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FC Bayern: Mensch Pep Guardiola geht mit Tränen und Küsschen

Florian Bogner

Update 22/05/2016 um 09:51 GMT+2 Uhr

Pep Guardiola verlässt den FC Bayern München mit einem versöhnlich stimmenden Pokalsieg und zeigt dabei ungehemmte Emotionen. "Wenn alles vorbei ist, können die Dämme schon brechen", sagte Thomas Müller nach dem 4:3 n.E. im DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund. "Es war die richtige Entscheidung, diesen Wahnsinnsverein zu trainieren", schmachtete Pep. Wie die Bayern in Berlin feierten.

Pep Guardiola mit Freudentränen beim Pokalsieg

Fotocredit: Imago

Aus Berlin berichtet Florian Bogner
Thiago gab den Startschuss, Rafinha und Thomas Müller legten sogleich Hand an – und schon sauste der in Tränen aufgelöste Pep Guardiola fünfmal dem Berliner Nachthimmel entgegen; zufällig genau so oft, wie die Anzahl der nationalen Titel, die er mit dem FC Bayern München geholt hat (drei Meisterschaften, zwei Pokalsiege).
Die Spieler des FC Bayern München haben ihn also doch noch hochgeworfen wie seinen Vorgänger Jupp Heynckes, ihm dieselbe Ehre zuteil werden lassen.

Ein fast perfekter Abschied

Nach einem Halbjahr voller Dissonanzen und sogar einer gefühlten Überdrüssigkeit, dem Scheitern im Champions-League-Halbfinale gegen Atlético Madrid, wurde dem 45-Jährigen beim DFB-Pokalfinale in Berlin gegen Borussia Dortmund (4:3 n.E.) doch noch ein nahezu perfekter Abschied zuteil.
"Es war eine Riesen-, Riesenehre, hier zu sein. Nicht nur bei Bayern, in Deutschland", sagte Guardiola auf seiner letzten Pressekonferenz als Bayern-Trainer:
Es war die richtige Entscheidung, diesen Wahnsinnsverein zu trainieren. Es war eine große Erfahrung für mich. Ich wünsche Bayern München nur das Beste für die nächsten Jahre.

Pep Guardiola: Einmal Mensch statt Maschine

Nach dem entscheidenden Elfmeter von Douglas Costa ging Guardiola zunächst in die Knie, dann vergrub er schon das Gesicht in den Händen, ehe er in der Schulter seines intimen Beraters Manel Estiarte landete und seinen Tränen freien Lauf ließ. So unbeherrscht und doch menschlich hatte man Guardiola selten gesehen.
"Wenn alles vorbei ist, dann können die Dämme auch mal brechen", sagte Thomas Müller verständnisvoll.
Wenn das letzte Spiel vorbei ist, kann man auch mal Mensch sein und muss nicht Maschine sein. Dann ist der Druck weg.
Von den Gefühlen übermannt, rieb sich Guardiola immer wieder die Augen, wollte die Tränen verbergen. Zwecklos. Als er sich der Mannschaft vor der eigenen Fankurve im Osten des Olympiastadions anschloss, wollte er sie alle knuddeln.

Siegerfaust, Küsschen und ein irritierter Pep

In der Reihenfolge Alaba, Rafinha, Boateng, Kimmich, Thiago, Robben, Ulreich, Lahm, Vidal, Rode, Martínez umarmte er fast alle seine Spieler, herzte, wuschelte und watschte sie, während die Tränen aus roten Augen liefen und liefen.
Auf dem Rückweg zum Podium suchten seine Blicke seine Familie, fanden sie schließlich, Pep schickte die Siegerfaust und Küsschen auf die Ränge, wirkte gelöst, richtiggehend frei.
"Die letzten fünf Monate waren nicht einfach", gab er zu. Auch, weil ihm viel Gegenwind entgegen geschlagen war seit seiner Verkündung, kommende Saison Manchester City trainieren zu wollen.
Was die Leute über mich gesagt haben, bevor ich meine Entscheidung getroffen habe, war komplett anders, als danach. Ich verstehe das nicht, aber so ist wohl mein Beruf.

Pep bleibt noch eine Woche in München

Er geht mit 121 Siegen aus 161 Spielen, einer Siegquote von über 75 Prozent, als zweifacher Double-Gewinner, dreimaliger Meister. Und mit Genugtuung.
"Für mich sind Titel nur Nummern. Aber die Fans sind jetzt zufrieden. Diese drei Jahre beim FC Bayern waren für mich überragend. Ich werde meine Spieler vermissen", sagte er.
Zum Abschluss steht am Sonntagnachmittag noch eine weitere Stippvisite auf dem Münchner Rathausbalkon an. Die Saison will Guardiola noch sieben bis zehn Tage in München ausklingen lassen, alles regeln, ehe es in den Urlaub und dann nach Manchester geht.

Alaba versprüht Feuerlöscher

Während Guardiola vor allem erlöst wirkte, feierten die Spieler ausgelassen. Thomas Müller bemächtigte sich auf dem Platz einer Eckfahnenstange, David Alaba versprühte ausgelassen die Ladung eines Feuerlöschers vor den eigenen Fans.
Der heimliche Star der Partie, Joshua Kimmich, bekam wegen seines Fehlschusses von Thomas Müller einen neuen Spitznamen verpasst. "Daniel", sagte Kimmich, "von Daniel Düsentrieb – weil mir vor dem Elfer die Düse ging".
Es machte am Ende nichts, dass er als dritter Schütze mit seinem zu coolen Versuch (Ribéry: “So einen Elfmeter habe ich noch nie gesehen…”) nicht traf – beim BVB hatten mit Sven Bender und Sokratis zuvor schon zwei verschossen.

Kimmich bringt den Pokal zum Bankett

Auf dem Weg zur Pokalparty, die erst nach 1 Uhr losging, hörte man im Bus Schlager wie "Atemlos" von Helene Fischer, immer wieder klopften die Spieler an die Scheiben.
Den Pokal durfte Kimmich aufs Bankett bringen. Im Hauptstadtquartier der Telekom, der gewohnte Berliner Partyort der Bayern, gaben zunächst David Alaba und Thomas Müller mit dem Mikro in der Hand auf der Bühne den Ton an, Thiago spielte Schlagzeug. Später übernahm eine Coverband. Arturo Vidal bekam zum 29. Geburtstag Torte, Ständchen und Magnum-Flasche.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bedankte sich “bei einer Mannschaft, die großartig ist” und hob Guardiola, na klar, besonders hervor.

Rummenigge spricht Champions League an

"Komm her, Pep", forderte er ihn eingangs seiner kurzen Bankettrede auf, nahm ihn kumpelhaft in den Arm und lobte: "Wir haben eine Erfolgsstory erlebt, die ihres Gleichen sucht." Guardiola sei es gelungen, das Niveau nach Heynckes hoch zu halten, andere wären eingebrochen.
Ein wunder Punkt wurmte ihn dann aber doch noch. Rummenigge:
Es ärgert mich, dass wir nicht noch eine Woche länger zusammenarbeiten – eigentlich hätten wir es verdient, in Mailand zu sein.
Gemeint: beim Champions-League-Finale. Guardiola nickte. Auch dieser Wunsch: menschlich. Es tat in der Nacht zum Sonntag nur nicht mehr ganz so schlimm weh.
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