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Drei Dinge, die bei England gegen Schottland auffielen: Southgate verschmäht Sancho

Florian Bogner

Update 19/06/2021 um 11:06 GMT+2 Uhr

England spielt gegen Schottland nur 0:0, scheint mit dem Remis im zweiten EM-Spiel aber nicht mal unzufrieden zu sein. Trainer Gareth Southgate scheut dabei das letzte Risiko und lässt Jadon Sancho wie Jude Bellingham auf der Bank schmoren. Die Offensive um Harry Kane überzeugt allerdings abermals nicht. Die Schotten verdienen sich dafür Respekt. Was uns in Wembley auffiel.

England spielt nur 0:0 gegen Schottland

Fotocredit: Getty Images

Als Antonio Mateu Lahoz abpfiff, waren vereinzelte Buhrufe deutlich zu vernehmen.
Während sich Schottlands "Tartan Army", wie sich die Fans selbst nennen, diebisch über den Punktgewinn im Heiligtum des Erzrivalen freuten, gingen Englands Fans nach dem 0:0 in Wembley unbefriedigt nach Hause.
Mit nur einer klaren Torchance blieben die Three Lions gegen den Nachbarn aus dem Norden klar unter ihren Möglichkeiten; Schottland schoss insgesamt sogar häufiger aufs Tor (11:9) und verdiente sich den ersten Punktgewinn bei einer EM seit 1996, als man England noch 0:2 unterlegen war, redlich.
"Wir hatten die besseren Chancen", meinte Schottland-Kapitän Andrew Robertson vom FC Liverpool stolz: "Wir haben den Ball zeitweise supergut gehalten und sie frustriert. An einem anderen Abend fahren wir vielleicht sogar mit mehr nach Hause."
Englands Tyrone Mings war weniger angetan. "Wir sind enttäuscht, weil wir besser spielen können", meinte der Innenverteidiger von Aston Villa: "Das Spiel gegen Tschechien wollen wir jetzt unbedingt gewinnen."
Drei Dinge, die uns in Wembley auffielen.

1. Schottland verdient sich Respekt

Keine Frage: Das 0:2 gegen Tschechien zum Auftakt war mehr als unglücklich. So standen die Schotten gegen den Erzrivalen schon mit dem Rücken zur Wand. Und auch, wenn es vor allem aufgrund der unterdurchschnittlichen Offensive nicht mit dem ersten Sieg gegen das große England seit 1999 klappte, so verdiente sich Schottland in Wembley doch den größten Respekt.
Dass Trainer Steve Clarke die Dreierkette auf zwei Positionen umbesetzte und neben der Rückkehr von Kieran Tierney Scott McTominay in die Innenverteidigung zurückzog, wo der 24-Jährige im Nationaltrikot schon öfter glänzend agiert hatte, zahlte sich defensiv voll aus.
So kam nur John Stones mit seinem wuchtigen Kopfball an den Pfosten einem Torerfolg für England nahe (11.). Keeper David Marshall musste ansonsten nur einen Schuss von Mason Mount parieren (48.). Ab Minute 74 schossen die Three Lions sogar gar nicht mehr aufs Tor.
Offensiv schaffte es Schottland dagegen immer wieder, für Entlastung zu sorgen. Auch die ein oder andere einstudierte Kombination nach Standards fand Anklang. Und auch wenn die ganz große Qualität vor dem Tor fehlte: 11:9 Torschüsse in Wembley sind ein achtbarer Erfolg.
"Wir haben eine unglaubliche Leistung gezeigt und alles gegeben. Wir haben super verteidigt und als ganzes Team füreinander gekämpft", meinte der erst 20 Jahre alte Billy Gilmour vom FC Chelsea, der in seinem ersten Match von Beginn an für die Nationalmannschaft gleich zum Man of the Match gewählt wurde. "Jeder Spieler war heute Abend herausragend", freute sich Callum McGregor.
Ein bisschen Glück - Robertson stiegt Raheem Sterling elfmeterverdächtig auf den Fuß (79.) - gehörte am Ende aber auch noch dazu.
Der Achtelfinaleinzug ist damit noch möglich - ein Sieg im letzten Spiel vorausgesetzt. "Wir glauben schon, dass wir gegen Kroatien eine Chance haben", sagte Gilmour: "Da werden wir nochmal alles raushauen."

2. Englands Offensive stottert

Nach der mit Platz vier so erfolgreichen WM 2018 hatte England 2019 ein echtes Sahnejahr: 38 Tore produzierte die Offensive der Three Lions in zehn Länderspielen. Zwei Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig. Denn die letzten Ergebnisse der Truppe von Gareth Southgate lesen sich so: 2:0, 2:1, 1:0, 1:0, 1:0, 0:0 – zu wenig für die hohen Ansprüche im Mutterland des Fußballs.
Gegen Schottland vermochte es die offensive Dreierreihe bestehend aus Sterling, Mount und Phil Foden erneut nicht wirklich, Sturmtank Harry Kane in Szene zu setzen oder selbst mal entscheidend im Strafraum zum Abschluss zu kommen.
Am gefährlichsten wirkte da noch der Torschütze aus dem Kroatien-Spiel, Sterling. Neben lichten Momenten nahm sich der ManCity-Angreifer aber auch immer wieder Kunstpausen oder verlangsamte den Spielfluss, weil er mit Ball am Fuß einfach stehen bleib. So war Mount mit drei Distanzschüssen der abschlussfreudigste Engländer.
Den hohen Erwartungen wurde auch Sterlings ManCity-Kollege Foden nicht gerecht, der durch seinen Blondschopf selbst offensiv den Vergleich mit dem 1996er-Torschützen gegen Schottland, Paul Gascoigne, gesucht hatte.
Was Foden ablieferte, war jedoch gar nicht Gazza-like: der Außenangreifer war gerade mal an zwei Offensivaktionen beteiligt (ein Schuss, eine Vorlage) und wurde schon in der 63. Minute gegen den von der englischen Öffentlichkeit geforderten Jack Grealish ausgewechselt. Der enttäuschte jedoch als Joker und blieb gänzlich ohne Torschussbeteiligung.
"Er war nicht unsere beste Leistung, wir haben uns nicht genügend Chancen herausgespielt", musste Kapitän Kane nach dem Spiel eingestehen: "Kompliment an Schottland, sie haben stark verteidigt und sehr gut dagegengehalten. Das Remis geht in Ordnung."
Für das letzte Gruppenspiel gegen Tschechien wird sich Southgate Änderungen überlegen müssen; Grealish, Marcus Rashford und Jadon Sancho sind die Alternativen.

3. Southgate verwundert – oder alles Taktik?

Den Sieg über den kleinen Nachbar hätten die Engländer schon ganz gerne eingefahren – so viel ist sicher. Mit der Brechstange und der letzten Aufopferung versuchten es die Three Lions in der Schlussphase aber nicht, obwohl sie durch das 0:0 nun schon einen Sieg gegen Tschechien im letzten Gruppenspiel brauchen, um Erster zu werden.
Die Konstellation in Gruppe D mit Blick aufs Achtelfinale lässt aber auch eine andere Vermutung zu: jene nämlich, dass es den Engländern im Zweifel sogar ganz recht sein könnte, die Gruppe nur als Zweiter abzuschließen.
Dann geht man im Achtelfinale einem Duell mit dem Zweiten der Gruppe F aus dem Weg, in der sich ja bekanntlich Frankreich, Portugal und Deutschland tummeln.
Als Zweiter der Gruppe D bekommt man es im Achtelfinale dagegen "nur" mit dem Zweiten der insgesamt schwächer einzuschätzenden Gruppe E (Spanien, Schweden, Polen, Slowakei) zu tun – das dann allerdings nicht in Wembley, sondern in Kopenhagen. Man würde also den Königsweg mit potenziell sechs von sieben Spielen in der Heimat bis zum Finale verlassen.
Vielleicht spukte Southgate diese Konstellation ein bisschen im Hinterkopf herum, als er seine Spieler in der Schlussphase eher zügelte als pushte, nur zwei seiner fünf möglichen Wechsel nutzte und in der 74. Minute sogar seinen Top-Angreifer Kane vom Feld nahm.
BVB-Star Sancho, den Southgate gegen Kroatien komplett aussortiert hatte, ließ er diesmal 90 Minuten auf der Bank sitzen – Sancho steht bei dieser EM also weiter bei null Einsatzminuten. Ebenso ohne Einsatz gegen Schottland blieb Jude Bellingham, der weitere Dortmunder, der in der Schlussphase durchaus eine Alternative zu Declan Rice oder Kalvin Phillips gewesen wäre.
Doch Southgate konnte mit einem Punkt offenbar gut leben. "Es war ein ultrawichtiges Spiel", meinte Keeper Jordan Pickford: "Wenn du es nicht gewinnen kannst, darfst du es auf keinen Fall verlieren." Und Kane schloss: "Das ist kein schlechtes Ergebnis. Wir sind dem Achtelfinale ein großes Stück nähergekommen."
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