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Taktik-Check: Deutschlands Sieg gegen Schweden in der Analyse

Luca Baier

Update 24/06/2018 um 18:01 GMT+2 Uhr

Durch Toni Kroos' Last-Minute-Tor ist Deutschland bei der WM in Russland wieder auf Achtelfinalkurs. Joachim Löws taktische Umstellungen vor und während der Partie gegen Schweden hatten sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Spiel der DFB-Elf. Im Taktik-Check erklärt Eurosport.de den Wahnsinn von Sotschi und blickt auf mögliche Lehren für das Spiel gegen Südkorea.

Taktik-Check zum deutschen Sieg gegen Schweden

Fotocredit: Eurosport

Nach der schwachen Leistung im Auftaktspiel gegen Mexiko stellte Bundestrainer Joachim Löw seine Mannschaft um – personell und taktisch. Jonas Hector kehrte nach seinem Infekt wie erwartet für Marvin Plattenhardt zurück auf die linke Abwehrseite, außerdem ersetzte Antonio Rüdiger den verletzten Mats Hummels. Deutlich überraschender war, dass Löw zudem auf Mesut Özil und Sami Khedira verzichtete. Für Özil rückte Marco Reus ins Team, Khedira wurde von Sebastian Rudy ersetzt - und nicht wie von vielen erwartet durch Ilkay Gündogan.

"Aufbauraute" - Rudy bringt Stabilität

Durch den abseits des Platzes sehr unscheinbar wirkenden Rudy änderte sich die gesamte Struktur des deutschen Spiels. Toni Kroos ließ sich im Spielaufbau wie gewohnt nach links fallen und versuchte sich im Raum hinter dem aufgerückten Hector anspielbar zu machen. Rüdiger blieb dafür sehr zentral und etwas nach hinten abgesetzt, Jerôme Boateng agierte als Pendant zu Kroos auf der rechten Seite. Rudy nahm davor auf der Sechs eine Schlüsselrolle ein: Als Spitze der Raute im Spielaufbau positionierte er sich nahezu immer richtig hinter Schwedens Stürmer und stellte Schwedens Mittelfeldpressing so vor große Probleme.
Weil die schwedischen Stürmer den Pass durchs Zentrum auf Rudy verhindern wollten, mussten sie sehr nah beieinander agieren. Die Folge: Boateng und Kroos konnten aus ihren breiten Positionen weit vorschieben, sodass sie mit der Ballannahme schon an Schwedens erster Pressinglinie vorbei waren. Deutschland konnte so ohne Probleme auf die beiden gegnerischen Viererketten zuspielen und kam folgerichtig zu einigen gefährlichen Aktionen in der Anfangsphase.
Durch die sicherere Ballzirkulation war die Konterabsicherung automatisch deutlich besser gegen Konter abgesichert als noch im ersten Spiel gegen Mexiko – überdribbelte Kroos links die erste Linie, sicherte Rüdiger dahinter ab, Boateng rückte ballfern ein und Rudy blieb als Anker vor der Abwehr.

Gündogan positioniert sich falsch - DFB-Elf verliert die Struktur

Nach einigen ungewöhnlichen individuellen Fehlern und der verletzungsbedingten Auswechslung Rudys bekam Deutschland plötzlich große Probleme. Neben möglichen psychologischen Gründen war hierfür vor allem die unpassende Positionierung des eingewechselten Ilkay Gündogan verantwortlich.
Anstatt den gleichen Raum wie Rudy zu besetzen und damit die Aufbauspieler zu "befreien", spielte Gündogan schlichtweg viel zu weit vorne. Er reihte sich fast auf Höhe der schwedischen Sechser ein, die ihn so ohne nennenswerten Laufaufwand aus dem Spiel nehmen konnten. Für Boateng, Rüdiger und Kroos wurde es durch Gündogans Stellungsspiel schwierig: Erstens bekamen sie weniger Platz, weil Schwedens Stürmer nicht mehr den Passweg ins Zentrum verstellen mussten, zweitens wurden die Passwege nach vorne zu lang.
Folglich verlor man die Dominanz und Sicherheit, was sich vor allem in weiteren Fehlpässen und daraus folgenden gegnerischen Kontern äußerte. Aus einem überzeugenden wurde ein wackeliger Auftritt mit einer nicht unverdienten Halbzeitführung für Schweden.

Löws Korrekturen fruchten

In der Halbzeitpause zogen Löw und sein Trainerteam die richtigen Schlüsse und reagierten personell und taktisch. Gündogan positionierte sich nach der Pause ähnlich wie Rudy in der Anfangsphase, sodass das Aufbauspiel wieder reibungslos laufen konnte und die Absicherung gegeben war.
Mit der Einwechslung von Mario Gomez schlug man zudem zwei Fliegen mit einer Klappe: Timo Werner kam nun über links und suchte sehr geradlinig die direkten Duelle mit dem nicht allzu beweglichen schwedischen Rechtsverteidiger Lustig. Gomez hingegen brachte die nötige Präsenz im Strafraum. Der Ausgleichstreffer kurz nach der Halbzeit war exemplarisch für den gewünschten Effekt der Umstellungen: Werner brach über links durch und brachte den Ball zielstrebig vors Tor, Gomez band mit seinem richtigen und wichtigen Laufweg auf den ersten Pfosten beide Innenverteidiger. Zwar verpasste der Stuttgarter den Ball knapp, öffnete aber so den Weg für den einlaufenden Torschützen Reus.
Die linke Seite blieb nun weiterhin sehr aktiv und strahlte viel Gefahr aus. Hector rückte immer wieder ins Zentrum und zog seinen Gegenspieler mit. Dadurch wurden immer wieder einfache Passwege auf Werner frei, der Leipziger konnte deshalb oftmals das Dribbling oder den Weg hinter die Kette suchen. Dass der Freistoß zum 2:1-Siegtreffer ebenfalls durch ein Dribbling Werners über links entstand, war ein Stück weit folgerichtig.

Die Lehren für das Spiel gegen Südkorea

Für das Gruppenfinale gegen Südkorea wird Löw nun die richtigen Lehren aus dem Spiel gegen Schweden ziehen: Werner als Linksaußen dürfte nun auch gegen Südkorea eine Option sein, Draxler enttäuschte erneut. Gomez als Stoßstürmer würde dafür mehr Räume für Müller und Reus öffnen, sodass man in Strafraumnähe mehr Zielstrebigkeit und Durchschlagskraft auf den Platz bringt.
Nicht minder wichtig ist die Struktur im Spielaufbau: Ein klarer Sechser im Zentrum tut dem deutschen Spiel sichtlich gut. Rudy spielte diese Rolle sehr gut, ist aber aufgrund seiner Gesichtsverletzung wohl fraglich. Gündogan kann diese Position so spielen, muss dies aber disziplinierter tun, Khedira und Leon Goretzka bringen als "box-to-box-Spieler" nicht das richtige Profil mit.
Gelingt es, die Struktur aufrecht zu halten, wird man Südkorea dominieren und über die sichere Ballzirkulation gut gegen Konter abgesichert sein. Zusammen mit der offensiven Power sollte dies für einen Sieg und den Achtelfinaleinzug reichen.
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