Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Taktik-Check: Carlo Ancelotti und das Thomas-Müller-Dilemma beim FC Bayern München

Luca Baier

Update 22/09/2017 um 15:14 GMT+2 Uhr

Spielt er oder spielt er nicht? Die Personalie Thomas Müller ist unter Carlo Ancelotti ein heikles Thema. Immer wieder setzt der Italiener den Publikumsliebling auf die Bank - zu Recht? Vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg (20:30 Uhr live im Eurosport Player und im Liveticker) analysiert eurosport.de, warum Müller so wertvoll für die Bayern und warum Ancelotti trotzdem so oft auf ihn verzichtet.

Carlo Ancelotti und Thomas Müller

Fotocredit: Getty Images

"Thomas Müller spielt immer". Was unter Louis van Gaal Gesetz war, hatte unter Pep Guardiola nicht mehr unbedingt Bestand. Unter Carlo Ancelotti schon gar nicht – Müller findet sich öfter als ihm lieb ist auf der Bank wieder. Viele Fans - und immer wieder auch Mitspieler – fordern mehr Einsatzzeiten für den umtriebigen Offensivallrounder.
Aus taktischer Sicht gibt es klare Argumente für einen Einsatz dieses außergewöhnlichen Spielers, gleichzeitig ist aber auch Ancelottis häufiger Verzicht auf Müller nachvollziehbar:

PRO: Der "Raumdeuter" bringt immer Schwung

Nach dem vergangenen Spiel gegen Mainz hielt Arjen Robben ein flammendes Plädoyer für Müller:
Das war vielleicht auch der Schlüssel. Mit ihm haben wir noch mehr Bewegung, er ist wie ein zweiter Stürmer, er geht in die Lücke, in die Tiefe, er öffnet Raum für andere. Ich spiele immer sehr gerne mit Thomas zusammen. Man muss immer aufpassen, was man sagt, wir haben viel Qualität und es hat auch nichts mit den anderen zu tun, aber wenn er auf dem Platz steht, dann spiele ich - naja - irgendwie besser.
Gerade die dribbelstarken Flügelstürmer profitieren von Müller. Mit seinen Laufwegen in die Tiefe bindet er die gegnerische Abwehrkette. Die Folge: Die Verteidiger können nicht einfach herausrücken, um beispielsweise den Linksverteidiger gegen Robben zu unterstützen.
picture

Arjen Robben und Thomas Müller vom FC Bayern München

Fotocredit: Getty Images

Müllers Timing bei diesen Läufen sucht auch international seinesgleichen. So passt er immer wieder das Tempo an, beobachtet seine Mitspieler und die Gegner und trifft blitzschnell gute Entscheidungen. Teilweise sieht man ihn sogar einen Block stellen wie es sonst im Basketball üblich ist.
Diese unkonventionelle Spielweise ist selten auffällig, da vor allem die anderen Spieler um ihn herum profitieren, dennoch hilft es enorm beim Ausspielen von tiefstehenden Gegnern.

CONTRA: Ancelotti-Fußball braucht andere Spielertypen

Thomas Müller ist kein herausragender Individualist im klassischen Sinne. Er ist kein begabter Dribbler, kein Sprinter, kein Distanzschütze und auch kein Spieler für den tödlichen Pass. Auch seine Flanken sind nicht auf Topniveau. In Pep Guardiolas Positionsspiel waren Müllers taktische Fähigkeiten wie das Binden von Gegenspielern und das Öffnen von Räumen sehr wichtig, unter Ancelotti sieht das anders aus: Hier liegt der Fokus auf defensiver Stabilität und einem ruhigen Ballbesitzspiel.
Im vorderen Drittel soll der Gegner über die individuelle Klasse bezwungen werden. Konkret heißt das, dass die Flügelstürmer durch Dribblings für Überzahlsituationen sorgen sollen. Auch auf der Zehnerposition sind Müllers Fähigkeiten unter Ancelotti nicht erste Wahl: Statt eines "Schattenstürmers", wie van Gaal diese Rolle damals nannte, will Ancelotti lieber einen Spielmachertyp hinter den drei Spitzen haben. Spieler wie Thiago oder James Rodriguez sind mit ihren tödlichen Pässen dementsprechend besser geeignete Kandidaten.
picture

James Rodríguez - FC Bayern München

Fotocredit: Imago

Eurosport-Check: Jeder Trainer hat seine eigene Spielidee und damit einhergehend auch eine Vorstellung von bestimmten Spielertypen auf den verschiedenen Positionen. Nur weil Thomas Müller ein einzigartiges Fähigkeitenprofil besitzt, das in vielen Bereichen herausragend ist, muss er jedoch nicht automatisch gesetzt sein. In Ancelottis Spielphilosophie sind Müllers Qualitäten eben nicht so wichtig wie sie es unter Guardiola oder van Gaal waren.
Dass Müller Spiele mitentscheiden kann und seine Mitspieler ein Stück weit besser macht, steht außer Frage. Ancelotti weiß um diese Fähigkeiten und wird sie weiterhin in das Bayernspiel einfließen lassen. Gerade gegen schwächere Gegner wird Müller viele Einsätze als „Freigeist“ bekommen. In den absoluten Topspielen dürfte Ancelotti jedoch weiterhin seinen taktischen Vorlieben vertrauen – Müller bleibt da wohl nur die Jokerrolle.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung