Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

SSC Neapel mischt Serie A und Champions League auf: Sogar Diego Maradona wäre stolz

Thomas Gaber

Update 13/10/2022 um 17:27 GMT+2 Uhr

Im Sommer verlor der SSC Neapel eine Reihe von Leistungsträgern. Ihre Nachfolger waren überwiegend "No Names", woraufhin die Tifosi am Fuße des Vesuvs auf die Barrikaden gingen. Doch Trainer Luciano Spalletti hat in kurzer Zeit eine Mannschaft geformt, die Napoli endlich wieder von großen Titeln träumen lässt. Im Fokus steht ein 21-Jähriger, der bereits mit dem Heiligtum der Stadt verglichen wird.

Der SSC Neapel eilt derzeit von Sieg zu Sieg

Fotocredit: Imago

Seit fast 30 Jahren arbeitet Luciano Spalletti als Trainer im Profifußball und dürfte in dieser Zeit genug Geld verdient haben. Ab 2009 war er fünf Jahre bei Zenit St. Petersburg, in einer Zeit, als russische Oligarchen enorme Summen in ihre Klubs pumpten.
Ein Luxusleben hat Spalletti dennoch nie geführt. "Ich mache mir nichts aus Geld. Es zu haben, beruhigt. Aber was soll ich mit zehn Autos in der Garage? Ich kann eh immer nur eins fahren", sagte er einmal.
Spallettis ganzer Stolz ist ein Fiat Panda, genauer gesagt, war. Der wurde nämlich im Oktober 2021 gestohlen. Einen Tag später hing ein Banner am Trainingsgelände des SSC Neapel mit der Aufschrift: "Wir geben dir dein Auto zurück, wenn du den Verein verlässt." Ein perfider Plan einiger Napoli-Tifosi, den ungeliebten Trainer loszuwerden.
Spalletti, in Italien für seinen Humor bekannt, ließ sich auf das Spielchen ein. Sollte er sein Auto zurückbekommen, werde er erstmal nachschauen, wie viele Kilometer die Diebe damit gefahren seien und ob seine CD-Sammlung des Musikers Pino Daniele noch vollständig sei.

Kantersiege gegen Ajax Amsterdam und den FC Liverpool

Soweit kam es jedoch nicht. Der Fiat Panda tauchte nie wieder auf. Dafür ist Spalletti aber immer noch Trainer von Napoli und das in diesem Jahr verblüffend erfolgreich. Die Serie A führen die Hellblauen ungeschlagen an und in der Champions League ballern sie sich durch die hochkarätige Gruppe mit Ajax Amsterdam, Liverpool und den Glasgow Rangers.
In vier Gruppenspielen erzielte Neapel 17 Tore - mehr als jede andere italienische Mannschaft jemals zuvor. 6:1 und 4:2 gegen Ajax, 4:1 gegen Liverpool - da wird selbst dem Trainer schummrig.
"An Abenden wie diesem wird man von der Atmosphäre mitgerissen. Irgendwann wurde mir schwindelig und ich dachte, ich sehe Sterne um meinen Kopf kreisen", sagte Spalletti nach dem Sechserpack seiner Mannschaft in Amsterdam.
Dabei verließen Im Sommer gleich vier Leistungsträger den Verein: Torwart David Ospina, Abwehrchef Kalidou Koulibaly, Mittelfeldregisseur Fabián Ruiz und Offensivwaffe Lorenzo Insigne. Das spülte zwar Geld in die leeren Kassen, ließ die Fans aber (erneut) auf die Barrikaden gehen. Klub-Präsident Aurelio De Laurentiis wurde sogar in seiner Villa auf der Ferieninsel Capri aufgesucht und angepöbelt.

Der neue Star heißt Khvicha Kvaratskhelia

Doch Neapel landete gleich mehrere Volltreffer auf dem Transfermarkt mit Spielern, denen bis dato keine oder nur wenig Beachtung in Europa zuteil wurde. Für Koulibaly wurde der Südkoreaner Kim Min-Jae (25) von Fenerbahce Istanbul geholt. "Kim hatte eine sehr schwierige Aufgabe, als er hierher kam. Koulibaly war der vielleicht beste Verteidiger der Serie A", sagt Giulio Martina von Eurosport Italien. "Kim hat den Platz in der Abwehr eingenommen und spielt weitgehend fehlerfrei. Er zeichnet sich vor allem durch seine Zweikampfstärke und sein gutes Stellungsspiel aus."
Im defensiven Mittelfeld überzeugt der Kameruner Frank Anguissa (26), Leihgabe vom FC Fulham. Als hängende Spitze hat Sassuolo-Leihspieler Giacomo Raspadori (22) in drei Champions-League-Spielen vier Tore geschossen und auch Stürmer Giovanni Simeone, Sohn von Atlético-Coach Diego, scheint in Neapel nach unzähligen gescheiterten Versuchen in Genua, Florenz, Cagliari und Verona endlich sein Glück zu finden. Der 27-Jährige steuerte bislang vier Treffer in neun Pflichtspielen bei.
Der alles überstrahlende Spieler aber ist Khvicha Kvaratskhelia, 21 Jahre alt aus Georgien. Kvaratskhelia stand bei Rubin Kasan unter Vertrag, als Russland die Ukraine überfiel. Nachdem die FIFA entschieden hatte, dass ausländische Spieler infolge dessen ihre Verträge auflösen dürfen, kehrte Kvaratskhelia in seine Heimat zum amtierenden Meister Dinamo Batumi zurück.
Napolis gewiefter Sportdirektor Cristiano Giuntoli griff zu - Kvaratskhelia kam für zehn Millionen Euro an den Vesuv. Eine stolze Summe für einen "No Name"; mittlerweile muss man Giuntoli zu einem echten Schnäppchen gratulieren.
picture

Khvicha Kvaratskhelia ist Napolis neuer Held

Fotocredit: Imago

"Kvaradona" eifert Diego Maradona nach

Auf dem Papier spielt Kvaratskhelia auf der linken Außenbahn, was aber nur für Aufstellungs- und Systemfanatiker von Belang ist. Er ist überall auf dem Platz zu finden, sieht Räume, die andere übersehen, ist technisch stark, schnell und beidfüßig. Er bringt messerscharfe Flanken in den Strafraum, vollstreckt aber auch gerne selbst. Sieben Tore und sieben Vorlagen in 13 Pflichtspielen sind herausragende Quoten.
Nachdem er beim 4:0 gegen Monza zunächst einen 25-Meter-Schuss im Winkel versenkt und wenig später ein Solo mit seinem nächsten Treffer abgeschlossen hatte, fragte ein verdutzter TV-Kommentator: "Gibt es eigentlich irgendetwas, was dieser Junge nicht kann?"
In Anlehnung an ihren ewigen Fußballmessias Diego Armando Maradona, der Napoli Ende der 80er Jahre zwei Meistertitel und den UEFA-Cup bescherte, nennen die Fans Kvaratskhelia nur noch "Kvaradona". Netter Nebeneffekt: Kvaradona lässt sich auch deutlich leichter aussprechen.
"Natürlich gefällt mir der Spitzname", sagt Kvaratskhelia: "Ich kann niemals an Maradona heranreichen, aber ich werde alles geben, um ein großer Spieler für diesen Verein zu werden."

Tifosi träumen vom ersten Meistertitel seit 32 Jahren

In Neapel träumen die Fans schon vom ersten großen Titel seit 1990, als Maradona und Co. den zweiten Scudetto der Vereinsgeschichte abräumten.
"Träumen ist erlaubt", betont Spalletti. "Aber es gibt keine Euphorie in der Umkleidekabine, keine Tendenz zur Übertreibung, sondern das Bewusstsein, dass wir hier etwas Wichtiges tun. Diese Spieler geben ihr Herz und ihre Seele, um das, was wir im Training tun, ins Spiel zu übertragen."
Spalletti ist schlau genug, Napolis große Fangemeinde in seinen Ausführungen mitzunehmen: "Jedes neapolitanische Kind beobachtet dieses Team. Wir wollen alles dafür tun, ihren Traum so real wie möglich zu machen. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber den Menschen in dieser Stadt, Menschen, die uns mit der richtigen Motivation vorangetrieben haben."
Auch wenn die CDs von Pino Daniele verschollen bleiben - Spalletti hat den Tifosi längst verziehen. Das beruht auf Gegenseitigkeit.
picture

"Nach einem Bier betrunken": Klopp über gebrochenen Auswärtsfluch

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Ähnliche Themen
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung