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FC Bayern gegen Real Madrid: Meisterstück der psychologischen Kriegsführung

Florian Bogner

Update 25/04/2018 um 20:20 GMT+2 Uhr

Das Duell FC Bayern gegen Real Madrid wird im Halbfinale der Champions League vor allem auch im Kopf entschieden. Während Karl-Heinz Rummenigge stichelt, erweist sich Jupp Heynckes im Vorgeplänkel als Meister der psychologischen Kriegsführung. Der Bayern-Trainer schmeichelt dem Schiedsrichter und redet die eigenen Spieler stark. Damit sie am Ende als gefeierte Königsmörder dastehen.

Bayern-Real Madrid

Fotocredit: Eurosport

Man merkt Jupp Heynckes richtig schön an, wie froh er ist, dass schon April ist.
Nicht, weil bald alles vorbei ist. Das im Hotel Wohnen, das Pendeln zwischen München und Niederrhein. Es macht ihm durchaus Spaß, noch ein letztes Mal Trainer des FC Bayern München zu sein. Trainer eines Halbfinalisten in der Champions League. Viel Aufmerksamkeit zu bekommen, auf Pressekonferenzen in seiner Zweitsprache Spanisch gefragt zu werden.
Noch mehr Spaß macht es ihm allerdings, endlich wieder kurze Hosen zu tragen. Im Winter sah man ihn ja bisweilen mit beheizten Moonboots über den Rasen an der Säbener Straße stiefeln, sein 72 Jahre alter Körper ächzte, eine Grippe setzte ihm zu. Alles vorbei. Jetzt: Kurze-Hosen-Wetter in München beim Abschlusstraining! Im April! Jupp zeigte Wadeln. Und Lockerheit. Wichtig vor so einem Spiel.
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Jupp Heynckes (FC Bayern München)

Fotocredit: Getty Images

FC Bayern kultiviert das Image des Underdogs

Seine Mannschaft soll schließlich am Mittwoch (20:45 Uhr im ) Großes leisten, nicht weniger, als Real Madrid vom europäischen Thron stoßen, die Dominanz der Königlichen mit drei Titeln in vier Jahren beenden. Königsmörder spielen.
In den "Mindgames" vor der Partie kultivierten die Bayern dabei zwingend das Image des Underdogs. Nicht das des Außenseiters, aber das des Herausforderers. Jünger des Nix-zu-Verlieren-Prinzips. Denn Bayern gegen Real - das wird auch im Kopf entschieden.
"Wenn du die Champions League zweimal in Folge gewinnst, bist du der Favorit. Aber das bedeutet nicht, dass du weiterkommst", sagt Robert Lewandowski.
"Wille kann Berge versetzen", sagt Heynckes am Dienstag auf der Pressekonferenz im kalten Bauch der Allianz Arena, nachdem er die kurze Hose gegen eine Trainingshose eingetauscht hat.
Das Faustpfand der Bayern: "Wir haben eine überragende Stimmung innerhalb der Mannschaft. Nur so kann man auch Erfolg haben. Ich bin sehr optimistisch für die zwei Spiele."

Real Madrid spricht von Seelen und Tod

Kein böses Wort, kein Sticheln gegen Real. Nur gegen andere Teams, ausgeschiedene ("Den Champions-League-Titel kann man nicht kaufen"). Die Rolle des Stichelnden hatte schließlich schon Karl-Heinz Rummenigge übernommen. "Wenn einer Real Madrid bezwingen kann, dann Bayern München", hatte der Vorstandsboss behauptet.
Aus Madrid zurück kam Martialisches.
"Wir werden gut trainieren und dann bis zum Tod kämpfen, um unseren Titel zu verteidigen", sagte Trainer Zinédine Zidane nach einem gar nicht mal so aufopferungsvollen 1:1 gegen Athletic Bilbao am vergangenen Mittwoch, ehe Real ein spielfreies Wochenende genießen durfte (Ronaldo grüßte betont relaxt vom Pool).
Real-Präsident Florentino Pérez sagte in der Zwischenzeit nicht minder dramatisch:
Das Duell mit Bayern wird hart, aber unsere Spieler werden ihre Seele auf dem Platz lassen, um erneut diesen Titel zu gewinnen.
Seelen und Tod - guter Stoff für Legenden.

Real Madrid und die Schiedsrichter

Heynckes schlägt derweil lieber leisere Töne an. Seine psychologische Kriegsführung funktioniert anders, sie ist einfühlsamer, aber nicht minder wirkungsvoll.
So ist nun mal der Schiedsrichter ein Thema am Mittwoch. Das Duell im Viertelfinale des Vorjahres zwischen beiden Mannschaften (1:2, 2:4 n.V.) wurde ja schließlich auch aufgrund eines fragwürdigen Platzverweises (gegen Arturo Vidal) und nach drei Abseitstoren im Rückspiel (eins für Bayern, zwei für Real Madrid) entschieden.
Und war das neulich wirklich ein Elfmeter, als Real Madrid gegen Juventus Turin in Minute 98 doch noch das Halbfinale buchte?

Heynckes' smarter Umgang mit der Schiedsrichter-Frage

Björn Kuipers aus den Niederlanden wird pfeifen und Heynckes schmierte ihm am Dienstag ordentlich Honig ums Maul. "Normalerweise werden nur die besten Schiedsrichter nominiert", flötete Heynckes, sagte weiter:
Ich kenne Herrn Kuipers sehr gut, ich bin sehr ruhig. Ich habe vollstes Vertrauen. Die Schiedsrichter wollen auch zeigen, dass sie zurecht nominiert worden sind. Und ich gehe davon aus, dass das morgen auch der Fall sein wird.
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Björn Kuipers

Fotocredit: Getty Images

Seiner Mannschaft gab er noch mit auf dem Weg, sich nicht mit möglichen Fehlentscheidungen vorab zu belasten.
Wir versuchen, das Spiel sportlich zu entscheiden. Alles andere liegt nicht in unserer Macht.

Ronaldo? Lewandowski!

Zum Beispiel das Spiel von Cristiano Ronaldo, dem Bayern-Schreck. Sein Steckbrief weißt neun Tore in sechs Spielen gegen die Bayern aus, im Vorjahr schoss er fünf der sechs. Ein echter Galaktischer. Einer, der nur im Verbund zu stellen ist, nicht nur durch einen allein.
Reals große Waffe gegen Bayern? "Ich respektiere ihn", sagt Heynckes. Nicht viel mehr. Vielmehr war es dem Bayern-Trainer im selben Atemzug wichtiger, seinen möglicherweise entscheidenden Mann stark zu reden:
Man darf nicht vergessen: Wir haben Robert Lewandowski, der diese Saison schon 39 Pflichtspieltore (in 43 Spielen, Anm. d. Red.) erzielt hat.
Heynckes lobte so gleich auch die "riesigen Torquoten" seines Mittelstürmers. Und dessen Charakter: "Er ist ein sehr positiver Spieler, immer leistungsbereit, er tut alles für den Fußball und hält sich absolut fit."
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Robert Lewandowski

Fotocredit: Getty Images

Heynckes redet seine Spieler stark

Absolut fit scheint der ganze Kader der Bayern zu sein. Zum richtigen Zeitpunkt. Im April. Wenn's ernst wird. Ausfälle, wie die von Manuel Neuer, Kingsley Coman, Arturo Vidal, möglicherweise auch Corentin Tolisso und David Alaba - nur Beiwerk, kein großes Thema für Heynckes.
Er kehrt lieber die Entwicklung der anderen nach vorne, das Aufblühen einiger Spieler unter seiner Ägide. Jérôme Boateng zum Beispiel, auch James Rodríguez.
"Als ich kam, war er nicht fit, verletzungsanfällig", sagte Heynckes über den einen, den Abwehrmann:
Wir haben mit dem gesamten Trainerteam daran gearbeitet, dass seine physische Verfassung besser wurde, dass seine Verletzungsanfälligkeit besser wurde. Und ich muss sagen, dass Jêrôme fast wieder die Top-Form hat, die er 2013 hatte.
Zu James sagte er Ähnliches:
Als ich kam, war er nicht in Form, physisch nicht fit. Ich habe mit ihm gesprochen, danach ist er in der Mannschaft anders aufgetreten, viel freier, viel selbstbewusster. Er hat eine wunderbare Entwicklung genommen, ist ein fester Bestandteil der Mannschaft. Er hat Fantasie, große Übersicht, ist fußballerisch top.
Alles sein Verdienst. Und auch ein bisschen Psychologie.
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