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EM 2016: So triumphierte Wales im Viertelfinale über Belgien

Florian Bogner

Publiziert 02/07/2016 um 01:09 GMT+2 Uhr

Wales schlägt Belgien im EM-Viertelfinale - und das verdient mit 3:1! Das Team um Gareth Bale nutzte dabei die Schwachstelle in Belgiens Abwehr eiskalt aus, spielte entgegen aller Erwartungen offensiv stark zusammen und hat mit Chris Coleman vielleicht sogar den Trainer des Turniers an der Seitenlinie. Was uns beim Sieg des Underdogs gegen Eden Hazard, Kevin De Bruyne und Co. auffiel.

Wales steht im Halbfinale der Europameisterschaft

Fotocredit: SID

1.) Wales nutzt Belgiens Schwachstelle

Wales' erster Halbfinal-Einzug der Geschichte folgte einer klaren Marschroute: Nutze die Schwachstelle! Belgien musste mit Thomas Vermaelen (Gelbsperre) den linken Innenverteidiger und mit Jan Vertonghen (Knöchel) den Linksverteidiger ersetzen - also griff Wales vor allem über rechts an.
Immer wieder schob der starke Außenverteidiger Chris Gunter nach vorne, suchte den Doppelpass mit Joe Allen oder Gareth Bale. Aaron Ramsey war sowieso immer anspielbar. Nach Schema R, wie Rechts, gelang es Wales nach der kurzen, mit dem 1:0 belohnten, Drangphase der Belgier ins Spiel zu kommen und es nicht mehr loszulassen. "Wir haben Belgien überrascht", sagte Trainer Chris Coleman:
Wir waren nicht hier, um nur Spaß zu haben. Wir wollten ums Halbfinale kämpfen. Wir wussten, dass wir was zu bieten haben.
Eiskalt nutzten die Waliser die mangelnde Rückwärtsbewegung der belgischen Offensivspieler aus, die den Sechsern Radja Nainggolan und Aksel Witsel reichlich Wiese zum Verteidigen hinterließen und stießen dann oft in den Raum hinter Linksverteidiger Jordan Lukaku, der mit nur 21 Jahren wie sein Nebenmann Jason Denayer (21) erstmals bei einem großen Turnier auf dem Platz stand und heillos überfordert wirkte.
"Wir wussten, dass wir ein Tor schießen werden", sagte Allen hinterher. "Und ehrlich gesagt: nach dem Ausgleich war uns allen bewusst, dass wir das Ding gewinnen können."
Schon vor dem ersten Tor durch Ashley Williams (31.) nach einer Ecke brandeten Waliser Angriffe über rechts vors Tor; das 2:1 von Hal Robson-Kanu (55.) und das 3:1 des eingewechselten Sam Vokes (86.) wurden dann klassisch von Ramsey und Gunter über die rechte Seite vorbereitet.
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Sam Vokes jubelt über das 3:1

Fotocredit: AFP

2.) Offense wins Championships

Der Name Wales und das 5-3-2-System gegen den Ball suggeriert hierzulande automatisch: destruktiver Defensivfußball! Tatsächlich hat kein EM-Team zu diesem Zeitpunkt mehr Tore erzielt als Wales (10) und nur Belgien präziser aufs Tor getroffen (36 gegenüber 30 Schüsse aufs Tor).
Sicher: Wales wird bei dieser EM kein K.o.-Spiel mit über 50 Prozent Ballbesitz bestreiten. Das will Trainer Chris Coleman aber auch gar nicht. Gegen Belgien reichten 48 Prozent Ballbesitz für ein leichtes Chancenplus, ein Torschussverhältnis von 15:14 und einen letztlich verdienten Halbfinal-Einzug.
Zugute kommt dem Waliser Offensivspiel, dass die Mittelfeldspieler Joe Allen, Joe Ledley und Aaron Ramsey kaum leichtfertige Ballverluste produzieren. Aufgrund der nahezu perfekten Raumaufteilung des 5-3-2, das im Ballbesitz zum 3-4-2-1 wurde, bleibt notfalls immer ein freier Mann außen oder hinterm Ball, den man anspielen kann.
"Allen, Ramsey und Bale können alle mit dem Ball umgehen. Das ist ungeheuer wichtig für unser Team. Wir wollten bei unseren Stärken bleiben, unsere Identität zeigen. So haben wir gewonnen", sagte der Coach. Und die ist eben nicht: pur destruktiv, sondern durchaus fein anzusehen.
Indiz dafür: Obwohl Wales bei Balleroberung meist stringent nach vorne spielte und nicht unbedingt auf Ballhalten bedacht war, hatte mit Ausnahme von Eins-gegen-Eins-Waffe Gareth Bale und Stürmer Robson-Kanu kein Feldspieler eine schlechtere Passquote als 88 Prozent.

3.) Coleman macht sich berühmt

Chris Coleman trat 2012 ein schweres Erbe an, als er Wales nach dem Selbstmord seines Freundes Gary Speed übernahm. Sein Land hatte zuvor als Gruppenvierter der Quali hinter England, Montenegro und der Schweiz die EM verpasst und dümpelte in der FIFA-Weltrangliste um Rang 50 herum.
Viereinhalb Jahre später steht Wales im EM-Halbfinale - und das ist zu großen Teilen Colemans Verdienst. So auch gegen Belgien: Der Coach nahm seiner Mannschaft offensichtlich die Furcht vor dem individuell überlegenen Gegner, legte ihr einen ausführbaren Matchplan zurecht und befeuerte sein Team durch die richtigen Wechsel vor und während des Spiels.
"Das macht das Team aus: Wir geben niemals auf. Es braucht schon was Besonderes, um uns aufzuhalten", sagte Joe Allen. "Nach dem Rückstand haben wir einfach weitergespielt, ohne Angst", sagte Williams. "Unser Team hat großen Charakter."
Sturmkante Hal Robson-Kanu gegen die unerfahrene belgische Abwehr wieder ins Team zu werfen, erwies sich jedenfalls - siehe Traumtor zum 2:1 - als goldrichtig. Der für Robson-Kanu draußen gelassene Vokes wiederum war als Joker so heiß, dass er nur sechs Minuten nach seiner Einwechslung traf (86.).
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Robson-Kanu feiert sein Tor gegen Belgien

Fotocredit: Imago

Blöd für Wales: Im Halbfinale gegen Portugal am Mittwoch in Lyon (21 Uhr im Liveticker) fehlen der überragende Aaron Ramsey (vier Torvorlagen) und der linke Innenverteidiger Ben Davies gelbgesperrt.
"Ich leide mit Aaron", sagte Coleman, "er war fantastisch. Er ist einer der besten Spieler des Turniers. Aber wir wussten alle, dass das passieren kann und dass es im Fall der Fälle getan werden muss. Sie haben sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Nichtsdestotrotz sind 'Rambo' und 'Ben' ein großer Verlust für uns. Ohne sie wären wir nicht hier."
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Aarson Ramsey

Fotocredit: Eurosport

Auf dem Papier sind die Alternativen Andy King bzw. Jonathan Williams für Ramsey sowie James Collins für Davies deutlich schwächer. Aber mit Coleman an der Seitenlinie ist auch ihnen zuzutrauen, gegen Ronaldo und Co. über sich hinaus zu wachsen.
Wie sagte Coleman?
Ich habe tolle Spieler, die nie aufgeben. Man darf vor Träumen keine Angst haben.
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"Please don't take me home!" So feiert Wales das Halbfinale

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