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Der LIGAstheniker | Ist der FC Bayern München noch eine echte Spitzenmannschaft?

Thilo Komma-Pöllath

Update 04/02/2019 um 14:22 GMT+1 Uhr

Der LIGAstheniker stellt in seinem neuen Blog die Position des FC Bayern München als echte Spitzenmannschaft infrage. Die bittere Niederlage in Leverkusen, schlechte Laune bei den Stars und eine klaffende Kluft zwischen den Jungen und Arrivierten lassen daran aktuell erhebliche Zweifel aufkommen. Eine Bestandsaufnahme des Rekordmeisters vor den Wochen der Wahrheit.

Leon Goretzka und Mats Hummels

Fotocredit: Imago

Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath
Über das Wochenende habe ich in den einschlägigen Analysen zum Säbenerstraßenfußball einen interessanten Satz gefunden. Der lautete so: An guten Tagen ist der FC Bayern immer noch eine herausragende Spitzenmannschaft. Man achte auf die subtile Betonung: An guten Tagen...
Das ist, mit Verlaub, natürlich Gotteslästerung am Rekordmeister, denn das, was die Fachexperten sagen wollten: der FC Bayern München, Jahrgang 18/19 hat viel zu wenige gute Tage, um dem BVB in der Meisterschaft noch ernsthaft gefährlich werden zu können. Geschweige denn, um sein Format international nachhaltig unter Beweis stellen zu können.
Das Spiel und die Niederlage in Leverkusen mag dafür als aktueller Beweis gelten. Es war Niederlage Nummer 4 im laufenden Betrieb gegen eine gute, aber eben keine internationale Spitzenmannschaft. Und der Beweis, wie verunsichert dieser FC Bayern momentan daherkommt. Dass der Umbruch nicht rechtzeitig vollzogen wurde, ist hinlänglich beschrieben. Ebenso, dass der Kader zu klein und unausgegoren bestückt ist. Es wird höchste Zeit, dass der FC Bayern seine Ansprüche den Realitäten anpasst. Und die Realität heißt: Immer öfter ist er keine Spitzenmannschaft mehr.

Wie Frischlinge bei der Dorffeuerwehr

Das Spiel gegen Leverkusen bot dafür reichlich Anschauung. Selten hat man die großen Bayern einem Ligakontrahenten derart hektisch hinterherrennen sehen. Der FC Bayern, der in der Guardiola-Prägung zeitweise Ballbesitzwerte von 70 bis 80 Prozent aufwies, muss wieder schmerzlich lernen, wenn man dem Ballgeschehen hilflos ausgeliefert ist. In Leverkusen lag der Wert bei 52 Prozent.
Niko Kovac sprach von der fehlenden "Kompaktheit in der Defensive", tatsächlich wirken Mats Hummels, Niklas Süle & Co. wie aufgeschreckte Frischlinge bei der Freiwilligen Dorffeuerwehr, wenn ein Klub wie Leverkusen mit schnellen, offensiven Außen wie Karim Bellarabi und Leon Bailey die Initiative sucht und angelaufen kommt. Da stimmt weder Schnelligkeit (neben der physischen vor allem die gedankliche), die nötige Klarheit im Zweikampf, noch die Rollenzuteilung. Hummels Zweikampfverhalten vor dem dritten Gegentor wirkte eher wie ein Durchlassmanöver, um sich selbst nicht weh zu tun.
Seit Leon Goretzka als Dauertorschütze fungiert, funktioniert das Dichtmachen der Doppelsechs Goretzka/Joshua Kimmich in der Spielfeldmitte immer weniger. Und Javier Martínez, der das dichtmachen beherrscht wie kein Zweiter, ist dafür offensichtlich nicht mehr vorgesehen.

Kluft zwischen jung und alt

Überhaupt: Wenn man sieht wie viele Youngster in Dortmunds Startelf stehen und bei Bayern die hochbegabten Jungen Serge Gnabry, Renato Sanches, Alphonso Davies kaum nennenswerte Einsatzzeiten bekommen, kann man sich schon mal fragen: Warum ist das so? Zumal Arrivierte wie Thomas Müller, David Alaba und Kimmich seit Wochen unter Normalform performen.
Zu gerne würde man Kingsley Coman und Gnabry öfter gemeinsam auf dem Platz sehen, stattdessen gibt es immer noch zu viele Zugkräfte in der Bayern-Hierarchie, die glauben, dass es Arjen Robben und Franck Ribéry nach ihrer Rückkehr aus der Verletzungspause noch ein letztes Mal richten werden. Werden sie nicht, der Zug ist lange abgefahren.
Wie viel Unmut und Verwirrung in diesem Bayernkader der Stunde steckt, zeigt die Reaktion Müllers auf seine Auswechslung in Leverkusen, als er gegen sein Naturell den Ribéry gibt und sichtlich sauer wurde ("…ist sowieso egal, was ich hier sage"). Und vorne steht als einziger Stürmer Robert Lewandowski, der seit Wochen ebenfalls hauptsächlich durch seine schlechte Laune auffällt, weil er vom jungen Coman nicht millimetergenau bedient wird.
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Thomas Müller und Leon Goretzka

Fotocredit: Imago

Die fehlende Abstimmung und die Kluft zwischen Jung und Alt bei den Bayern erinnert fatal an die Nationalmannschaft während der WM in Russland. Das Ergebnis ist bekannt.

Die Bayern, eine Spitzenmannschaft a. D.

Zeit, die Selbstzweifel und die schlechte Laune seiner Leute zu kurieren, hat Trainer Kovac nicht. Am Mittwoch gegen Hertha im DFB-Pokal, am 19. Februar in der Champions League gegen Liverpool – es sind – Achtung, Phrasenschwein! – die Wochen der Wahrheit für den FC Bayern, in denen es mal wieder um alles geht: Die Bilanz einer ganzen Spielzeit, den Klubnimbus, den Modus und die Geschwindigkeit des Umbruchs, die Transferpolitik, die Zukunft des Trainers.
Nicht auszudenken, wenn der FC Bayern Mitte März in allen Wettbewerben so früh gescheitert ist wie seit Urzeiten nicht mehr. Dann spätestens hätte man tatsächlich gute Gründe für soviel schlechte Laune. Das Wissen darüber, dass der FC Bayern München aktuell nur eine Spitzenmannschaft a. D. ist.
Zur Person Thilo Komma-Pöllath:
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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