Heinrich-Blog: Darum ist Werder-Coach Florian Kohfeldt ein Glücksfall für die Bundesliga
Publiziert 05/10/2018 um 10:22 GMT+2 Uhr
Vom Newcomer zum Glücksfall für die Bundesliga. Eurosport-Blogger Sigi Heinrich erklärt, was Werder-Trainer Florian Kohfeldt so besonders macht. Als Interimslösung angedacht, überzeugte er die Bosse, die Kohfeldt mittlerweile mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet haben. Im Moment macht der Bremen-Coach alles richtig - aber was passiert, wenn's mal nicht mehr läuft?
Florian Kohfeldt von Werder Bremen
Fotocredit: Imago
Er hat vermutlich ein paar tolle Paraden gezeigt in seiner aktiven Zeit als Torhüter. Er hat auch mal die Hütte voll bekommen. Fünf Tore zugelassen und sich dann schon als 13-Jähriger hinterfragt. Wie konnte es dazu kommen?
Vermutlich hat Florian Kohfeldt damals die ersten Weichen gestellt für seine spätere berufliche Laufbahn. Er ist Trainer geworden. Mit allem, was dazu gehört und noch mehr. Als Jahrgangsbester hat er seine Prüfung 2015 abgelegt und vorher sein Abitur genutzt, um Sport und Gesundheitswissenschaften zu studieren.
Werder, der perfekte Schleuderstuhl
Aber er sitzt auf einem der gefährlichsten Stühle, die es in der Bundesliga gibt. Stühle mit einer erheblichen Schleuderkraft. Bei Werder Bremen nämlich weiß niemand, woran man wirklich ist. Trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse der Vorstandschaft. Er war Assistent von Viktor Skripnik, der durchaus erfolgreich war in Bremen und die Mannschaft in der Bundesliga gehalten hat.
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Florian Kohfeldt (Werder Bremen)
Fotocredit: Getty Images
Eine Niederlage im Pokal gegen den Drittligisten Lotte und drei Schlappen in der Bundesliga beendeten das Engagement von Skripnik. Es kam der U23-Trainer Alexander Nouri, dessen Verweilen an der Weser auch nicht von Dauer war.
Kohfeldt war zwischenzeitlich U23-Coach geworden, schaffte den Klassenverbleib in der 3. Liga und wurde Interimstrainer als Nachfolger von Nouri. Eigentlich ein perfekter Weg für Kohfeldt, um schon wieder arbeitslos zu sein. Assistent und U23-Trainer ist in Bremen die perfekte Kombination für eine kurze Dienstzeit.
Werder Bremen: Was mit Kohfeldt anders wurde
Und nun ist alles anders gekommen. Kohfeldt hat einen Vertrag bis 2021 erhalten. Seit Otto Rehhagel und Thomas Schaaf der längste Kontrakt in Bremen. Und er ist zum Gipfelstürmer geworden, was angesichts des Trainingslagers im Sommer im Zillertal nicht verwunderlich ist.
Was ist anders geworden? Kohfeldt ist ein moderner Trainer, ohne gleich dauernd auf den Laptop zu schielen. Er fordert Gespräche ein, nimmt Meinungen an und setzt sich regelmäßig mit den Schlüsselspielern seiner Mannschaft auseinander, ohne die Leine freilich zu lange zu lassen. Die Basisdemokratie wird nicht übertrieben.
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Martin Harnik und Max Kruse jubeln gemeinsam für Werder Bremen
Fotocredit: Eurosport
Der Bremer Stürmer Max Kruse etwa gehörte zu den ersten Kritikern. Sein Credo damals: schon wieder ein U23-Trainer. Er und viele seiner Mitspieler hätten gerne einen großen Namen gehabt, einen erfahrenen Coach. Daraus hat Kruse kein Hehl gemacht.
Kohfeldt hat ihn dennoch zum Kapitän befördert. Das war ein klares Zeichen. Er hat Mut. Aber mehr noch als dies prägt ihn seine Philosophie. Er will positive Ziele setzten. Er will nicht sagen, wir möchten bloß nicht absteigen. Er will auch sein Wirken nicht nur darauf beschränkt wissen, dass Bremen halt zur Bundesliga gehört.
Nein, er will mehr, viel mehr. Er will Fußball spielen. Fußball spielen lassen. "Man darf keine Angst haben, nach vorne zu spielen." Das ist seine Stoßrichtung. So geht Kohfeldt vor, weil er als ehemaliger Torhüter ja weiß, wie es ist, wenn das Netz hinter ihm dauernd zappelt, als stünde es unter Strom.
Kohfeldt: Und wenn die Durststrecke kommt?
Er will, dass sich seine Spieler mit der geforderten Spielweise identifizieren, dass sie Lust darauf bekommen, das gemeinsam im Training Erprobte auch in die Tat umzusetzen. Das alles geschieht in ruhigem Fahrwasser, weil man vielleicht auch in Bremen jetzt mal gelernt hat, dass man nicht alle hundert Tage einen neuen Trainer präsentieren kann.
Allerdings hat man jenen Trainern, die man vor Kohfeldt entlassen hat, dereinst auch viel Honig ums Maul geschmiert. Sowohl Skripnik als auch Nouri wurde großartige Arbeit bestätigt. Bis zur jeweiligen Entlassung.
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Werder: Sahin, Kohfeldt, Pizarro, Osako (v.l.n.r.)
Fotocredit: Imago
Noch hat Florian Kohfeldt, der, wenn er denn könnte, gerne mal mit Roger Federer tauschen würde, die Bremer Vereinsspitze nur verwöhnt und die Bundesliga mit seinem Team begeistert. Noch darf er frei arbeiten und sich seines Trainerlebens freuen. Spannend wird er erst dann, sollte mal eine Durststrecke kommen.
Viel kann Kohfeldt allerdings nicht mehr passieren. Er hat es in relativ kurzer Zeit geschafft, Werder Bremen eine klare Handschrift zu geben. Die Branche registriert das mit Wohlwollen. Vor allem auch die Tatsache, dass, wie auf Schalke etwa, kein Defensivverfechter am Werk ist, wirkt erfrischend.
Der Newcomer in der Bundesliga ist ein Glücksfall geworden für alle, die frischen und schönen Fußball lieben. Werder ist mit ihm ein deutliches Stück gewachsen, eine feste Größe geworden, wenngleich das Gefüge aufgrund der Vergangenheit durchaus noch filigran ist. Aber Bremen ist mit Kohfeldt zu einem Verein geworden, dem man wieder gerne zuschaut, wenn der Ball durch die eigenen Reihen tanzt. Das hat es lange nicht gegeben.
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