Bundesliga-Kolumne: LIGAstheniker über Borussia Dortmunds Systemkrise: Kovac allein wird's beim BVB nicht richten

Borussia Dortmund verliert auch unter dem neuen Trainer Niko Kovac. Dabei hatten die Verantwortlichen beim BVB um Geschäftsführer Lars Ricken erst kürzlich hart durchgegriffen. In Sven Mislintat musste der Technische Direktor der Schwarz-Gelben seinen Hut nehmen. Ob dieser Aktionismus zielführend ist, bezweifelt der LIGAstheniker allerdings. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Kovac nach Debüt-Pleite bedient: "Einiges gegen uns gelaufen"

Quelle: Perform

Liebe Fußballfreundinnen und -freunde,
das Führen einer Fußballmannschaft ist oft genug gar keine sportliche Aufgabe, sondern eine pädagogische. 20 bis 30 meist deutlich jüngere Kindsköpfe in Schach zu halten, zu Leistung zu motivieren, das hat oft mehr mit Kindererziehung zu tun als mit Erwachsenenbildungswerk.
Und damit bin ich schon bei Borussia Dortmund und seinem Sportdirektor Sebastian Kehl. In der Erziehung also würde man etwa nie auf die Idee kommen, sein Kind, das ständig durch die Klausuren fällt, mit Geschenken zum Lernen zu animieren. Der zweifache Vater Sebastian Kehl sieht das offenbar anders.
Nach der Heimpleite gegen Stuttgart vom Wochenende, dem ersten Pflichtspiel seines neuen Trainers Niko Kovac, erklärte Kehl in die Kameras: "Das 1:2 zeigt, dass wir nichts geschenkt bekommen in dieser Saison".
Das ist ein bemerkenswerter Satz für den sportlich Verantwortlichen eines blamabel performierenden Spitzenklubs in einer der großen Profiligen Europas und offenbart das ganze Missverständnis, das der BVB in dieser Saison verkörpert. Das Missverständnis lautet: Tabellenplatz 11.

BVB: Trainerwechsel ohne Magie

Es gibt ja so Trainerwechsel innerhalb einer Saison, die funktionieren ganz magisch. Nehmen wir mal Hansi Flick, der im November 2019 den Trainerjob bei den Bayern ausgerechnet von jenem Niko Kovac übernimmt, von dem jetzt wieder die Rede ist. Kovac war in München gescheitert, atmosphärisch und spielerisch, man konnte den Bayern auf dem Rasen nicht mehr zusehen, so schlimm war es.
Und dann kam sein Assi Hansi und sofort sprühten Lewandowski, Müller & Co. nur so vor Spiellust. Der Rest (insgesamt sieben Titel inklusive CL-Triumph) ist Geschichte. Will man nun den ersten Auftritt des BVB unter jenem Niko Kovac als neuem BVB-Trainer beurteilen, dann fällt, nun ja, das erste Gefühl deutlich nüchterner aus, zuweilen sogar ernüchtert.
Schon klar, was soll man nach einem Spiel schon groß sagen, aber ein erstes Spiel ohne irgendeine Art von Aufbruchsstimmung (von Magie reden wir mal erst gar nicht) lässt vermuten, dass die Probleme deutlich tiefer liegen als nur die Frage nach der Form einzelner Akteure.
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Niko Kovac hat sein erstes Spiel als BVB-Trainer verloren

Fotocredit: Getty Images

Der BVB macht seine Leistungsträger schwächer

Und doch, um damit zu beginnen: Was war eigentlich mit Julian Brandt in der ersten Halbzeit los? War der überhaupt mal am Ball? Warum war Karim Adeyemi vor dem Strafraum des Gegners so wirr und orientierungslos? Und was in Gottes Namen hat der BVB aus den VfB-Anwerbungen Waldemar Anton und Serhou Guirassy gemacht?
Der Pass von Anton in der ersten Halbzeit auf Deniz Undav war Weltklasse – dumm nur, dass Undav immer noch beim VfB stürmt. In der zweiten Halbzeit hat's ja dann doch noch geklappt mit einem Tor für den VfB.
Und Guirassy? Bereitet das zweite VfB-Tor vor. Ein Schatten, ach was, ein Schättchen seiner selbst. In Dortmund, nimmt man dieses erste Heimspiel unter Kovac, werden die Spieler nicht besser, sondern schwächer gemacht. Wie aber kann das sein?
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Pechvogel gegen den Ex-Verein: Waldemar Anton

Fotocredit: Getty Images

Dortmunder Aktionismus

Man kann nicht sagen, der Klub würde nichts unternehmen. Der Trainer ist neu, der Technische Direktor Sven Mislintat ist weg, weil Sebastian Kehl, wie man hört, ihn nicht einmal geschenkt haben wollte, und Superberater Matthias Sammer darf vorerst als "Amazon"-Experte nicht mehr liefern.
Was auch immer das bringen soll. Auch das Fensterln im Transfermarkt hat noch rechtzeitig zwei Jungperlen gebracht, die 2030 ganz sicher den Unterschied bringen werden: Linksverteidiger Daniel Svensson vom FC Nordsjaelland, Carney Chukwuemeka vom FC Chelsea.
Erst mal geliehen, plus Kaufoption, so richtig überzeugt klingt das alles nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Chukwuemeka den Klub magnetisieren wird wie einst Erling Haaland, liegt noch mal bei wie viel Prozent?

BVB-Krise: Wie die Bayern vor knapp zwei Jahren

Der BVB anno 2025 erinnert nicht ganz zufällig an den FC Bayern anno 2023. Die beiden großen deutschen Spitzenklubs haben sich abhängig gemacht von Überfiguren (Aki Watzke bzw. Uli Hoeneß), die irgendwann einmal ersetzt werden müssen, deren Nachfolge aber einem Himmelfahrtskommando gleicht.
Der Bayern-CEO Oliver Kahn hielt nach umstrittener Trainer-Entlassung (Julian Nagelsmann) und andauernden sportlichen Misserfolgen unter Nachfolger Thomas Tuchel keine zwei Jahre durch, dann musste er gehen und sein Sportvorstand Hasan Salihamidzic gleich mit.
Nicht auszuschließen, dass Borussias Geschäftsführer Ricken und seinem Sportdirektor Kehl ähnliches droht, wenn die sportliche Talfahrt des BVB ungebremst anhält.
Diese Unruhe in der Klubführung will man nicht geschenkt. Die kurzfristige Frage also wird sein: Wird Kovac in Dortmund ein neuer Tuchel oder hat er das Zeug zum Flick?
Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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Kovac zum Ryerson-Rot: "Hat überzogen"

Quelle: Perform


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