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Der LIGAstheniker zum Aufstieg des FC Schalke 04: Die Rückkehr des Charisma oder des Irrsinns?

Thilo Komma-Pöllath

Update 09/05/2022 um 12:15 GMT+2 Uhr

Der FC Schalke 04 ist zurück im deutschen Oberhaus. Unter Interimstrainer Mike Büskens gelang seit März eine beeindruckende Aufholjagd von Platz sechs zurück in die Bundesliga. Noch mitten im Aufstiegsrausch mahnte Büskens, den neuen Schalker Weg der "Demut" beizubehalten. Der LIGAstheniker bezweifelt jedoch, dass dies so bleibt. Er sieht schon wieder Anzeichen für das "alte" Schalke.

Nach dem feststehenden Aufstieg gab es am Samstag auf Schalke kein Halten mehr

Fotocredit: Getty Images

Der FC Schalke 04 ist wieder erste Liga. Nach nur einem Jahr Zwangspause gelingt der direkte Wiederaufstieg und ganz Fußballdeutschland hat erhöhten Puls. Als hätte ein Defibrillator der zusehends in Langeweile erstickten Bundesliga neues Leben eingehaucht.
Die übertragenden TV-Sender verzeichneten beim Aufstiegsspiel gegen St. Pauli Rekordquoten, heißt: Die Quoten waren besser als bei den Bayern.
Die Kritiker überschäumend (selbst für die linke "Taz" ist Schalke plötzlich eine "Herzensgeschichte"), die Pyrotechnik auch (die Polizei zählte 144 Zündungen), die Fans sowieso: Am Ende stürmten über 2000 das Spielfeld, mehr als ein Dutzend musste danach wegen Verletzung ärztlich versorgt werden, es gab 20 Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Beleidigung und Diebstahl – wärs eine Coronademo gewesen, hätte man sie umgehend aufgelöst, aber ehe es im Revier zu einem Spielabbruch kommt, müssen noch ganz andere Dinge passieren.
Schalke machte den Aufstieg klar, seitdem liegt eine ganze Region im Taumel und die Liga freut und fragt sich: Kehrt nun endlich das Charisma ins Oberhaus zurück oder geht der Schalke-Irrsinn der vergangenen Jahre ungebremst in eine neue Runde? Die Frage wird sich erst noch beantworten müssen.

FC Schalke 04: Büskens macht nicht als Frontmann weiter

Der Vater des Aufstieges und derjenige, der in Zukunft wieder nur den Assistent geben soll, Interimscoach Mike Büskens, formulierte die Aufgabe seines Klub nach durchzechter und ungeschlafener Nacht ganz nüchtern: Man habe den "Reset-Knopf" gedrückt, man sei nicht mehr das Schalke, das von der Champions League träume, man habe zuletzt "berechtigter Weise geblutet", der Aufstieg sei nur gelungen, weil man "demütig" gewesen sein, den Weg der kleinen Schritte gelte es jetzt fortzusetzen.
Irgendwo habe ich am Wochenende gelesen, Büskens sei schon jetzt die größte lebende Klubikone auf Schalke. Ein Knappe, der im Rausch den Kopf oben behält, ist im Revier tatsächlich so selten, dass man Büskens entweder sofort ins Museum stellen sollte oder mit reichlich Verantwortung beglücken. Beides wird nicht passieren.
Büskens geht, offenbar auf eigenen Wunsch, zurück ins zweite Glied, er will wieder Co-Trainer sein. So sei es besprochen, war am Wochenende zu vernehmen. Das muss einen mindestens wundern, jetzt, da man endlich einen gefunden hat, der die DNA des Klubs verkörpert und sportlichen Erfolg hat, das hat es so in den vergangenen fünf Jahren nicht gegeben.

Es gibt schon wieder Anzeichen für das "alte" Schalke

Ob Schalke in Person von Sport-Vorstand Peter Knäbel je versucht hat "Buyo", so das vereinseigene Legenden-Akronym Büskens‘, zu überreden, seinen Weg der Demut und der Konsolidierung als Cheftrainer auch in der ersten Liga fortzusetzen, wurde am Wochenende nicht überliefert. Hat man das versäumt, ist es ein großer Fehler, der sich noch rächen könnte.
Das Wording von Sportdirektor Rouven Schröder jedenfalls, wonach der neue Cheftrainer ein Großer sein müsse, einer, der richtig gut sei, damit es langfristig klappe, klingt schon wieder verdächtig nach dem alten Schalke 04.

Schalke: Die Sache mit Dimitros Grammozis

Langfristig, das hieß auf Schalke zuletzt acht Trainer in fünf Jahren. Der letzte vor Büskens hieß Dimitrios Grammozis, dessen Vertrag sich mit dem Aufstieg mittels einer Klausel automatisch verlängert haben soll, inklusive einer deftigen Gehaltserhöhung von 600.000 auf 1,8 Mio. Euro, berichtet "Transfermarkt.de".
Rouven Schröder konnte daran nichts Verwerfliches erkennen, schließlich sei auch Grammozis für den Aufstiegserfolg mitverantwortlich.
Als Grammozis im März gehen musste, standen die Knappen auf Platz sechs der Tabelle, erst Büskens brachte die sportliche Wende bis hin zum Aufstieg. Hätten Schröder und Knäbel den Ex-Trainer nicht nur freigestellt, sondern fristlos entlassen, müsste man jetzt nicht einem Trainer, den man nicht brauchen kann, fast zwei Millionen bezahlen. Ganz so demütig ist Schalke offensichtlich dann doch noch nicht. Strukturen lassen sich eben nicht so schnell ändern wie warme Worte im Rausch des Erfolges.
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Dimitrios Grammozis wurde im März beim FC Schalke 04 freigestellt, aber nicht entlassen. Durch den Aufstieg hat sich sein Vertrag nun automatisch verlängert

Fotocredit: Getty Images

Schalke: Fans träumen direkt wieder von der Champions League

Dennoch, es ist ja nicht so, dass sich nichts geändert hätte - wenn auch nicht ganz freiwillig. Die toxischen Verbindungen zum Hauptsponsor, dem russischen Staatskonzern Gazprom und Putin-Spezl Clemens Tönnies sind passé, ob sich allerdings wirklich eine neue unternehmerische Kultur findet, wird man schon in der Zusammensetzung des Kaders für die neue Erstligasaison sehen können, ob Simon Terodde und Co., also diejenigen, die den Aufstieg eingespielt haben ihn auch bestätigen werden dürfen.
Oder ob sofort wieder die Schalke übliche Hybris greift, dass der Klassenerhalt allein gar keine Zielvorgabe für den großen FC Schalke 04 sein kann, weil das gilt, was ein Schalke-Fan in der sonntäglichen Tagesschau ins Mikrofon brüllte: "Das weiß doch jeder: Schalke gehört in die Champions League".
Zur Person Thilo Komma-Pöllath:
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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