigen Leute in der Entwicklung einzusetzen. Natürlich wird er Druck auf die Entwickler ausüben. Aber er muss sich auch fragen, ob dort die richtigen am Ruder sind. Das ist die Aufgabe des Teamchefs und unter diesen gehört Wolff für mich zu den Besten.
Gibt es also Licht am Ende des Tunnels?
Stuck: Das ist natürlich die Frage. Toto ist der Mann - und er muss das regeln. In der laufenden Saison wird das aber wie gesagt sehr schwierig.
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