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Der LIGAstheniker: Julian Nagelsmanns Regierungserklärung macht Hoffnung - so könnte es was werden mit der Heim-WM

Thilo Komma-Pöllath

Update 18/12/2023 um 15:43 GMT+1 Uhr

Julian Nagelsmann legte am Samstagabend im "Sportstudio" einen bemerkenswerten Auftritt hin. Der Bundestrainer plauderte über alle möglichen DFB-Baustellen und dürfte mit einigen Aussagen vielen Fans Hoffnung auf eine erfolgreiche Heim-EM gemacht haben. Auch der LIGAstheniker zeigt sich von der Darbietung des Ex-Bayern-Übungsleiters beeindruckt. Über eine Regierungserklärung mit Strahlkraft.

Bundestrainer Julian Nagelsmann

Fotocredit: Getty Images

Liebe SportsfreundInnen,
Es sind Krisenzeiten, wer möchte es bestreiten. Kriege, Energie, Haushalt, Klima - Anfang der Woche gab Bundeskanzler Olaf Scholz seine Regierungserklärung dazu ab. Der Chef selbst muss das Volk beruhigen, eine Perspektive aus der vermaledeiten Situation liefern, Mut und Hoffnung geben, so ist das üblich.
In Deutschland aber gibt es noch einen weiteren Krisenherd, nicht so existentiell freilich, aber doch eine Krise, die auf die Stimmung im Land drückt: Der Fußball. Genauer: die Deutsche Nationalmannschaft.
Und wer den Auftritt von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Wochenende im "ZDF-Sportstudio" gesehen hat, der einer Fußballregierungserklärung gleich kam, der kann zumindest sportlich für 2024 wieder hoffen: So könnte es vielleicht doch noch klappen mit einer erfolgreichen Heim-EM im kommenden Jahr.
Es war ein beeindruckender Auftritt eines Bundestrainers, dessen Bilanz sich bisher so wenig beeindruckend liest (4 Spiele, zwei Niederlagen, eine gegen Österreich!), dass einige Kommentatoren nach dem Kurzintermezzo von Hansi Flick auch schon Nagelsmanns Ablösung forderten. Das ist, mit Verlaub, natürlich Unsinn. Das Problem liegt tiefer.

Nagelsmann selbstkritisch und eloquent

Wie tief, das zeichnete Nagelsmann am Samstag im Gespräch mit "ZDF"-Moderator Jochen Breyer in erstaunlicher Detailschärfe nach. Hier war ein Bundestrainer angetreten, um dem interessierten Fan und Zuschauer einen Werkstattblick in seinen hochkomplexen Job mit zu geben, den angeblich 80 Millionen genauso gut könnten.
Noch so ein Irrsinn des Fußballs, schließlich käme niemand auf die Idee, sich selbst für den bessern Bundeskanzler zu halten, völlig egal wer es gerade ist. Nagelsmann lieferte mit seiner selbstkritischen Eloquenz mehr Erkenntnisgewinne als Jogi Löw in der Summe seiner Interviews in 15 Jahren Amtszeit. Im Grunde war es sogar eine Abkehr vom Prinzip Löw, so muss man seine Ausführungen wohl lesen. "Alles auf null setzen", so sagte es Nagelsmann im "ZDF".
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Julian Nagelsmann

Fotocredit: Getty Images

Er möchte lieber über Typen reden statt über Namen reden, sagte Nagelsmann, das war bei Löw noch völlig anders. Typen, die irgendwie anders waren, sperrig, ungehobelt, nicht so einfach integrierbar, die hat Jogi lieber kurzfristig zuhause gelassen (Leroy Sané etwa vor WM 2018 in Russland), man hat den Eindruck, Nagelsmann hat verstanden, dass er ohne diese Typen seine "Kaderstruktur", von der er gleich mehrmals spricht, gar nicht bauen kann.

Nagelsmann gegen die Selbstgenügsamkeit

An anderer Stelle, es ging um die erodierende Einstellung seiner Truppe bei den Spielen zuletzt, sprach er davon dass Mentalität sich oft gegen Qualität durchsetze. Vielleicht ist gar nicht so entscheidend, ob Rohlinge wie Robert Andrich, Grischa Prömel oder Pascal Groß, die er zuletzt berufen hatte, in Zukunft eine übergroße sportliche Rolle spielen werden. Und doch wird deutlich, was er sich davon erhofft: eine Frischluftzufuhr für das Binnenklima einer Nationalmannschaft, deren Selbstgenügsamkeit seit Jahren das größte Problem darstellt.
Interessant dabei ist, dass die DFB-Elf auf der Verbandsseite immer noch als "Die Mannschaft" geführt wird, eine groteske Anmaßung, eine Lächerlichkeit angesichts des aktuellen sportlichen Vermögens, die man doch längst hinter sich lassen wollte.
Das in trister Mittelmäßigkeit festgezurrte Denken im Verband ist sicherlich das größte Hindernis zum Aufbruch für den "genialen Trainer" (Breyer), der nach eigenem Bekunden das "Emotionsniveau" seiner Auswahl nach oben reißen will. Besser: muss.

Kehrt Kroos zurück?

Zuletzt wirkten die DFB-Auftritte so kühl und künstlich, dass man Mühe hatte ausreichend Karten zu verkaufen. Aber wie soll das gehen? Nagelsmann, der das Spiel in seiner komplexen Vielschichtigkeit durchschaut, aber als Bundestrainer gar kein klassischer Fußballtrainer ist, dafür wird viel zu wenig trainiert, sondern vielmehr als Psychologe und systemischer Coach gefragt ist.
Als einer, der Anstöße von außen gibt, um das Mischungsverhältnis der "Typen" so zu optimieren, dass am Ende so etwas wie eine chemische Reaktion auf dem Rasen passieren kann. Am Ende seiner Fußballregierungserklärung im "ZDF" deutete er an, durch wen diese Verbindung hervorgerufen werden könnte.
Nicht durch Manuel Neuer, der bei ihm gesetzt im Tor steht, nicht durch Joshua Kimmich, der den Rechtsverteidiger geben soll, auch nicht durch den stillen und netten Ilkay Gündogan, den er offensiver sieht. Der natürliche Leader dieses Teams könnte für eine letzte große Show ausgerechnet der meinungsfreudige und durchaus streitbare Toni Kroos werden. Eine Type wie gemacht für diesen Bundestrainer Julian Nagelsmann.
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