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Formel 1

Sebastian Vettels Zukunft: (McLaren-)Mercedes oder nix!

Florian Bogner

Update 13/05/2020 um 08:55 GMT+2 Uhr

Sebastian Vettel und Ferrari wecken die Formel 1 mit der Verkündung ihrer Trennung zum Jahresende 2020 aus dem Dornröschenschlaf. Wie konnte es zwischen dem 32-Jährigen und der Scuderia so weit kommen, welche Optionen hat der viermalige Weltmeister jetzt, wen schnappt sich Ferrari als Nachfolger - und was hat Lewis Hamilton mit der ganzen Sache zu tun? Eine Einordnung in sechs Punkten.

Sebastian Vettel mit Lewis Hamilton

Fotocredit: Getty Images

"Um bestmögliche Resultate in diesem Sport zu erzielen, ist es überlebenswichtig, dass alle Parteien in perfekter Harmonie zusammenarbeiten. Das Team und ich haben gemerkt, dass es nicht mehr den gemeinsamen Wunsch gab, über das Ende dieser Saison zusammenzubleiben."
Ein Statement wie ein Paukenschlag, abgegeben von Sebastian Vettel am Dienstagmorgen in einer Pressemitteilung von Ferrari. Der Anlass: Die einvernehmliche Trennung zum Vertragsende 2020.
Nach dieser Saison wird Vettel, 32, also nicht mehr Ferrari-Pilot sein. Wie kam es dazu, was macht Vettel als nächstes und wie plant Ferrari? Eine Einordnung in sechs Punkten.

1. Warum trennen sich Ferrari und Vettel?

Mangelnde Perspektive für beide Seiten. Ferrari hat 2019 gemerkt, dass die Zukunft Charles Leclerc (22) gehört - und kürzlich bis 2024 verlängert. Zu stark verbesserten Bezügen, versteht sich.
In der WM-Wertung hatte der junge Monegasse Vettel bereits in seiner Premierensaison übertrumpft, wurde Vierter, der Deutsche mit 24 Punkten Rückstand auf den Teamkollegen nur Fünfter (240 zu 264). Schlechter war Vettel nur in seiner ersten vollen Saison 2008 bei Toro Rosso platziert gewesen (8.).
"Das war eine sehr schwere Zeit für Sebastian", ist sich Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck im Gespräch mit Eurosport.de sicher: "Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein jüngerer Teamkollegen einen bügelt."
Dass Ferrari vor dieser Saison offiziell Chancengleichheit zwischen beiden ausrief, gab Vettel bereits ein weiteres deutliches Signal. Unter diesen Voraussetzungen standen Vertragsverhandlungen unter keinem guten Stern - denn Vertrauen bekam der Deutsche zuletzt immer weniger zu spüren.
Ex-Formel-1-Guru Bernie Ecclestone meinte jedenfalls unlängst gegenüber "F1-Insider", Vettel sehe in Ferrari-Teamchef Mattia Binotto "nicht den Unterstützer, den er in seiner Situation braucht". Laut "Bild" habe die Ferrari-Seite dem viermaligen Weltmeister (2010 bis 2013 mit Red Bull) auch nie glaubhaft vermittelt, dass man an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert sei.
Einen Rollentausch - Leclerc als Nummer eins der Scuderia, Vettel als zwei - hätte indes der Heppenheimer nie akzeptiert. Dazu waren beide 2019 (Stichwort: Crash in Interlagos) zu oft aneinandergeraten. "Ich denke, in dem Ferrari-Umfeld hat sich Vettel zuletzt nicht mehr wirklich wohlgefühlt. Deswegen kann ich die Entscheidung absolut nachvollziehen", sagt Stuck.
Laut "Gazzetta dello Sport" habe es zwar ein Ein-Jahres-Angebot der Scuderia gegeben, dieses habe Vettel jedoch abgelehnt. "Aus meiner Sicht hat Sebastian bei Ferrari nie das vorgefunden, was er sich erhofft hat", sagt Stuck. Denn: "Bei Red Bull hatte er ein tolles Umfeld - bei Ferrari war er nur eine Nummer von vielen."

2. Warum jetzt?

Um Planungssicherheit zu haben. Ferrari kann sich in aller Ruhe nach einem Vettel-Nachfolger umsehen, Vettel Gedanken über seine Zukunft machen - ohne das ständig bohrende Fragen nerven. Vettel schien es zudem ein Bedürfnis zu sein, etwas klarzustellen: Dass es ihm nicht ums Geld geht.
Laut der "Gazzetta dello Sport", in Italien ein gewichtiger Meinungsbildner, habe Vettel das Ein-Jahres-Angebot der Scuderia nämlich abgelehnt, weil er damit weniger als 30 Millionen Euro pro Jahr verdient hätte. Angeblich sogar nur die Hälfte.
"Finanzielle Gründe haben bei dieser gemeinsamen Entscheidung keine Rolle gespielt", stellte Vettel nun aber am Dienstag fest: "So denke ich nicht, wenn es darum geht, bestimmte Entscheidungen zu treffen, und so wird es auch niemals sein."
Für Stuck war der richtige Zeitpunkt gekommen, reinen Tisch zu machen. "Er hat jetzt Zeit, sich zu sortieren. Er kann abwarten und in Ruhe planen, alle Möglichkeiten ausloten", sagt der 69-Jährige.

3. Welche Optionen hat Vettel?

Nicht gerade viele - wenn er in der Formel 1 weiter um den WM-Titel fahren will. Ex-Team Red Bull hat sich auf Max Verstappen festgelegt, zwei Superstars kann oder will sich der Rennstall, sagte Motorsport-Chef Helmut Marko erst kürzlich, "aus ganz simplen monetären Gründen" nicht leisten.
Bei Renault wären die Mittel wohl da, doch ein Siegerauto bauen die Franzosen seit Jahren nicht. Italienischen Medienberichten zufolge soll es zwar bereits ein Renault-Angebot an Vettel gegeben haben, Daniel Ricciardo steht dort angeblich schon wieder zur Disposition. Das Team selbst scheint jedoch lieber auf junge Talente als auf alternde Ex-Weltmeister setzten zu wollen.
Bleibt Mercedes. Teamchef Toto Wolff, der sich mit Vettel gut versteht, sogar zu dessen 30. Geburtstag eingeladen war, spitzte am Dienstag bereits die Ohren. "Sebastian ist ein großartiger Fahrer, eine große Persönlichkeit und für jedes Formel-1-Team eine Bereicherung", sagte er der "dpa": "Mit Blick auf die Zukunft sind wir in erster Linie gegenüber unseren aktuellen Mercedes-Fahrern zu Loyalität verpflichtet, aber wir können diese Entwicklung natürlich nicht außer Acht lassen."
Bei Mercedes laufen die Verträge mit dem sechsmaligen Weltmeister und Titelverteidiger Lewis Hamilton (35) und Valtteri Bottas (30) ebenfalls zum Jahresende aus. Doch beim Vorzeigerennstall weiß man nicht aktuell noch gar nicht, "ob sie 2021 als Werksteam in der Formel 1 weiter machen", gibt Stuck zu bedenken.
Die Lösung könnte also McLaren(-Mercedes) lauten. Denn der Rennstall aus Woking hat für die Zukunft wieder ehrgeizige Ziele. Ab 2021 wird McLaren außerdem wieder, wie schon von 1995 bis 2014, mit Mercedes-Motoren beliefert.
Zudem kennen und schätzen sich Vettel und Teamchef Andreas Seidl seit gemeinsamen Tagen bei BMW-Sauber. Vettel hatte 2007 in den USA für BMW sein Formel-1-Debüt gegeben.
Und anders als Mercedes wollte sich McLaren am Dienstag zu Spekulationen über eine mögliche Vettel-Verpflichtung nicht äußern. Ein versteckter Hinweis?!
Laut Stuck ist Vettel jedenfalls noch nicht am Ende: "Dass er es nicht verlernt hat, hat er 2019 bewiesen, als er sich trotz der Konkurrenz von Leclerc hochgezogen, motiviert und Stärke gezeigt hat. Ich traue ihm einen weiteren WM-Titel ohne weiteres zu."
Weil 2020 viele Fahrer-Verträge auslaufen, hat Vettel als jetzt offiziell freier Pilot auch Trümpfe in der Hand. "Wenn er nochmal etwas machen will, dann muss er es jetzt machen", sagte Ralf Schumacher bei "Sky".

4. Trägt sich Vettel mit Gedanken ans Karriereende?

Definitiv. "Man muss mit allem rechnen", sagt Stuck: "Wenn er kein Team mit Siegchancen findet, wird er sicher die gescheite Entscheidung treffen und aufhören. Ein Vettel muss schon in einem Siegerauto sitzen. Abkanzeln lassen braucht er sich auch nicht."
Vettel selbst gibt im Ferrari-Statement zumindest deutliche Hinweise darauf, sich auch mit Abschiedsgedanken zu tragen.
"Was in den letzten Monaten passiert ist, hat viele von uns dazu gebracht, über unsere wirklichen Prioritäten im Leben nachzudenken", ließ er verlauten: Man müsse "seine Vorstellungskraft einsetzen und einen neuen Ansatz für eine Situation wählen, die sich geändert hat". Er selbst werde sich "die Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was für meine Zukunft wirklich wichtig ist".
Hört Vettel auf, könnte die Formel 1 2021 erstmals seit 1990 wieder ohne deutschen Fahrer dastehen.
Formel-1-Experte Martin Brundle gibt allerdings nicht allzu viel auf Vettels Worte. "Vettel ist auf jeden Fall mit mindestens einem anderen Team in Verhandlung", twitterte er am Dienstagmorgen, "es kann sich also nicht um einen Rücktritt handeln."

5. Was macht Ferrari?

Für die Vettel-Nachfolge gibt es bereits zwei konkrete Kandidaten: Carlos Sainz - oder Lewis Hamilton.
"Das kann ich mir durchaus vorstellen", sagt Stuck über einen möglichen Cockpit-Tausch zwischen Vettel und Hamilton, so denn Mercedes weitermacht: "Das wäre eine gute Nummer für Sebastian, dann wäre er im richtigen Team. Das wäre für ihn der absolute Joker."
Skeptisch ist der 69-Jährige allerdings bei der Frage, "ob Hamilton, der ungekrönte König von Mercedes, wirklich zu Ferrari gehen würde. Dort müsste er nochmal ganz anders seinen Mann stehen."
Nicht außer Acht zu lassen: Hamilton schielt mit sechs WM-Titeln nach Rekordhalter Michael Schumacher (7). Viele Jahre zum Gleichziehen oder gar Überholen bleiben dem 35-Jährigen jedoch nicht mehr. An Motivationsprobleme bei Mercedes glaubt Stuck auch nicht: "Lewis ist einfach ein Renntier." Andererseits könnte Hamilton 2020 mit Mercedes seinen siebten Titel holen - und dann seinen achten mit Ferrari anpeilen. Das wäre der ultimative Beweis, zu den Besten aller Zeiten zu gehören. Wenn nicht sogar der Beste zu sein.
Dafür spricht, dass Hamilton bereits mehrfach seine Bewunderung für die Scuderia durchblicken ließ und sich zudem Ende 2019 zweimal mit Ferrari-Vorstandschef John Elkann getroffen haben soll. Piero Ferrari, Shareholder (zehn Prozent) und Sohn des legendären Enzo Ferrari, heißt es in Italien, soll ein Hamilton-Fan sein. Zudem sagte Scuderia-Teamchef Binotto 2019 in Abu Dhabi außergewöhnlich offen, dass Hamilton "ein außergewöhnlicher, großartiger Fahrer" sei, und es ihn "glücklich" mache, zu wissen, dass Hamilton für 2021 auf dem Markt ist.
Ob der 35-Jährige jedoch für einige wenige Jahre bei Ferrari eine lukrative Zukunft als Mercedes-Markenbotschafter aufs Spiel setzt, darf bezweifelt werden. "Wo Lewis hingeht, will er die absolute Nummer eins sein und Mitspracherecht haben - aber das wird er aktuell bei Ferrari nicht bekommen", gibt Ralf Schumacher außerdem bei "Sky" zu bedenken.
Bleibt McLaren-Pilot Sainz - der deutlich günstiger zu haben ist und bereits konkretere Gespräche mit Ferrari geführt haben soll. Unklar ist noch, ob McLaren die Option hat, den Sohn der Rallye-Legende Carlos Sainz senior nach Vertragsende 2020 noch für ein weiteres Jahre zu binden. Sollte Vettel jedoch im Gegensatz zu McLaren gehen (wollen), wäre das wohl kein Hindernis mehr ...

6. Was kann man für die Saison 2020 erwarten?

Definitiv jede Menge Spannung - wenn sie denn stattfindet. Das Ferrari-Duell zwischen Leclerc und Vettel dürfte schon ganz allein großen Unterhaltungswert bieten, dazu will es der Deutsche jetzt natürlich nochmal allen zeigen.
"Mein unmittelbares Ziel ist es, meine lange Zeit bei Ferrari hoffentlich mit einigen schönen Momenten zu beenden", sagte er am Dienstag. Mit einem weiteren Grand-Prix-Sieg, seinem dann 15. für Ferrari, würde er zudem mit Niki Lauda gleichziehen - dann hätte nur Michael Schumacher mehr für die Scuderia geholt (72).
Zudem hat mit der Vettel-Verkündung die sogenannte "silly season", der Poker um Fahrer und die Cockpits für 2021, gleich mal so richtig Fahrt aufgenommen.
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