Owen Hargreaves im Interview zum Eklat um Jadon Sancho bei Manchester United: "Es ist beschämend"

"Puh, es sind so viele Baustellen", sagt TNT-Sports-Experte Owen Hargreaves und meint damit die Probleme bei Manchester United.

Der englische Traditionsklub stolpert durch die Premier League, schied im Liga-Pokal sang- und klanglos aus - und erlitt durch eine 0:1-Niederlage gegen den FC Bayern als Gruppenletzter in Champions-League-Gruppe A dasselbe Schicksal.

Ein Grund für die Misere liege in der Aufstellung, glaubt Hargreaves. "Bei Bayern weiß man, wer wo spielt. Da ist ein Manuel Neuer, ein Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Harry Kane. Bei United hat man dagegen das Gefühl, dass sich das Gesicht der Mannschaft in jedem Spiel ändert", so der 42-Jährige, der von 2000 bis 2007 für die Bayern-Profis auflief und dann zu den Red Devils nach Manchester wechselte.

Die konfuse Personalsituation bei Manchester führe dazu, dass es vor allem in der Defensive an Stabilität fehle. "United bekommt viel zu viele Gegentore in der Champions League", mahnt TNT Sports-Experte Hargreaves im Gespräch mit Eurosport.de:

Owen Hargreaves: Gäbe es nur einen Grund, wäre es leicht. Tatsächlich aber sind es viele Baustellen. Bayern mag nur ein Problem haben, bei United ist es eine ganze Reihe. Das fängt damit an, dass man viel zu viele Gegentore in der Champions League kassiert. Wenn sie erst einmal eines gefangen haben, neigen sie dazu, ein zweites, drittes oder viertes zu bekommen. So lassen sich keine Spiele gewinnen. In der Premier League wiederum drückt der Schuh eher im Angriff. Wenn man sich die Bayern anschaut, dann erkennt man eine Elf und weiß, wer wo spielt. Da ist ein Manuel Neuer, ein Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Harry Kane. Bei United hat man dagegen das Gefühl, dass sich das Gesicht der Mannschaft in jedem Spiel ändert.

Hargreaves: Man weiß nie, wer in der Innenverteidigung aufläuft oder welche Spieler das Trio im Mittelfeld bilden. Der Stürmer? Mal ist es Rasmus Højlund, mal Anthony Martial, mal Marcus Rashford. Es gibt keine Konstanz. United muss schnell eine Stammformation finden, der man vertraut. Denn aktuell bekommt jede Mannschaft, die gegen Manchester spielt, zu viel Platz im Mittelfeld und zu viele Torchancen. Die vielen anderen Themen - die Debatte um die Eigentümer, das Fehlen eins Sportdirektors, die hohen Investitionen in Neuzugänge, die nicht einschlagen - kommen oben drauf ...

Hargreaves: Jadon ist ein großartiger Spieler, auch wenn er sich in Manchester noch nicht auf dem Niveau wie zu Dortmunder Zeiten gezeigt hat. Wenn du ein Topspieler sein möchtest, heißt das aber nicht, dass du diese Leistung nur für ein, zwei oder drei Jahre abliefern musst. Da sprechen wir von der Konstanz eines Harry Kane, eines Robert Lewandowski, Manuel Neuer oder Thomas Müller. Sancho hat das Talent dazu, aber er musste auch erfahren, dass in Manchester noch einmal eine andere Art von Druck herrscht - zumal der Klub durch schwere Zeiten geht. Meine Hoffnung ist, dass er den Streit mit Erik ten Hag beilegen kann, denn United braucht Sancho. Seine Kreativität, seine Tore. Es ist beschämend, dass einer wie er nicht spielt und nicht mal mehr in der Kabine dabei ist.

Hargreaves: Zunächst einmal war es ein Erfolg, in der Königsklasse dabei zu sein. Es geht um Prestige, um Einkünfte. Gleichzeitig war es im Unterschied zu Real Madrid, Bayern oder Manchester City nie realistisch, den Titel anzugreifen oder das Halbfinale zu erreichen. Es gibt aus meiner Sicht nur drei bis vier Mannschaften, die wirklich die Chance haben, die Trophäe zu holen. Manchester gehört nicht dazu. Trotzdem würde das Europa-Aus den Klub hart treffen. Die Europa League wäre deshalb eine gute Option. 2017 hat United den Wettbewerb gewonnen und das ist auch heutzutage im Bereich des Möglichen.

Hargreaves: Es ist ein großer Abend für die Red Devils. Ich glaube, die Leute rechnen nicht mit einem Sieg. Wichtig ist aber, dass die Spieler den Willen zeigen, eine große Leistung abrufen und beweisen, dass sie besser sind als das, was bisher zu sehen war. Gerade die Auftritte in der Champions League waren schockierend.

Hargreaves: Die Frage wird sein, wie stark die Münchner auftreten. Spielt Harry Kane, wen stellt Thomas Tuchel auf? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Roten zwei Partien in Serie verlieren wollen. Bedeutet: Der FC Bayern ist der klare Favorit im Old Trafford. Für Manchester ist es der Worst Case, den wütenden Bayern nach einem 1:5 gegenüberzustehen. Was für United spricht: Das Team ist komplett unberechenbar, absolut verrückt. Ich erwarte eine sehr unterhaltsame Begegnung, wie immer, wenn Manchester spielt. Müsste ich tippen, würde ich 4:2 für Bayern sagen.