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Drei Dinge, die bei Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern auffielen: Tuchel verzockt sich - Alonso mit Händchen

Florian Bogner

Update 11/02/2024 um 10:03 GMT+1 Uhr

Bayer Leverkusen gewinnt das Spitzenspiel gegen den FC Bayern München am 21. Spieltag der Bundesliga verdient 3:0 (1:0) und festigt damit die Tabellenspitze. Während Bayern-Coach Thomas Tuchel taktisch zu verkopft agieren lässt, beweist Bayer-Trainer Xabi Alonso ein goldenes Händchen. Mit dem klaren Erfolg zeigt Leverkusen, dass Bayerns Meisterserie tatsächlich enden könnte. Was uns auffiel.

Tuchel nach Pleite: "Übernehme Verantwortung für Taktik"

Während sich Bayer Leverkusen kollektiv in den Armen lag, schäumte Thomas Müller.
"Mir fehlen, um unseren Oliver Kahn zu zitieren, teilweise die Eier. Wir spielen zu verkopft", regte sich das Urgestein des FC Bayern München nach dem 0:3 (0:1) bei Bayer Leverkusen im Spitzenspiel der Bundesliga bei "Sky" auf.
Der Tabellenführer hatte zuvor den Serienmeister klar im Griff behalten, in der Höhe verdient gewonnen - und den Vorsprung in der Tabelle auf fünf Punkte anwachsen lassen. Unter Tuchel hatte es bei Bayern nie weniger Torschüsse in einer Bundesliga-Partie gegeben (9) - nur einer fand dabei den Weg aufs Tor.
"Die Leistung war super, der Einsatz der Jungs großartig", freute sich Leverkusens Trainer Alonso: "Alle hatten ein hohes Niveau, große Mentalität und alle waren auch bereit zu leiden, wenn wir es mussten."
Der Bayer-Coach ging auch im Trainer-Duell klar als Sieger hervor. "Alonsos Entscheidungen haben besser gegriffen als die von Tuchel", meinte nicht nur "Sky"-Experte Lothar Matthäus.
Drei Dinge, die uns beim Top-Spiel auffielen.

1.) Oh Boey! Tuchel verzockt sich gleich mehrfach

Thomas Tuchel hatte den Ball vor dem Match nicht gerade flach gehalten. "Hosen runter, Karten auf den Tisch", meinte der Bayern-Trainer vor dem Spiel - und verzockte sich dann auf ganzer Linie.
Warum der Coach seine Bayern erstmals seit dem 29. Spieltag der Vorsaison, als man übrigens 1:3 in Mainz verlor, 60 Minuten lang mit Dreierkette spielen ließ, blieb sein Geheimnis - ebenso, warum er in Joshua Kimmich, Thomas Müller, Matthijs de Ligt und Raphael Guerreiro gleich vier gestandene, Top-Spiel-erprobte Stars lange bzw. gänzlich auf der Bank schmoren ließ.
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Kimmich im Topspiel nur auf der Bank - Tuchel erklärt Grund

Seine Aufstellung warf so gleich mehrere Fragen auf. Winterneuzugang Sacha Boey machte auf der für ihn ungewohnten linken Bahn jedenfalls nicht den Eindruck, den besonderen Anforderungen dieser Partie gewachsen zu sein und sah zudem beim 0:1 durch die Bayern-Leihgabe Josip Stanisic (18.) wie ein Schulbub aus.
Dass Dayot Upamecano, erst unter der Woche nach einem Muskelfaserriss wieder ins Teamtraining zurückgekehrt, und Min-Jae Kim, bis Mitte der Woche noch beim Asien-Cup unterwegs, den Vorzug vor de Ligt erhielten, überraschte nicht minder.
Der Franzose ließ sich prompt beim 0:1 von Robert Andrich tunneln und leistete sich vor dem 0:2 durch Álejandro Grimaldo (50.) den folgenschweren Ballverlust, ehe er nach einer Stunde entkräftet ausgewechselt werden musste. Kim dagegen ließ sich gleich mehrfach überlaufen und rückte beim 0:2 viel zu schlecht getimed auf den Vorlagengeber Nathan Tella raus.
"Das 0:1 darfst du in der Fünferkette nicht kassieren, das geht normal nicht", echauffierte sich Tuchel später: "Es schlafen einfach alle. Und ganz am Ende muss Sacha auch wissen, dass er den Spieler nicht aus den Augen verlieren darf. Dann kippt das Momentum."
Dass Bayern nominell ein 3-4-2-1 spielte, im Aufbau aber eher umständlich ein 4-2-3-1 praktizierte, weil Upamecano dann zum Rechtsverteidiger mutierte, mag für den Bayern-Trainer vielleicht Sinn ergeben haben, wirkte auf dem Feld aber viel zu verkopft.
Bayer trichterte so Bayerns Angriffsspiel bereitwillig auf die eigene linke Verteidigungsseite, wo Upamecano und der vor ihm postierte Noussair Mazraoui keinerlei Überraschungsmoment hervorrufen konnten. Leroy Sané wurde in der Mitte zugestellt, Harry Kane kam so gut wie überhaupt nicht an den Ball. Den Gästen gelang es so nie, Torgefahr auszustrahlen.
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Bayer 04 Leverkusen vs. FC Bayern München: Sacha Boey (Mitte) will mit dem Kopf durch die Wand - Nathan Tella und Josip Stanisic stellen ihn

Fotocredit: Getty Images

Dass Tuchel lange 60 Minuten brauchte, um seine Fehleinschätzungen einzusehen, war nicht weniger alarmierend.
Mit der Hereinnahme von Kimmich und Müller für Upamecano und Aleksandar Pavlovic und der Umstellung auf das bewährte 4-2-3-1 hatte Bayern dann prompt seine spielerisch stärkste Phase. Plötzlich verdoppelte auch Superstar Kane seine Ballkontakte. Das Spiel konnten die Bayern aber nicht mehr drehen. Stattdessen traf der eingewechselte Jeremie Frimpong ins leere Tor (90.+5).
"Die Durchschlagskraft vorne hat gefehlt, um wirklich zu gewinnen. Wir haben wahnsinnig schlechte Entscheidungen getroffen", meinte Tuchel später. Erstmals in dieser Saison auf eine Dreierkette gesetzt zu haben, sei "reiflich überlegt" gewesen, meinte er: "Ich würde es wieder so machen."
Für den Trainer stehen mit der Niederlage raue Zeiten an. Zur Erinnerung: Julian Nagelsmann musste im Vorjahr nach einer Niederlage in Leverkusen (1:2) seinen Trainerstuhl in München räumen …
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Tuchel unzufrieden mit Leih-Regel: "Ausgerechnet Stanisic"

2.) Alonsos feines Händchen

Während sich Tuchel taktisch nahezu verausgabte, hatte Bayer-Coach Xabi Alonso vor dem Spiel die eigentlich schwerere Aufgabe; schließlich hatte Bayer am Dienstag noch ein kräftezehrendes Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart gespielt (3:2).
Alonso hielt jedoch an seinem bewährten 3-4-3-System fest und wagte auch keine wilden Dinge. Dass Bayern ebenfalls mit Dreierkette agierte, habe Bayer zwar "ein bisschen überrascht", verriet Andrich später, "wir haben es aber angenommen. Wir haben gesprochen, wie wir dagegen spielen wollen. Ich glaube, es sah nicht so schlecht aus."
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Alonso bremst Euphorie nach Sieg gegen Bayern: "Nur drei Punkte"

Was durchaus untertrieben ist. Alonsos Wechsel wirkten jedenfalls planvoll - mit drei frischen Kräften stärkte er vor allem seine rechte Seite, die Boey und Kim mit überfallartigen Angriffen immer wieder Probleme machte. "Wir hatten nicht viel Zeit. Am Donnerstag kam er mit der Idee um die Ecke, Freitag haben wir es dann trainiert. Kompliment an ihn", sagte Andrich.
Mit der Besetzung der Offensive - Tella und Florian Wirtz hinter Amine Adli - bewies Alonso ebenfalls ein gutes Händchen. In Abwesenheit des verletzten Mittelstürmers Victor Boniface hätte der Bayer-Trainer auch Patrik Schick oder Borja Iglesias aufbieten können, verzichtete aber auf eine echte Sturmspitze und lag damit goldrichtig.
Dass der Spanier Frimpong auf die Bank setzte und stattdessen die Bayern-Leihgabe Stanisic einsetzte, überraschte im ersten Moment - doch wer erzielte das 1:0? Eben jener Stanisic (18.). Der ebenfalls frisch aufgebotene Tella bereitete zudem mit einem simplen Doppelpass Grimaldos 2:0 (50.) vor. Und Frimpong stach schließlich noch als Joker (90.+5).
Alles richtig gemacht, Xabi.

3.) Bye-Bye Bayern-Serie?

Elf Jahre in Folge feierte der FC Bayern am Ende der Saison die deutsche Meisterschaft. Eine Serie, die im Mai 2024 zu Ende gehen könnte - nach den Eindrücken des Samstagabends eigentlich sogar muss.
Mitte Februar ist es jedenfalls der Turn- und Sportverein Bayer 04 Leverkusen, der in dieser Spielzeit immer noch auf einen ebenbürtigen Gegner auf nationaler wie internationaler Ebene wartet. 31 Pflichtspiele ist die Alonso-Truppe nun schon unbesiegt; 55 Punkte nach 21 Bundesliga-Spieltagen toppten nur die Guardiola-Bayern 2013/14 (59 Zähler) und 2015/16 (56).
Fünf Punkte hat Leverkusen in der Tabelle jetzt schon Vorsprung auf die Bayern, dazu nun auch das bessere Torverhältnis. Die Bayern erwecken aktuell dagegen überhaupt nicht den Eindruck, eine Aufholjagd starten zu können. Dazu fehlen auch zu viele Spieler verletzt. "Wir haben die Tore zu leicht hergeschenkt und keine Torchancen rausgespielt", zeigte sich Bayern-Sportdirektor Christoph Freund bedient: "Da müssen wir ehrlich sein. Es war insgesamt zu wenig gegen ein starkes Bayer Leverkusen."
Es sei "schon länger dieselbe Leier: Im Training klappt Vieles und im Spiel sieht es nicht so aus", fuhr der Österreicher fort: "Wir machen viel zu viele einfache Fehler, es geht nichts leicht von der Hand. Und wenn der Gegner tief steht, spielen wir uns keine Torchancen heraus. Das ist unser Thema gerade."
Dabei war ein Top-Spiel zwischen Platz eins und zwei in den letzten Jahren immer Bayern-Terrain gewesen. Doch am Samstagabend hatte schlichtweg Bayer die bessere Mannschaft auf dem Platz, das 3:0 war auch in der Höhe verdient. So ging mit Leverkusen erstmals seit Wolfsburg im Januar 2015 (4:1) wieder ein Bayern-Gegner im Top-Duell der Liga als Sieger vom Platz.
Laut Lothar Matthäus hat Leverkusen damit nun schon eine Hand an der Schale. "Wenn sie so weiterspielen, zweifelt keiner daran. Sie spielen in einer eigenen Liga. Das war ein Klassenunterschied auf höchstem Niveau", sagte der ehemalige Weltfußballer mit Bayern-Vergangenheit bei "Sky".
Bayern sei von Bayer "verdient mit 0:3 nach München zurückgeschickt worden". Leverkusen biete "tolle Unterhaltung. Dieser Lauf, dieses Selbstverständnis, dieses Miteinander - sie sind jetzt der große Favorit auf die deutsche Meisterschaft. Wer was anderes sagt, hat wenig Ahnung vom Fußball." 13 Spieltage bleiben noch …
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