EM 2024: Im vorletzten Test der deutschen Nationalmannschaft wackeln Ilkay Gündogan und Kai Havertz für die Startelf

Nach dem 0:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine im vorletzten Test vor der Europameisterschaft stellen sich Bundestrainer Julian Nagelsmann noch einige Fragen. Einige Akteure aus der zweiten Reihe empfehlen sich für größere Aufgaben - die Plätze in der Startformation von Kapitän Ilkay Gündogan und Stürmer Kai Havertz könnten nach schwächeren Auftritten wackeln.

Dämpfer für DFB-Team im Test gegen Ukraine: Remis statt Rückenwind

Quelle: SID

Kein Durchkommen. Der Kabinentrakt rund um den Spielertunnel wurde von der örtlichen Polizei weiträumig abgesperrt.
Weil Bundeskanzler Olaf Scholz der deutschen Nationalmannschaft nach dem 0:0 im vorletzten EM-Test gegen die Ukraine seine Aufwartung machte und in der Kabine ein paar Worte an die Spieler und das Trainerteam richtete, herrschte Sicherheitsstufe eins unterhalb der Haupttribüne des Max-Morlock-Stadions von Nürnberg.
"Er hat uns viel Glück gewünscht und gesagt, dass das Land hinter uns steht. Die Daumen sind gedrückt", berichtete Bundestrainer Julian Nagelsmann vom hohen Besuch elf Tage vor dem Start der EM mit dem Eröffnungsspiel gegen Schottland am 14. Juni.
In Begleitung von DFB-Sportdirektor Rudi Völler, Präsident Bernd Neuendorf und Geschäftsführer Andreas Rettig wurde es ein kurzer Auftritt des Kanzlers in einer stillen, ehrfürchtig lauschenden Kabine, keine ellenlange Politikerrede. "Er wusste, dass ich vorher viel zur Mannschaft gelabert habe", meinte Nagelsmann, "daher wollte er sich kurzhalten."

"Manchmal gibt es so Tage"

Rein sportlich gab es einiges zu besprechen - trotz der überlegen geführten Partie gegen die Ukraine, aktuell die Nummer 22 der FIFA-Weltrangliste. Das DFB-Team, auch nur auf Rang 16 platziert, kam Ende auf 27:6 Torschüsse, betrieb Chancenwucher.
Ein Dämpfer? Eher ein Warnschuss, dass es auch bei der EM gegen defensiv-orientierte, tief-stehende Gegner schwierig werden dürfte. Alle drei Vorrunden-Gegner, die Schotten, die Ungarn sowie die Schweizer werden ihr Heil gegen den EM-Gastgeber nicht in der Offensive suchen.
"Gegen so einen tiefen kompakten Block des Gegners musst du erst einmal 27 Abschlüsse haben. Es waren Chancen dabei, die mit ein bisschen Glück auch reingehen", sagte Nagelsmann und behauptete: "Wenn wir das 1:0 machen, dann fällt auch noch das zweite oder dritte Tor."
Routinier Thomas Müller, der in seinem 129. Länderspiel nach einer guten Stunde als Joker reinkam, meinte: "Ein Tor hätten wir verdient gehabt. Es war nicht so, dass wir leichtfertig Chancen vergeben haben, aber manchmal gibt es so Tage."

Die Champions-League-Finalisten fehlen noch

Ohne vier trat die Nationalelf an, aber de facto ohne zwei Stammspieler, die Champions-League-Sieger Toni Kroos und Antonio Rüdiger von Real Madrid. Für den Abwehr-Boss begann Waldemar Anton neben Jonathan Tah. Auf der Sechs ersetzte Pascal Groß den Größten, den Mann mit den 34 Karriere-Titeln: Kroos.
Die Ersatzleute mühten sich, dennoch fehlten Struktur und Kreativität im Spiel nach vorne. Dabei sollten alle ihre Rollen innerhalb des Teams und der Hierarchie kennen und die zugeteilten Aufgaben erfüllen.
"Wir versuchen schon, die Rollen auch bei den Tests durchzuziehen", kündigte Nagelsmann vor Anpfiff in der "ARD" an, wenngleich er "Rücksicht auf die Belastung" nehmen wollte. Gut Ding will Weile haben. Seine Warnung ans Personal lautete: Es gäbe "keinen Freifahrtschein".
Dabei schien die Startelf bereits zu stehen. Den Flow aus den beiden März-Länderspielen, den doppelten Euphorie-Dosenöffnern, als das DFB-Team Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) bezwungen hatte, wollte man mitnehmen.

Gündogan und Havertz ohne Punch nach vorne

Und Konstanz reinbringen in die Personalauswahl. In vorderster Front agieren Ilkay Gündogan als Zehner, von Nagelsmann weiter nach vorne beordert, da Kroos als Chef-Stratege ins Mittelfeld-Zentrum zurückkehrte. Und Kai Havertz gibt eine hängende Spitze, die gegen die Ukraine doch ziemlich viel hing - und zwar in der Luft.
Beiden fehlten Durchschlagskraft, Torgefährlichkeit strahlten sie nicht aus. Gündogan vergab nach einer Viertelstunde völlig frei das 1:0, bekam nach der Flanke von Groß seinen Kopfball nicht gesetzt. Ein klassischer Mittelstürmer wird nicht mehr aus Deutschlands Fußballer des Jahres, auch Havertz behagt diese Rolle nicht.
Wackeln die beiden? Oder schützt Gündogan sein Status als Kapitän, festgelegt noch von Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick? "Das Kapitänsamt hat für mich nicht die Riesenbedeutung, der Kapitän ist eher ein Repräsentant der Mannschaft", erklärte Nagelsmann. "Die Spieler sollen das Gefühl haben, sie dürfen immer zu ihm kommen und er vertritt ihre Interessen." Klingt nicht nach sportlichem Freifahrtschein.
Die Alternativen im Kader sind immens, vor allem in der Offensive. Da wäre der Dortmunder Niclas Füllkrug, der bereits am Montag zum DFB-Team gestoßen war. Der Zielspieler und kopfballstarke Neuner ist unter dem Bundestrainer eigentlich als Joker vorgesehen, als Mann für die besonderen Momente.

Fragezeichen Leroy Sané

Und auch Leroy Sané, der sich seit Monaten beim FC Bayern mit Schambeinproblemen herumplagt und daher kaum trainieren konnte, wartet auf seine Chance, um sich für die erste Elf zu empfehlen. Gegen die Ukraine war Sané noch gesperrt, brummte das dritte Spiel seiner Strafe ab, die er für die Handgreiflichkeit und die daraus resultierende Rote Karte im vergangenen November beim 0:2 gegen Österreich erhalten hatte.
Am Freitag, beim letzten EM-Test, der Generalprobe für das eine Woche später stattfindende Eröffnungsspiel gegen Schottland, soll Sané auflaufen. "Er muss diese Woche trainieren und gegen die Griechen spielen. Er hat in der Nationalmannschaft keinen Rhythmus“" erinnerte Nagelsmann.
Wegen der Schambeinproblematik wird Sané bei der EM "nicht jedes Spiel 90 Minuten machen können, das ist nahezu ausgeschlossen", sagte der Bundestrainer und kündigte an: "Er hat schon die Chance, in die erste Elf zu rutschen." Für Gündogan, weil dann Jamal Musiala auf die Zehner-Position rutscht und dessen Rolle an Sané geht?
"Ilkay hat gut gespielt. Er hat viel Belastung in den Knochen", verteidigte Nagelsmann seinen Kapitän, "wir brauchen ihn für das Turnier. Er kann uns viel Rhythmus geben. Er gibt uns Ruhe und Struktur und ist ein torgefährlicher Spieler."

Beier betreibt beste Eigenwerbung

Zur zweiten Hälfte des Ukraine-Spiels brachte Nagelsmann mehr VfB-Power in sein Team mit den Einwechslungen der Stuttgarter Deniz Undav und Chris Führich. Nach einer knappen Stunde kamen Müller, Robin Koch und DFB-Debütant Maximilian Beier, der in einer seiner ersten Aktionen für die beste Chance sorgte, den Ball an die Unterkante der Latte knallte (61.).
Als dann auch noch Aleksandar Pavlovic zu seiner Nationalelf-Premiere kam, war das Team nach sechs Wechseln wild durcheinandergewürfelt. So wurde die Partie mehr zur Bewegungstherapie und zum Vorspielen einiger Kandidaten, die um Startelf- oder Kaderplätze kämpfen. Einer der insgesamt 27 muss ja noch gestrichen werden, wenn am Freitag der Kader der UEFA gemeldet wird. Aber wer?
Beier wohl schon mal nicht. Hat er nach dem frisch-frechen Auftritt seine EM-Teilnahme nun sicher? "Er hat sie auf jeden Fall wahrscheinlicher gemacht, ein sehr gutes Spiel gemacht. Maxi war sehr fleißig, auch defensiv. Er trainiert auch deutlich besser als im März", lobte Nagelsmann den Hoffenheimer.
Der Input der Youngster um Beier & Co. gefällt Oldie Müller: "Wir brauchen die Frische, den Witz von den Jungs."Zufrieden meinte Nagelsmann: "Die Jungs haben noch eine Woche Zeit, sich das Ticket zu verdienen. Bisher ist keiner dabei, der es verdient hat, nach Hause zu fahren."
Wahrscheinlichster Kandidat, noch gestrichen zu werden, ist Frankfurts Robin Koch, wohl die Nummer fünf im Innenverteidiger-Ranking.
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Nagelsmann: "Keiner hat EM-Aus verdient"

Quelle: Perform


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