EuroScout: Mattia De Sciglio - Junges Gemüse unter reifen Früchten

Vor jedem großen Turnier zerbrechen sich Fußball-Fans und -Experten den Kopf über die potentiellen Titelkandidaten. Holt sich Deutschland nach der Welt- auch die Europameisterschaft? Kann Gastgeber Frankreich seinen Heimvorteil nutzen?

Italien hingegen, vor vier Jahren noch Halbfinalbezwinger der DFB-Elf, tauchte nur selten im Kreis der mutmaßlichen Favoriten auf. Zu alt, ohne die beiden Mittelfeld-Stammkräfte Marco Verratti und Claudio Marchisio, die bei der EM verletzungsbedingt zuschauen müssen, zu schwach besetzt, zu defensiv eingestellt – nur drei Beispiele der Prophezeiungen.

Die Realität sieht, rund drei Wochen nach Turnierbeginn, anders aus: Souveräner Gruppensieger, ein beeindruckender 2:0-Erfolg gegen den amtierenden Europameister Spanien. Die "Alten" agieren frisch, konzentriert und vor allem die Hintermannschaft um die Routiniers Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini lässt kaum Torchancen des Gegners zu. Reife Früchte, bei denen die Gärung noch lange nicht eingesetzt hat. Aber: Die "Squadra Azzurra" wartet – obwohl sie die älteste Mannschaft in Frankreich stellt – auch mit jungem, mit frischem Gemüse auf: Mattia De Sciglio beispielsweise.

Spieler: Mattia De Sciglio

Geburtsdatum: 20. Oktober 1992

Geburtsort: Mailand

Nationalität: Italien

Größe: 1,83

Fuß: rechts

Position: Außenverteidiger

Derzeitiger Klub: AC Mailand

Rückennummer im Klub: 2

Bisherige Klubs: Cimiano

De Sciglio wurde in Mailand geboren und begann seine Karriere im Alter von neun Jahren beim kleinen Klub Cimiano. Nach nur einem Jahr wurden die Talentspäher des AC Mailand auf den talentierten Defensivmann aufmerksam und boten ihm an, für die Jugendabteilung des Traditionsklubs zu spielen.

Nachdem De Sciglio alle U-Mannschaften durchlaufen hatte, debütierte er am 28. September 2011 für die Profis, als er im Champions-League-Gruppenspiel gegen Viktoria Pilsen den etatmäßigen Rechtsverteidiger Ignazio Abate in der 87. Minute ersetzte.

Zu Beginn der Saison 2012/13 beschloss der damalige Trainer der "Rossoneri", Massimiliano Allegri, seinem Youngster die ehrwürdige Nummer 2 zu verleihen. Nimmt diese Rückennummer bei anderen Klubs zumeist keine wichtige Rolle ein, zählt sie bei Milan zu den beliebtesten Trikots überhaupt.

"In der nächsten Saison werde ich ein wichtiges Trikot tragen, das in der Vergangenheit von großartigen Spielern wie Mauro Tassotti und Cafu getragen wurde. Ich hoffe, ich kann ihm gerecht werden", hatte De Sciglio damals verkündet. Er wurde ihm gerecht – zumindest am Anfang seiner noch jungen Karriere.

Der 25-fache Nationalspieler, der als eine der größten Hoffnungen Italiens gilt, bestach durch Eigenschaften, die einen modernen Außenverteidiger ausmachen. De Sciglio rieb sich auf, nahm das laufintensive Spiel an der Linie an, zeigte sich offensivfreudig und leidenschaftlich im Abwehrverbund.

Milan-Ikone Paolo Maldini adelte den neuen Stern am derzeit (aus fußballerischer Sicht) grauen Himmel der Modestadt. "Ich glaube, Mattia kann den gleichen Weg wie ich bei Milan gehen. Viele Dinge laufen gerade nicht gut bei uns, aber er ist ein Spieler, der eine ähnliche Karriere haben kann", hatte Maldini, der mit den "Rot-Schwarzen" zweimal die Champions-League sowie sieben italienische Meisterschaften gewinnen konnte, über De Sciglio gesagt.

Durch Knieprobleme und damit verbundenen Ausfallzeiten, findet sich der 23-Jährige mittlerweile häufig auf der Bank wieder. Der anfängliche Hype um ihn ist abgeklungen. In der abgelaufenen Saison kam der Defensivmann lediglich 22-mal in der Liga zum Einsatz, musste zu Beginn der Rückrunde fünf Spiele am Stück komplett von der Bank verfolgen. "Ich habe das mit dem Mentaltrainer aufgearbeitet. Er hat mir dabei geholfen, mein Selbstbewusstsein und die Freude am Fußball zurückzugewinnen. Ich habe damals ehrlich an mir gezweifelt", verriet der Youngster jüngst.

In Frankreich sorgt De Sciglio, der wohl auch gegen Deutschland von Beginn an spielen wird, für Aufsehen. Im ersten Gruppenspiel gegen Belgien ersetzte er den enttäuschenden Matteo Darmian von Manchester United im linken Mittelfeld und wusste zu überzeugen.

Einzig beim knappen 1:0-Sieg gegen Schweden musste er zuschauen, um in der letzten Vorrundenpartie gegen Irland erstmals von Beginn an spielen zu dürfen. Seinen wohl besten Auftritt hatte der Milan-Profi allerdings beim überraschend deutlichen Achtelfinal-Sieg gegen Mitfavorit Spanien.

De Sciglio schaltete sich engagiert ins Offensivspiel ein und brachte teils sehenswerte Flanken, ohne die Arbeit nach hinten zu vernachlässigen. Die sonst so spielstarken Iberer hatten Probleme, sich über die Außen durchzusetzen. Juanfran, Spaniens Rechtsverteidiger, Nolito oder David Silva kamen an dem technisch versierten Flügelspieler kaum vorbei, verzweifelten am insgesamt sehr organisierten Defensivkonstrukt der Mannschaft von Antonio Conte.

Vor dem Klassiker gegen den Weltmeister weiß De Sciglio:

Bleibt aus deutscher Sicht nur zu hoffen, dass Thomas Müller und Joshua Kimmich, die voraussichtlich am häufigsten auf den Rechtsfuß treffen werden, beim letzten Spiel der Italiener ganz genau hingeschaut haben. Gelingt es der Mannschaft von Jogi Löw, die starke linke Seite auszuschalten, dann könnte das azurblaue Abwehrbollwerk erheblichen Schaden nehmen.