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Der LIGAstheniker: Uli Hoeneß ist das wahre Problem des FC Bayern München - nur Imperator vom Tegernsee entscheidet

Thilo Komma-Pöllath

Update 29/04/2024 um 12:39 GMT+2 Uhr

Beim FC Bayern München hat Uli Hoeneß ausgerechnet vor dem Halbfinale in der Champions League gegen Real Madrid mit scharfen Aussagen für Großalarm gesorgt. Trainer Thomas Tuchel ist entsetzt, sein potenzieller Nachfolger Ralf Rangnick beschädigt: Der Imperator vom Tegernsee erweist dem FCB einen Bärendienst und ist das wahre Problem, meint der LIGAstheniker. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Tuchel zu Hoeneß-Kritik: "Gibt keinen schlechteren Zeitpunkt ..."


Jetzt muss ich meinen geliebten Erzfeind Uli Hoeneß aber wirklich mal in Schutz nehmen. Der hatte das Spiel am Dienstag einfach nicht mehr auf dem Schirm. Das kann doch wirklich mal passieren bei all den ungezählten Dödelpartien, Woche für Woche. Der hätte doch niemals drei Tage vor dem Champions League-Halbfinale gegen Real Madrid (21:00 Uhr im Liveticker) seinen Trainer öffentlich zur absoluten Pflunze erklärt, wenn er gewusst hätte, das Real-Duell kommt erst noch.
Die beiden Spiele also, die eine ziemlich völlig verkorkste Saison vielleicht sogar noch in eine Gewinnerspielzeit verwandeln können. Niemals hätte der Uli das gemacht, da kenne ich ihn nun wirklich zu gut. Er, der diesen Klub vor über 40 Jahren so ja erst erschaffen und geformt hat aus einem Klumpen Lehm, der an der Säbener Straße in München-Giesing herumlag und heute sind diese Bayern ein Weltklub, ach was, Weltkulturerbe.
Ein einzigartig schützenswertes Biotop, das so kein zweites Mal auf Erden zu finden ist.

FC Bayern: Spielermitleid für Tuchel?

Das werden Carlo Ancelotti und Toni Kross, die Vorzeigegärtner aus Madrid, so wohl nicht denken. Beide vor Jahren aus dem Münchner Biotopboden herausgerissen und als unbrauchbarer Wildwuchs gelabelt, sind sie heute sowas wie die Spitzengewächse der internationalen Fußballbotanik. Etwaige selbstinszenierte Psychospielchen vor den eigentlichen Spielen können sich die Madrilenen sparen, den Stoff für den "Krieg in München", so kommentieren spanische Zeitungen das aktuelle Verhältnis Hoeneß/Tuchel, liefern die Bayern selbst.
Das ist natürlich nicht nur ungeschickt, sondern auch dämlich. Vielleicht aber auch total genial. Die kolossale Entfremdung zwischen Noch-Trainer Thomas Tuchel und großen Teilen der Mannschaft dürfte spätestens nach dieser Hoeneß-Attacke überwunden sein. Schon nach dem Erfolg über Arsenal hatte sich das Binnenklima spürbar verbessert. Nicht auszudenken und Kimmich & Co. spielen gegen Real schon aus Mitleid für ihren Trainer ihre beiden besten Saisonspiele.

Es entscheidet nur einer: Uli Hoeneß

War alles also von langer Hoeneß-Hand geplant? Bei aller ironischer Scherzhaftigkeit, aber davon ist nicht auszugehen. Weil Uli Hoeneß erstens keinen Humor hat und zweitens als Sanguiniker nur eine kurze Lunte. Und drittens kommt erschwerend hinzu, dass Uli Hoeneß mit Menschen, die er einmal aus seinem Kosmos aussortiert hat (Tuchel), nicht mehr über Bande spielt.

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Thomas Tuchel und Uli Hoeneß

Fotocredit: Imago

Wie wenig er noch mit seinem selbstbewussten und teils auch renitenten Headcoach anzufangen weiß, das hat der Klubpatriarch am Freitag die Welt wissen lassen: nix mehr. Hoeneß gilt als nachtragend und so etwas wie beim FC Barcelona könnte beim FC Hoeneß niemals passieren: dass der Präsident des Klubs (Joan Laporta) solange an seinen bislang wenig erfolgreichen Trainer (Xavi) hinredet, bis dieser seinen selbst beschlossenen Abgang doch wieder revidiert und bleibt. Genau das hatten zuletzt etliche Stimmen in der Sache Tuchel gefordert - Uli Hoeneß ausgenommen, der das in München gewöhnlich final entscheidet.

Hoeness: Der Imperator vom Tegernsee

Der FC Bayern hat viele Probleme, das hat die aktuelle Spielzeit gezeigt. Acht Trainer in neun Jahren sind ein eindrucksvolles Missmanagement, weshalb man sich gerade so schwer tut einen neuen Übungsleiter zu finden. Aktuell gilt Bayerns dritte Wahl - Ralf Rangnick - als die wahrscheinlichste. Woher wir wissen, dass Rangnick nur die dritte Wahl ist? Auch das hat Hoeneß öffentlich herumerzählt.
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Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München

Fotocredit: Imago

Interpretiert man die Erzählungen des neuen Sport-Vorstandes Max Eberl richtig, dann läuft die Trainersuche bei den Bayern ungefähr so: Eberl erstellt eine Liste der Kandidaten, klopft der Reihe nach bei ihnen an (erst Xabi Alonso, dann Julian Nagelsmann, dann Rangnick) und je nach Gesprächsbereitschaft fährt Eberl dann an den Tegernsee, wo Imperator Hoeneß auf seiner Sänfte den Daumen hebt oder senkt.

Hoeneß fehlt jede Idee für seine Nachfolge

Bei allen strategischen Problemen, die der FC Bayern gerade hat, ist Uli Hoeneß selbst das vielleicht größte. Der Kluberfinder will und kann nicht lassen, obwohl er gar keine offizielle Führungsposition mehr bekleidet. Präsident, Vorstands- oder Aufsichtsratsvorsitzender sind andere, mächtig sind sie nicht, man spricht dann gerne von Marionetten.
Der FC Bayern vermittelt in den wichtigsten Wochen des Jahres ein erschütterndes öffentliches Bild des Streits, der Schuldzuweisung und der Orientierungslosigkeit. Ein Bild, das der 72-jährige Hoeneß skizziert hat, der keine Idee davon besitzt, wie er diesen Klub zu Lebzeiten noch einmal jemand anderen überlassen kann als sich selbst.

Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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