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Der LIGAstheniker: Edin Terzic impft Borussia Dortmund das Bayern-Gen ein - Thomas Tuchel vor Totalschaden

Thilo Komma-Pöllath

Update 22/05/2023 um 11:43 GMT+2 Uhr

Borussia Dortmund greift am 34. Spieltag nach der Meisterschale. Edin Terzic hat sich auf dem Weg zur ersten Meisterschaft seit elf Jahren beim Erzrivalen bedient und dem BVB das "Mia san Mia"-Gen des FC Bayern München eingeimpft. Der LIGAstheniker sieht die Rollen in der Bundesliga vertauscht und findet, dass Terzic Thomas Tuchel den Rang abläuft. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Terzic wird wegen Haller emotional: "Er ist das größte Wunder"

Liebe FußballfreundInnen,
diese Kolumne ist für seine starken bis waghalsigen Thesen bekannt, also raus damit, gleich zu Beginn: Dortmund hat den Bayern das "Mia San Mia"-Gefühl geklaut! Anders lässt sich dieser 33. Spieltag kaum logisch begreifen.
Klar, die Westfalen können das "Mia San Mia" natürlich gar nicht unfallfrei aussprechen und würde man sie fragen, hätten sie auch etymologisch keinen Schimmer. Aber was die gefühlte Bedeutung ist, das muss man den Dortmunder nicht mehr erklären.
Zehn Jahre lang sind sie am "Mia San Mia" zerschellt wie die Titanic am Eisberg. Doch im elften Jahr, so scheint es, segeln sie auf einmal drum herum, als hätten sie den Bayern die Navigationsnadel zur nächsten Meisterschaft manipuliert. Wird Dortmund am Samstag Meister wäre das eine kleine Sensation.

Bayerns Ratlosigkeit, Dortmunder Wille

Die Rollen sind auf einmal vertauscht: Die Ratlosigkeit und die Schwermut, mit der sich die Bayern zuhause gegen Leipzig in ihr Schicksal begaben. Der stete Wille, mit der Dortmund immer wieder gegen das Augsburger Tor anlief, größer hätten die mentalen Unterschiede der beiden deutschen Spitzenteams am vorletzten Spieltag nicht sein können.
Aus dem "Mia San Mia" wird ein westfälisches "Mit mir nicht" - idiosynkratrisch steht dafür keiner so wie Dortmunds Trainer Edin Terzic. Er macht den Unterschied aus dieses Jahr - und nicht Thomas Tuchel.
Aber reden wir zuerst von ihm, Thomas Tuchel. Der Mann, den die Bayern unbedingt und für viel Geld haben wollten, so dass sie bereit waren, einen ebenfalls teuer eingekauften "Präge mir eine Ära"-Trainer einfach mal so, aus dem Fußgelenk, in die Umlaufbahn zu treten. In der jüngeren Fußballgeschichte hat es wohl noch keinen ratloseren Trainer in so kurzer Zeit gegeben als Tuchel.
Nach elf Spielen scheint er am Ende mit seinem Bayern-Latein. Zumindest kommuniziert er es so. Er fühle sich "ohnmächtig", er habe "keine Erklärung", er wisse gar nicht "wo er anfangen" solle. Noch nie hat ein Trainer des FC Bayern auch so Mantra artig und in Endlosschleife wiederholt, dass er das "Mia San Mia" entweder nicht versteht oder nicht verkörpert. Gut, er ist ja auch eher schmächtig von Statur.
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Thomas Tuchel

Fotocredit: Getty Images

Bayern mit Motorschaden

"Mia San Mia" ist natürlich was ganz anderes. Eine Kultur der Besserwisserei und der Großkotzigkeit, eine Kultur des zur Schau gestellten Optimismus‘, des ewigen Erfolgs, der auf einem Anspruch fußt, den kein anderer Klub von seinen Angestellten einfordert.
Und irgendwann hat man den Motor überdreht wie bei den Aufziehautos, die wir alle als Kinder hatten. Mit der Nagelsmann-Entlassung haben die Bayern die Drehzahl in den roten Bereich gewürgt, Samstagabend gegen Leipzig dann endgültig der Motorschaden für die "Mia San Mia"-Bayern. Nix ging mehr.
Anders als beim kleinen Bruder von Batman, wie Edin Terzic mit schwarzem T-Shirt und schwarzer Hose am Sonntag in Augsburg wirkte. Terzic ist Dortmunder Eigengewächs und kostet keine 10 oder 12 Mio. Euro pro Jahr wie Tuchel.
Dabei ist er in Deutschland genauso erfolgreich wie Tuchel, nämlich Pokalsieger und möglicherweise schon am Samstag erfolgreicher - nämlich Meister. Terzic ist einer, der oft wütend und zornig ist, wenn Dortmund wieder mal einen Blackout einspielt, aber selten so ratlos wie Tuchel. Eben genau wie Batman: immer wütend, niemals ratlos.

BVB: Auf einmal ist der Wille da

Fast eine Stunde lang sah es gegen Augsburg so aus, als könnten sie es wieder vermasseln. Wie gegen Stuttgart, Bremen, Schalke oder auch Bochum. Ein Mann mehr auf dem Platz, ein halbes Dutzend Großchancen, 22 Torschüsse und kein einziger Treffer.
Diesmal aber sind sie nicht zusammengefallen vor Hektik und Angst, diesmal haben sie so lange weitergemacht, bis sie das Glück gezwungen hatten. Der Wille, es diesmal unbedingt machen zu wollen, war sicht- und spürbar.
Das ist die neue Qualität des BVB. Es ist der "Wir sind noch nicht fertig"-Wille von Terzic, der "alles jagen" wollte, was nötig sei für den Titel. Am Samstag ist Terzics Großwildjagd auf die Bayern zu Ende und das "Mia San Mia" mutmaßlich endgültig erlegt.

Zur Person: Thilo Komma-Pöllath

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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