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Der LIGAstheniker: Schalker Rasenautismus - Wieder eine verlorene Saison

Thilo Komma-Pöllath

Update 15/05/2017 um 11:21 GMT+2 Uhr

Strukturprobleme, Agendalosigkeit und fehlende fußballerische Idee - der FC Schalke 04 bringt in zwei Wochen eine verlorene Spielzeit hinter sich. Schon wieder! Die Gefahr ist realistisch, dass die Mannschaft auseinanderbricht. Eurosport-Blogger Thilo Komma-Pöllath sieht den Riesenklub mit dauerhaften Champions-League-Selbstverständnis in einer grundlegenden institutionellen Krise.

FC Schalke 04

Fotocredit: Getty Images

Die Zeitschrift "Reviersport" ist so etwas wie die Fußballstimme des Westens. Die Geschichten über die großen Klubs wie Dortmund oder Schalke sind die DNA des Heftes und ihr wichtigster Verkaufsgrund. Auch deshalb ist das Blatt mehr Fanpostille als Kritikerforum, wie so oft im Fußball. Und was macht "Reviersport" nach der denkwürdig unwürdigen Darbietung in Freiburg, schon allein deshalb eines der ganz wichtigen "Matchballspiele" (Leon Goretzka) in dieser Saison, weil es die wohl letzte Chance der Schalker war, doch noch ins europäische Geschäft zu rutschen? Macht sich einfach lustig über diese blutleere Arbeitseinstellung, die jedem Fußballfan sauer aufstoßen müsste, nur die Schalker Fans haben offensichtlich schon genauso resigniert wie die Mannschaft selbst.
Die meisten Spieler des FC Schalke 04 hatten sich vor der Bundesliga-Partie beim SC Freiburg für kurzärmelige Trikots entschieden. Das ergab durchaus Sinn, denn so kamen sie gar nicht erst in die Verlegenheit, die Ärmel hochkrempeln zu müssen.
Schreibt "Reviersport". Sie kennen ja den Kalenderspruch von Schaden und Spott.

Schalke, das Liga-Mysterium

Schalke also. Immer wieder Schalke. Unfassbar, untrainierbar. Das große Mysterium der Liga. Geld zum Abwinken, ein sauteurer Kader, ein hochgelobter Trainer, ein pfiffiger Manager und am Ende bleibt nur Ratlosigkeit ob der eigenen Situation. Wenn es einen manisch-depressiven Fußballverein gibt, dann sind es die Schalker. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, meist jedoch zu Tode betrübt. Die Europa-League-Krimis gegen Gladbach und Amsterdam waren da noch die Höhepunkte dieser Saison, allein deshalb, weil man das Gefühl hatte, da ist doch noch was da, auch Herz und Leidenschaft.
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Florian Niederlechner (SC Freiburg) trifft gegen den FC Schalke 04

Fotocredit: Getty Images

Nur wo versteckt sich das Herz dieser Mannschaft, wenn man es am nötigsten braucht? Ein Rätsel. Immer wieder dieser wankelmütige Rasenautismus in der Liga, bezeichnend diese drei Wochen Anfang April: 0:3 gegen Bremen, 4:1 gegen Wolfsburg, 1:2 gegen Darmstadt. Passend dazu die Noten, die "Reviersport" gegen Freiburg verteilte: Kein einziger Feldspieler war besser als 5. Und das im Finale um die Euro-League. Platz 10, zwei Spieltage vor Schluss. Was ist nur los auf Schalke?

Wo ist die Schalke-Agenda?

Die für die Schalker grausame Ironie dabei ist, dass jetzt der unterfinanzierte SC Freiburg schon wieder in Europa auflaufen darf, obwohl der dafür eigentlich gar nicht ausgestattet und geeignet ist. Aber was heißt das schon, geeignet? Die Schalker wären dafür ausgestattet, zumindest finanziell, wenn nur nicht der ganze Rest im Laufe einer Spielzeit immer abhandenkäme, ganz egal, wer gerade das Trainer- oder Sportdirektorenamt innehat. Konstanz, Charakterstärke, Teamhierarchie und Spielanlage - es sind die immer gleichen Baustellen, die Jahr für Jahr zum Problem werden.
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Benedikt Höwedes (FC Schalke 04)

Fotocredit: Imago

Eine Schalke-Agenda 2020, was man sportlich sein will, wo der Verein hin will, gibt es nicht. Nominell Champions League, faktisch Mittelmaß. Genauso wenig gibt es eine fußballerische Idee. Ein Strukturproblem, das haben auch schon andere erkannt. Die Frage ist: Warum gelingt es Weinzierl und Heidel nicht, den Verein auf links zu drehen? Dafür wurden sie doch geholt! Wie gelähmt wirken Verein und Mannschaft gerade dann, wenn es um was geht – wie gegen Freiburg. Höwedes und Badstuber nicht bei der Sache, Caliguri oder Goretzka nicht gesehen, Stambouli und Konoplyanka eine Frechheit. In der 65. Minuten hatte Schalke die erste klare Torchance, wie peinlich ist das denn?

Bricht die Mannschaft auseinander?

Schalke, und das kann man jetzt schon sagen, bringt in zwei Wochen eine verlorene Spielzeit hinter sich. Schon wieder. Die Ursachen der sportlichen Mittelmäßigkeit, die jetzt bilanziert gehören, liegen im Dickicht. Zumindest verströmen auch Weinzierl und Heidel nicht nur eine gewisse Hilflosigkeit, sondern eine ganz konkrete. Und nicht viel deutet darauf hin, dass es im nächsten Jahr besser laufen wird. Warum auch? Jetzt, da Europa verspielt ist, dringend benötigtes Geld und Renommee auf der Strecke bleibt, ist die Gefahr, dass die Mannschaft auseinanderbricht, realistisch. Die einen wie Meyer und Goretzka wollen sich international profilieren, bei den anderen wie Huntelaar oder Kolasinac oder Choupo-Moting laufen die Verträge aus.
Man will Weinzierl gerne wünschen, dass er den Schalter für den Schalke-Modus noch rechtzeitig findet, bevor auch er in die manische Vereinshistorie verdammt wird. Allmählich läuft im die Zeit davon, nur der Trainer, der auf Schalke alles richten kann, der muss wohl erst noch geboren werden. Dass ausgerechnet die Fans auf Schalke ihre Fassungslosigkeit noch so ruhig, ja resignativ vor sich hertragen, das ist wirklich neu. Das ist nun wirklich das schlimmste Zeichen der institutionellen Krise dieses Riesenklubs.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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