FC Bayern München: Fehlender Mut oder fatale Fehleinschätzung? Das Problem des Rekordmeisters mit den eigenen Talenten
VonThomas Gaber
Update 15/07/2025 um 08:30 GMT+2 Uhr
Ob Angelo Stiller oder Kenan Yildiz - dem FC Bayern München ging so manches hoffnungsvolles Talent aus dem eigenen Nachwuchs auf dem Weg in die erste Mannschaft durch die Lappen. Die Kritik am Umgang mit den jungen Spielern aus dem 70 Millionen Euro teuren FC Bayern Campus wächst, die mächtigen Klubbosse fordern ein Umdenken. Dadurch gerät Profi-Cheftrainer Vincent Kompany zunehmend unter Druck.
Vincent Kompany (l.) im Gespräch mit Jonathan Asp-Jensen und Jonah Kusi-Asare (r.)
Fotocredit: Imago
Herbert Hainer lehnte sich weit aus dem Fenster. Kurz nach seinem Amstantritt als Präsident des FC Bayern München sagte er in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" vier namentlich genannten Nachwuchsspielern aus dem eigenen Haus eine große Karriere voraus.
"Joshua Zirkzee, Sarpreet Singh, Leon Dajaku und Oliver Batista Meier werden Bundesligaspieler. Das traue ich mich vorherzusagen", so Hainer im Oktober 2022.
Knapp drei Jahre später steht fest: Heiner hat sich geirrt. Mit Ausnahme von Zirkzee, der zwölf Mal in der Bundesliga spielte und mittlerweile bei Manchester United unter Vertrag steht, sind die anderen drei mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden.
Singh ist über die Umwege Jahn Regensburg, Hansa Rostock und Leiria (zweite portugiesische Liga) bei FK TSC Backa Topola in Serbien gelandet. Anzahl an Bundesligaspielen: 0.
FC Bayern kassiert für Zirkzee 27,5 Millionen Euro
Dajaku kickt mittlerweile in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei Sharjah FC. Der ehemalige deutsche U-Nationalspieler brachte es auf 59 Bundesligaminuten für den VfB Stuttgart.
Batista Meier probierte es beim SC Heerenveen, dem SC Verl, Dynamo Dresden, Grasshoppers Zürich und dem SSV Ulm - nirgendwo mit nachhaltigem Erfolg. In der kommenden Saison steht er bei Zweitliga-Aufsteiger Preußen Münster unter Vertrag.
Mit der Eröffnung des FC Bayern Campus im Münchner Norden fernab des Vereinsgeländes im Süden der Stadt sollte beim deutschen Rekordmeister ab August 2017 eine neue Zeitrechnung beginnen - eine Zeitrechnung mit einem klaren Ziel: Entweder schaffen die besten Talente den Sprung zu den Profis oder werden für ein hübsches Sümmchen verkauft.
Den von Hainer erwähnten Spielern blieb der Traum von der großen Bayern-Karriere verwehrt. Immerhin kassierte der Klub für Zirkzee 2022 27,5 Millionen Euro vom FC Bologna. Ausgebildet wurde der Niederländer jedoch größtenteils in seiner Heimat.
Bayern verprellt Stiller - Yildiz rockt Juventus
Die Liste der hoch gehypten Bayern-Talente, die sich in München nicht durchsetzen konnten, lässt sich erweitern: Angelo Stiller, Frans Krätzig, Paul Wanner. Bei Stiller leisteten sich die Bayern eine fatale Fehleinschätzung. 2020 führte dieser die zweite Mannschaft mit beeindruckenden Leistungen zur historischen Drittliga-Meisterschaft und rechnete sich Chancen bei Profi-Cheftrainer Hansi Flick aus.
Doch statt auf Stiller zu setzen, holten die Bayern Marc Roca und Tiago Dantas für dessen Position. Stiller nannte dies seinerzeit "einen Schlag ins Gesicht", schlug ein Angebot zur Vertragsverlängerung aus und wechselte ein Jahr später ablösefrei nach Hoffenheim und später zum VfB Stuttgart, wo er zum Nationalspieler reifte. "Angelo im VfB-Dress zu sehen, zerreißt mir ein bisschen das Herz", klagte Reserve-Trainer Holger Seitz später.
Auch bei Kenan Yildiz lagen die Bayern falsch. Der 20-jährige Türke spielte von 2012 bis 2022 in der Jugendakademie des FC Bayern und wechselte dann ablösefrei zu Juventus Turin. Yildiz hat bei der Alten Dame voll eingeschlagen, was den FC Bayern Gerüchten zufolge veranlasste, über eine Rückholaktion nachzudenken, um das Loch auf dem linken Flügel zu stopfen.
Babbel kritisiert Klubführung und Trainer scharf
Für Markus Babbel liegt die mangelhafte Durchlässigkeit an Nachwuchsspielern auf dem Weg zu den Profis in erster Linie am fehlenden Mut des Klubs. Babbel, der in den 1980er Jahren selbst beim FC Bayern ausgebildet wurde, greift die Bosse scharf an.
"Der FC Bayern investiert so viel Geld in den Nachwuchs. Dass da keiner dabei ist, der für die erste Mannschaft gut genug ist, kann mir keiner erzählen. Nur braucht man natürlich auch einen Trainer, einen Manager, eine Führungsriege, die alle den Mumm haben, eben auch die jungen Spieler reinzuschmeißen", sagte Babbel bei "sport.de".
Ein Blick zurück auf die Klub-WM gibt Babbel zumindest in Bezug auf den Trainer recht. Mit Adam Aznou, David Santos Daiber, Lennart Karl, Jonah Kusi-Asare, Maurice Krattenmacher und Cassiano Kiala nahm Vincent Kompany ein halbes Dutzend Nachwuchsspieler mit in die USA.
Die Einsatzbilanz ist ernüchternd: Karl und Aznou durften beim 10:0 gegen die Amateure von Auckland in der zweiten Halbzeit mitkicken. Das war es dann aber auch schon, obwohl gerade das letzte Gruppenspiel gegen Benfica, als die Bayern bereits als Achtelfinalist feststanden, eine günstige Gelegenheit gewesen wäre, den Talenten eine Chance zu geben. Kompany setzte aber lieber auf die Transferflops Joao Palhinha und Sacha Boey, sowie auf Leroy Sané und Thomas Müller, die sich auf Abschiedstour befanden.
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Lennart Karl (l.) kam bei der Klub-WM gegen Auckland zum Einsatz
Fotocredit: Getty Images
Hainer und Rummenigge fordern Nachwuchsförderung
Wie der "kicker" erfahren haben will, war Kompanys Umgang mit dem Nachwuchs einer mit Ansage. Demnach habe der Coach eher "geringes Interesse" an der Förderung der jungen Spieler. Eine Einschätzung, die den Plan der Klubführung konterkariert.
Präsident Hainer forderte in der "Sportbild" ein Umdenken in der Transferpolitik. "Wir müssen bei Transfers und Verhandlungen generell klug vorgehen - und noch mehr auf unseren FC-Bayern-Campus schauen. Fakt ist, dass wir aktuell eine Gehaltsstruktur auf sehr hohem Niveau haben. Das wollen und müssen wir zurückdrehen, was natürlich nicht von heute auf morgen geht - dafür braucht man ein paar Jahre", sagte er.
Auch der mächtige Aufsichtsrat und langjährige Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge legte den Finger in einem "Welt"-Interview in die Wunde: "Der FC Bayern muss in der Lage sein, in der Zukunft mehr Spieler wie Aleksandar Pavlovic oder Josip Stanisic herauszubringen. Idealerweise bringen wir jedes Jahr einen Spieler raus, der es in die erste Mannschaft schafft."
Stanisic wählte den Umweg über Bayer Leverkusen, wo er als Stammspieler das Double gewann. Der Defensivspezialist wartet seit seiner Rückkehr 2024 aber weiter auf den endgültigen Durchbruch in München.
Schwere Zeiten für Kompany
Pavlovic ist für Babbel eher "ein reines Zufallsprodukt". "Thomas Tuchel (Bayerns Ex-Trainer, d. Red.) war so sauer, dass er seinen Sechser nicht bekommen hat. Dann hat er fast zur Strafe der Bosse Pavlovic gebracht, um zu zeigen, dass man ihm seinen Wunsch-Sechser hätte kaufen sollen. Und dann spielt der Pavlovic auf einmal überragend, sodass er jetzt Nationalspieler ist", sagte Babbel.
Der einzige, der bisher den Sprung vom neuen Campus zum unumstrittenen Stammspieler der Profis schaffte, war "Jahrhundertalent" Jamal Musiala, der aber den Großteil seiner Jugend beim FC Chelsea verbrachte.
Mangelnder Mut und eine mitunter falsche Einschätzung der Fähigkeiten des Nachwuchses - das Problem des FC Bayern mit seinen Talenten ist doppelschichtig.
Und für Kompany könnte es in nächster Zeit ungemütlich werden, sollte er sich den Vorgaben der Bosse nach einer intensiveren Förderung der jungen Spieler verweigern.
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