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Hans-Joachim Stuck kritisiert FIA im Exklusiv-Interview scharf - Verstappen dominanter als Senna und Lauda

Christoph Niederkofler

Update 01/08/2023 um 13:22 GMT+2 Uhr

Die Vormachtstellung von Red Bull und Max Verstappen hat die Formel 1 zurzeit voll im Griff - ein Ende davon scheint zurzeit nicht absehbar zu sein. "Eine solche Dominanz hat es bislang noch nie gegeben", schwärmt Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview mit Eurosport. Darüber hinaus nimmt der ehemalige Formel-1-Pilot die FIA in die Pflicht - und hält sich dabei mit Kritik nicht zurück.

Max Verstappen hinter dem Safety Car beim Grand Prix von Belgien

Fotocredit: Getty Images

Zehn Siege in zwölf Rennen - acht davon in Folge - sprechen eine klare Sprache: Max Verstappen dominiert die Formel 1 nach Belieben, der Niederländer nähert sich seinem dritten WM-Titel wie mit Siebenmeilenstiefeln. Der 25-Jährige ist das Sinnbild einer beispiellosen Vormachtstellung, welche in der Geschichte der Königsklasse des Motorsports in einem solchen Ausmaß am ehesten von Rekordweltmeister Michael Schumacher verkörpert wurde.
Hans-Joachim Stuck zählt Verstappen bereits jetzt zu den "herausragendsten Fahrern, die die Formel 1 jemals hervorgebracht hat", wie er im exklusiven Interview mit Eurosport unterstreicht. "Selbst zu Zeiten eines Alain Prost, Ayrton Senna oder Niki Lauda war es nicht der Fall, dass ein Fahrer den Rest des Feldes so düpiert hat", zeigt er sich vom Doppelweltmeister begeistert.
Die Dominanz von Red Bull und seinem niederländischen Superstar ließ in den vergangenen Wochen immer wieder Forderungen nach einem Eingriff seitens der FIA hinsichtlich etwaiger Reglementänderungen zugunsten der Konkurrenz laut werden. Ein Umstand, den Stuck nicht nachvollziehen kann.
"Das halte ich für total unfair!", erklärt der 72-Jährige und nimmt den Weltverband anderweitig in die Pflicht. "Viel wichtiger wäre, dass sich die FIA mal selbst organisiert und solche Sperenzien wie das Pace Car im Regen und derartigen Schmarrn sein lässt."
Herr Stuck, Max Verstappen fährt der Konkurrenz nach Belieben um die Ohren, pulverisiert auf dem Weg zu seinem dritten Titel Bestmarke um Bestmarke. Teamkollege Sergio Pérez lässt er regelrecht alt aussehen. Wie kann man diesen Fahrer und seine Leistung überhaupt noch in Worte fassen?
Hans-Joachim Stuck: Das fällt einem schwer, weil er momentan einfach der beste Fahrer im Feld ist. Wer seinem Teamkollegen 21 Sekunden aufbrummt und dem Drittplatzierten - einem Ferrari - 30 Sekunden... Selbst zu Zeiten eines Alain Prost, Ayrton Senna oder Niki Lauda war es nicht der Fall, dass ein Fahrer den Rest des Feldes so düpiert hat. Mit Sicherheit zählt er zu den herausragendsten Fahrern, die die Formel 1 jemals hervorgebracht hat.
Wenn man seine Manöver sieht und die Konsequenz, mit der er sie ausführt - es ist einfach unglaublich, was er mit dem Auto macht. Ich bin mir sicher, dass er in der Lage ist, das Auto so hinzustellen, wie er es braucht, um seine Fähigkeiten umzusetzen. Hätte er einen Ingenieur, mit dem er sich nicht versteht, dann würde die Situation ganz anders aussehen. Die Gesamtkombination aus Verstappen und Red Bull... eine solche Dominanz hat es bislang noch nie gegeben.
Nach der silbernen Mercedes-Ära stecken wir nun mitten im zweiten Red-Bull-Zeitalter fest. Hat die Formel 1 ein grundlegendes Problem damit, über einen längeren Zeitraum spannend zu sein?
Stuck: Nein, das glaube ich nicht. Die Regularien sind in der Hinsicht sehr klar: Alle haben dieselben Möglichkeiten. Durch die Budget-Obergrenze wurde das noch weiter eingeschränkt. Inwiefern man das wirklich kontrollieren kann, sei mal dahingestellt. Am Ende ist es aber nun mal so, dass die Voraussetzungen überall die gleichen sind und jeder das Beste daraus machen muss. Im Moment macht das nur Red Bull. Ferrari hat zwar einen guten Speed, aber da passieren andernorts alle möglichen dummen Geschichten und Mercedes ist mittlerweile einfach nicht mehr auf dem Niveau von Red Bull. Das steht außer Frage.
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Sergio Pérez und Max Verstappen bejubeln den Red-Bull-Doppelsieg

Fotocredit: Getty Images

McLaren hat immerhin gezeigt, dass man innerhalb weniger Wochen den Rückstand zur Konkurrenz aufholen kann.
Stuck: Damit sprechen Sie das beste Beispiel an. Es gibt eben Teams wie McLaren, die - natürlich auch aufgrund des Talents ihrer beiden Fahrer - erkannt haben, wo sie hinmüssen und sich diesem Ziel nun extrem genähert haben. Ein großes Kompliment dafür! An der Stelle von Toto Wolff würde ich momentan nicht gut schlafen...
Trotz des Beispiels McLaren wurden in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Forderungen danach laut, dass die FIA in das Reglement hinsichtlich Tests, Entwicklung und Budgetobergrenze eingreifen muss, damit der Kampf um die Spitze wieder spannender wird. Wie stehen Sie dazu?
Stuck: Das halte ich für total unfair! Viel wichtiger wäre, dass sich die FIA mal selbst organisiert und solche Sperenzien wie das Pace Car im Regen und derartigen Schmarrn sein lässt. Da sitzen die besten Rennfahrer der Welt in den Autos und bei Regen wird ein solcher Zirkus veranstaltet. Dann müssen sie eben langsamer fahren, wenn es zu viel regnet. Ein Start hinter dem Pace Car... das ist doch Volksverarschung! Die Formel 1 bietet eine tolle Show, es herrscht ein riesiges Interesse. Nach Belgien habe ich aber auch von vielen Bekannten vor Ort gehört, dass sie sich verarscht gefühlt haben - und in der Hinsicht muss ich ihnen auch Recht geben.
Die Formel 1 sollte ein Vorreiter im Motorsport sein. Wir bauen Oldtimer um, die mit synthetischem Kraftstoff fahren... aber warum macht das die Formel 1 nicht? Was ist das für ein Verein? Das finde ich unmöglich!
Wo sollte die FIA Ihrer Meinung nach am dringendsten ansetzen?
Stuck: Beispielsweise könnten sie mal auf die Kosten achten. Eine weitere gute Idee wäre es, dass man in der Formel 1 wie bereits in der IndyCar-Serie eine einheitliche Aerodynamik einführt. Damit würde man viel Geld sparen und man hätte wohl mehr Autos, die gewinnen könnten. Das allerwichtigste wäre aber, dass man ab 2024 endlich mit synthetischem Kraftstoff fährt. Wo sind wir denn eigentlich, dass das noch nicht längst der Fall ist? Die Formel 1 sollte ein Vorreiter im Motorsport sein. Wir bauen Oldtimer um, die mit synthetischem Kraftstoff fahren... aber warum macht das die Formel 1 nicht? Was ist das für ein Verein? Das finde ich unmöglich!
Blicken wir auf die kommenden Wochen: Sommerpause bedeutet natürlich auch immer Silly Season. Der größte Coup wurde aber mit Ricciardos Wechsel bereits vor der vierwöchigen Auszeit getätigt. Wie bewerten Sie die Rückkehr des Australiers?
Stuck: Super! Das ist ein Mann, der aus meiner Sicht in die Formel 1 gehört. Er wird das beweisen, wenn er in einem guten Auto sitzt. Ich drücke ihm von ganzem Herzen die Daumen, dass er der Teamkollege von Max Verstappen wird, sollte Red Bull mit Sergio Pérez nicht mehr klarkommen. Das hat sich Ricciardo verdient.
Rechnen Sie damit, dass Ricciardo Pérez bereits 2024 ersetzen wird?
Stuck: Das ist schwierig abzusehen. Ich weiß nicht, was Helmut Marko plant und welche Abkommen Pérez und Red Bull untereinander haben. Da muss man einfach abwarten, das ist eine interne Geschichte. Jedenfalls bin ich glücklich darüber, dass Ricciardo wieder mit dabei ist. Das finde ich großartig.
Denkt man an die Silly Season und das Grid der kommenden Saison, ruft man sich natürlich auch den Namen Mick Schumacher in Erinnerung. Zuletzt wurde er mit Williams in Verbindung gebracht, er selbst behauptete, dass er "spätestens im nächsten Jahr" wieder in einem Auto sitzen würde. Wie schätzen Sie seine aktuelle Situation ein?
Stuck: In seinem aktuellen Job muss sich Schumacher einfach durchbeißen. Mit Sicherheit wird er zurzeit viel lernen, sowohl mit Tests als auch Simulatorarbeit. Aber wie er an ein Cockpit kommt, muss sich noch herausstellen. Wenn du dich nicht im Rennen zeigen und beweisen kannst, gerätst du leider schnell aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Daher würde ihm ein zweites Testjahr sicher nicht guttun. Es bleibt abzuwarten, was Toto Wolff mit ihm vorhat. Sicherlich ist es nicht einfach. Für mich gehört er in die Formel 1 - gar keine Frage. Er soll seine Fähigkeiten noch einmal unter Beweis stellen dürfen und zwar in einem Auto, das er verdient, und mit einem anständigen Teamchef. Nicht wie Günther Steiner, der nicht weiß, wie man Leute führt und weiterbringt. Unter diesen Umständen hätte Mick wohl eine gute Chance.
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Mick Schumacher

Fotocredit: Getty Images

Hülkenberg hat Schumacher zum Anfang dieser Saison bei Haas ersetzt. Wie darf man sein Comeback nach den ersten zwölf Rennen bewerten?
Stuck: Nico gehört für mich wie Ricciardo in die Formel 1. Man darf nicht vergessen, dass er in keinem Top-Auto sitzt. Ich finde aber super, was dort passiert. Seinen Teamkollegen Kevin Magnussen hat er im Griff - das ist ein guter Hinweis auf seine Qualitäten.
Haben Haas und Steiner also auf die richtige Karte gesetzt?
Stuck: So viele andere Möglichkeiten hätten sie auch nicht zur Verfügung gehabt (lacht). Es gibt sicherlich zwei Hände voll an Leuten, die einen Platz in der Formel 1 verdienen. Erstens sind aber keine Plätze für sie da und zweitens ist das auch eine Frage des Geldes und Sponsorings. Wille allein genügt da nicht.
Unter einem Jean Todt wären derartige Dinge nie passiert. Das muss man so deutlich sagen.
Eine mögliche Lösung wären neue Teams in der Formel 1...
Stuck: Und es würden sich auch neue Teams dafür bewerben. Aber wenn die FIA sich dann dem Willen jener Teams beugt, die gegen solche Neulinge sind, da frage ich mich: Haben die noch alle Tassen im Schrank? Dann fahren eben ab sofort 22 oder 24 Autos mit. Die Masse macht es doch auch cool und so hätten mehr Leute die Chance, sich zu beweisen. Unter einem Jean Todt wären derartige Dinge nie passiert. Das muss man so deutlich sagen.
Was meinen Sie genau damit?
Stuck: Als sich Andretti für einen Platz in der Formel 1 beworben hatte, kam aus einigen Teams ein Veto, weil sie die Einnahmen nicht teilen wollten. Geht’s eigentlich noch? Die FIA muss doch 'Hurra!' schreien, wenn ein neues Team an Bord kommen will, und auf die Meinung der anderen pfeifen. Wer ist da denn eigentlich der Chef?
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