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Frankreich erneut im Finale: La Mannschaft

Florian Bogner

Update 11/07/2018 um 09:01 GMT+2 Uhr

Frankreich brilliert im WM-Halbfinale gegen Belgien (1:0) erneut nicht, stellt dabei aber eine ungeahnte mannschaftliche Geschlossenheit zur Schau und zieht als verdienter Sieger ins Endspiel von Moskau ein. Samuel Umtiti wächst dabei im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinaus, Trainer Didier Deschamps lobt zudem ein Monster namens Paul Pogba und plant nun, die Dämonen von 2016 besiegen.

Samuel Umtiti (Frankreich)

Fotocredit: Getty Images

Sein Jubeltaumel führte ihn irgendwann in die Arme von Didier Deschamps. Und weil er gar nicht wusste wohin mit sich, Deschamps und seiner ganzen Freude, hob Samuel Umtiti den nur 1,74 Meter großen Trainer der französischen Nationalmannschaft einfach hoch in den Himmel und drückte ihn ganz fest an sich.
Wobei: ein baumlanger Typ ist Umtiti auch nicht. Doch seine 1,83 Meter reichten, um Deschamps den Boden unter den Füßen verlieren zu lassen. Viel mehr noch reichten sie, um in der 51. Minute des WM-Halbfinals zwischen Frankreich und Belgien am rechten Eck des Fünfmeterraums hochzusteigen, höher als der knapp zehn Zentimeter größere Marouane Fellaini, und wuchtig zum Sieg der Équipe Tricolore einzuköpfen.
Wie er das denn gemacht habe, wurde Umtiti, 24, Spieler des FC Barcelona und nun legitimer Nachfolger des 1998 ebenfalls im Halbfinale zum Goalgetter mutierten Abwehrspielers Lilian Thuram, als "Man of the Match" nach dem Spiel gefragt. Seine Antwort:
Wenn man nicht der Größte ist, kommt alles auf die Entschlossenheit an, den Willen, vor dem Gegner an den Ball zu kommen und das Tor zu machen. So habe ich dieses Tor erzielt.

Frankreich: Weniger Ballbesitz, mehr Zweikämpfe gewonnen

Frankreich war am Dienstagabend nicht das zwangsläufig bessere zweier starker Teams. Es hatte nur 36 Prozent Ballbesitz, spielte 250 Pässe weniger als Belgien, igelte sich oft in der eigenen Hälfte ein.
Aber Frankreich wusste, wie es Belgien am besten aufreiben konnte, war auf dem Weg zum Tor deutlich zielstrebiger (19:9 Torschüsse - 5:3 davon aufs Tor) und gewann mehr Zweikämpfe (58,2 Prozent).
Kurz: da stand eine echte Mannschaft auf dem Feld, entschlossen, willig, ins Finale einzuziehen, um dort die Schmach von 2016, als man das EM-Finale im eigenen Land gegen Portugal verlor (0:1 n.V.), wieder gut machen zu können.
"Sam (Samuel Umtiti, Anm. d. Red.) war vor zwei Jahren auch schon dabei - es war einfach unglaublich schmerzhaft, das EM-Finale zu verlieren. Wir wollten diesen Sieg heute einfach schmecken", sagte Deschamps zum Unterschied zweier toller Mannschaften.

Deschamps total happy

Genugtuung war dabei nur eins von vielen Gefühlen im französischen Team. "Es klang vielleicht vermessen, als meine Spieler vor dem Turnier gesagt haben, dass sie Weltmeister werden wollen - aber nun stehen wir im Finale", sagte Deschamps:
Das ist etwas Außergewöhnliches. Unser junges Team hat großen Charakter gezeigt, es war ein schweres Spiel. Ich bin stolz auf mein Team.
Zu Recht war er das, der 49-Jährige, 1998 selbst am bisher einzigen WM-Titel der "Grande Nation" beteiligt. Im Kollektiv hatten seine Mannen die bisher so tödliche Defensive der Belgier unschädlich gemacht.
Vor der Pause schon, als Belgien lediglich zwei gute Möglichkeiten zur Führung hatte - einmal rettete Umtitis Nebenmann Raphael Varane (19.), einmal Keeper Hugo Lloris (21.).

Griezmann und Co. opfern sich für Abwehrarbeit

Mit der Führung im Rücken entfaltete sich doch erst die ganze Pracht des französischen Spiels: hinten engmachen und den Gegner so lange nerven, bis der zu Fehler gezwungen wird und Räume preisgibt. Corentin Tolisso hätte das beinahe zum finalen 2:0 genutzt (90.+6).
So opferten sich auch Antoine Griezmann, Kylian Mbappé oder der immer noch torlose Mittelstürmer Olivier Giroud für die Abwehrarbeit auf.
"Wir mussten teilweise sehr tief verteidigen, weil sie einfach technisch sehr stark sind", sagte Deschamps: "Die Idee war, ihnen überhaupt keinen Raum zu lassen, weil sie wirklich blitzartig kontern können. Wir haben das gegen Brasilien gesehen und wollten das unterbinden."

Ein Monster namens Pogba

Angetrieben vom aggressiven N'Golo Kanté leiteten die Franzosen das belgische Spiel so immer wieder auf die Außenpositionen um, das Ergebnis waren reihenweise eher harmlose Flanken. Und waren in der Mitte mal nicht Umtiti oder Varane zur Stelle, köpfte Paul Pogba, einst der teuerste Fußballer der Welt, die Bälle reihenweise aus dem eigenen Sechzehner.
"Unsere Offensivspieler haben auch defensiv einen Riesenjob gemacht", lobte Umtiti. "Wir waren echte Kerle - und das mussten wir auch sein, um ins Finale einzuziehen." Deschamps hob einen Spieler ganz besonders heraus:
Pogba war ein Monster, einfach überall. Er hat sehr effizient verteidigt und sich gleichzeitig gut gegen Fellaini gewehrt, der ihm überall hin gefolgt ist.
Vor der WM noch von den eigenen Fans ausgepfiffen, jetzt eine wichtige Stütze des WM-Finalisten. "Paul ist in diesem Team wirklich gewachsen", sagte der Trainer.

Belgien erkennt die Niederlage an

So blieb auch Belgiens Mastermind Roberto Martínez nichts anderes übrig, als die Niederlage anzuerkennen. "Wir sind gut in die zweite Halbzeit gestartet, haben das Spiel besser angenommen - und dann kassieren wir ein Tor nach einer Ecke. Diese Standardsituation hat den Unterschied ausgemacht", sagte der belgische Coach:
Wir müssen respektieren, dass Frankreich gut verteidigt hat. In den entscheidenden Momenten hat uns auch ein bisschen das Glück gefehlt. Ich bin sehr stolz auf meine Spieler, akzeptiere die Niederlage aber und gratuliere Frankreich zum Final-Einzug.
Am Sonntag hat Frankreich nun die Möglichkeit das EM-Endspiel von 2016 vergessen zu machen. "Das Finale 2016 haben wir noch nicht ganz verdaut, aber da werden wir noch in aller Ruhe drüber reden", sagte Deschamps, nun auch als Psychologe gefragt.
"Seit 49 Tagen hocken wir aufeinander, da ist vieles passiert, auch Diffiziles. So ein Leben in der Gruppe ist nicht immer einfach und alle wissen das", sagte er noch und sprach dann davon, dass die nächsten zwei Tagen auch den Familien der Spieler gehören sollen, die extra zum Halbfinale eingeflogen wurden.
Denn:
Das Finale ist der Verdienst aller, nicht nur der Spieler auf dem Platz.
Echter Teamgeist, eben.
Samuel Umtiti mit Didier Deschamps (Frankreich)
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