Bayer 04 Leverkusen nach Rekord-Hinrunde im Taktik-Check: Darum ist die Werkself schier unschlagbar

Bayer Leverkusen begeisterte in der Bundesliga-Hinrunde mit dominantem Kurzpass-Fußball. Unter Trainer Xabi Alonso hat sich die Werkself zu einem echten Meisterschaftsaspiranten entwickelt. Der Spanier ist das Gesicht des Erfolgs, die Kombination aus seiner Spielidee und intelligenten Transfers führte zu einem neuen deutschen Rekord. Im Taktik-Check analysiert Eurosport, was Bayer so stark macht.

Bayer Leverkusen ist kaum zu stoppen

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Bei 13 Siegen und drei Unentschieden kann man getrost von einem perfekten ersten Halbjahr sprechen. Mit einem 4:0 Sieg gegen den VfL Bochum sammelte Bayer Leverkusen die Punkte 40 bis 42 und verabschiedet sich Spitzenreiter in die Winterpause. Eurosport.de analysiert im Taktik-Check, warum der Spitzenreiter schier unbesiegbar ist.
Das Herzstück im Leverkusener 3-4-2-1 ist das Zentrum: Hier bestimmt Granit Xhaka den Takt auf der Doppelsechs, unterstützt vom umtriebigen Exequiel Palacios, der als Verbindungsspieler auch mal im gegnerischen Strafraum auftaucht.
Vor den beiden spielen mit Florian Wirtz und Jonas Hofmann zwei Zehner, die sich permanent zwischen Abwehr und Mittelfeld des Gegners positionieren.
Beide interpretieren die Rolle so clever, dass sie kaum greifbar sind für den gegnerischen Defensivverbund: Schieben die gegnerischen Sechser auf Xhaka und Palacios, kommen Wirtz und Hofmann weit entgegen und versuchen immer wieder für kurze Passwege untereinander zu sorgen.

Bayers spanischer Rondo

So gibt es im Leverkusener Spiel oftmals Situationen, die dem spanischen Rondo ähneln. Mit direktem Spiel wird der Ball schnell von Fuß zu Fuß gespielt, ohne dass der Gegner wirklich in einen Zweikampf kommen kann.
Wollen Leverkusens Gegner Druck auf den Ball bekommen, müssen sie mindestens einen, oft eher zwei Abwehrspieler mit nach vorne schicken, damit sie eng an Wirtz und Hofmann dran sein können. Doch auch diese Situationen löst das Alonso-Team kreativ.
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Florian Wirtz von Bayer 04 Leverkusen

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Besonders Wirtz ist immer in der Lage, auch mit einem Gegner im Rücken "aufzudrehen", also sich mit dem Ball in Spielrichtung zu drehen. Um den entscheidenden Bewegungsvorsprung zu bekommen, täuscht er mit kleinen Schritten oder Drehung der Hüfte in die eine Richtung an und bringt den Gegenspieler in Bewegung. Mit einem kurzen Antritt in die andere Richtung ist Wirtz dann oft blitzschnell außer Reichweite für ein Tackling.

Leverkusen spielt Katz' und Maus

Durch das Herausziehen der Abwehrspieler werden in der Tiefe natürlich Räume frei, die sowohl von Victor Boniface als auch den Flügelspielern belaufen werden. Besonders Jeremie Frimpong startet oft auf der rechten Seite in die Lücke, die der Innenverteidiger hinterlässt wenn er Hofmann deckt.
Weil Leverkusen immer wieder Bälle in die Tiefe einstreut, lassen sich die Gegner wieder etwas weiter fallen, sodass die zentralen Spieler doch wieder mehr Raum und Zeit haben.
Der Gegner wird also ständig vor das Dilemma gestellt: Hoch Druck geben, das Zentrum attackieren, dafür aber mit hoher Abwehrkette gegen Leverkusens Tempo verteidigen oder aber die Tiefe sichern und wenig Zugriff aufs Mittelfeld bekommen? Keine Mannschaft spielt so viele Bälle ins Zentrum hinein wie Leverkusen.
Der Gegner soll gelockt werden, immer im Glauben, doch mal einen Ball gewinnen zu können. Dank der engen Abstände und der herausragenden Orientierung und Passsicherheit der Mittelfeldspieler passiert das aber schlichtweg selten. Durch die vielen Pässe in diese Zone hinein zieht sich die Defensivordnung des Gegners folglich immer weiter zusammen - bis genug Räume auf den Flügeln entstehen. Dort kann Leverkusen dann über einen andribbelnden Innenverteidiger Tempo aufnehmen und Frimpong beziehungsweise Alejandro Grimaldo einsetzen.

Bayer Leverkusen: Tempowechsel in allen Phasen

Kaum eine Mannschaft hat in den vergangenen Jahren so eine gute Balance aus ruhigen Phasen und Tempo gefunden. Teilweise passen sich die Spieler von Xabi Alonso minutenlang den Ball zu, teilweise spielt Xhaka aber schon den zweiten Ball nach kurzem Blickkontakt mit Boniface in die Tiefe.
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Granit Xhaka (mitte) feiert mit seinen Leverkusener Teamkollegen

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Diese zwei Gesichter zeigt der Spitzenreiter jedoch nicht nur in Ballbesitz, sondern auch in der Defensive: Neben den Phasen des hohen Angriffspressings, in denen Leverkusen klassisch Mann gegen Mann verteidigt, gibt es auch immer wieder Phasen, in denen sie tiefer stehen.
Frimpong und Grimaldo lassen sich dann zurückfallen und füllen die Dreier- zu einer Fünferkette auf. Die drei Innenverteidiger können im Zentrum bleiben und die Box bei Flanken verteidigen. Diese tieferen Phasen dienen nicht nur zur Erholung, sondern sind auch Möglichkeiten für Konter.
Jeder Leverkusener Feldspieler ist überdurchschnittlich schnell für seine Position – und so ist es keine Seltenheit, dass auch mal ein Innenverteidiger mit Ball am Fuß nach vorne stürmt oder sich nach dem Abspiel einschaltet und den Konter bis in den gegnerischen Strafraum mitläuft.

Bayer 04: Freiheit trotz klarer Strukturen

Ein weiterer Spagat, den die Mannschaft schafft, ist die Flexibilität trotz ganz klarer Ordnung.
Die Raumaufteilung bleibt im Wesentlich immer gleich, je ein Spieler besetzt die Breite, drei oder vier Spieler positionieren sich im Rücken des defensiven Mittelfelds des Gegners, ein oder zwei Spieler bedrohen die Tiefe und der Rest schafft Anspielstationen im Zentrum nah am Ballführenden.
Trotz dieser sehr klaren Feldbesetzung kommt es vor, dass Linksverteidiger Grimaldo plötzlich im rechten offensiven Mittelfeld auftaucht.
Diese Positionswechsel sind ein klares Muster und zeigen, wie gut diese Mannschaft harmoniert. Wenn Grimaldo auf der linken Seite mit Wirtz und Xhaka kombiniert, geht er seinen Pässen oft nach – die freigewordene Position wird dann von einem anderen Spieler übernommen, etwa einem der drei Innenverteidiger und die Kette verschiebt sich etwas.

Ein Team als eierlegende Wollmilchsau

Für Gegneranalysten dürfte ein Spiel gegen Leverkusen ein Albtraum sein: Jeder Spieler kann überall auftauchen, Leverkusen kann auf Konter lauern, aber auch hoch pressen, spielt geduldig durchs Zentrum aber auch blitzschnell über die Flügel. Dass sie dazu auch noch extrem variantenreich bei Standardsituationen sind, komplettiert ein Bild von einer unaufhaltsam wirkenden Mannschaft.
Leverkusen hat eine nahezu perfekte Struktur, die Spieler kennen ihre Aufgaben ganz genau, beobachten sich aber auch so gut gegenseitig und reagieren aufeinander.
Der Gegner wird permanent vor Entscheidungen gestellt und gestresst. Die Tabellenführung ist angesichts der Leistung keine Überraschung sondern folgerichtig. Kann Alonso den durch die Abstellungen zum Afrika Cup herausfordernden Januar managen, führen alle Titel in dieser Saison klar über Leverkusen.
Taktik, individuelle Klasse, Kreativität bei Standards und gute Einwechselspieler: Eine in so vielerlei Hinsicht komplette Mannschaft hat man in der Bundesliga lange nicht gesehen - und auch im Weltfußball gibt es derzeit keine Mannschaft, die schlichtweg so gut ist.
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Alonso macht Fans Titelhoffnung: "Dürfen träumen"

Quelle: Perform

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