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Frauen-WM - Drei Dinge, die bei Deutschland gegen Kolumbien auffielen: Doorsoun war der eine Ausfall zu viel

Jonas Klinke

Update 31/07/2023 um 08:53 GMT+2 Uhr

Nach dem überzeugenden 6:0-Auftaktsieg gegen Marokko hat die deutsche Nationalmannschaft der Frauen im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien einen herben Rückschlag hinnehmen müssen. Das DFB-Team unterlag den Südamerikanerinnen 1:2 (0:0). Ein entscheidender Faktor war dabei ein nächster personeller Ausfall in der Defensive. Eine Rückkehrerin konnte dagegen glänzen. Drei Dinge, die auffielen.

Alexandra Popps (Mitte) später Ausgleichtreffer reichte nicht: Die DFB-Frauen haben ihr zweites Gruppenspiel gegen Kolumbien 1:2 verloren

Fotocredit: Getty Images

Die deutsche Nationalmannschaft und ihre Fans sind zurück auf dem Boden der Tatsachen: Nach dem manche nach dem 6:0 im ersten Spiel gegen Marokko bereits vom WM-Titel träumten, zeigte sich am Sonntag beim 1:2 (0:0) gegen Kolumbien, dass vor Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und ihr Team noch einiges an Arbeit liegt.
Unglücklicherweise ist diese nun aber nicht nur aufgrund der Niederlage mehr geworden. Denn der Ausfall von Sara Doorsoun, die zur Halbzeit ausgewechselt werden musste, machte sich nicht nur im Duell am Sonntag bemerkbar, sondern dürfte das Trainerteam auch in den kommenden Tagen bis zum dritten Gruppenspiel gegen Südkorea am Donnerstag (12:00 Uhr im Liveticker) beschäftigen.
Ein Einsatz der Frankfurterin erscheint fraglich: "Es tut weh. Es hat mir zweimal doof reingezogen, aber ich hoffe, dass ich rechtzeitig rausgegangen bin", sagte sie nach der Partie in der "ARD". Es droht dem sowieso schon gebeutelten Team eine weitere Umstellung. Zudem gilt es für die anstehende Aufgabe, den Mut wiederzufinden, den die Kolumbianerinnen den Deutschen in Sydney abgeluchst haben.
Keine Sorgen muss sich die Bundestrainerin dagegen um Lena Oberdorf machen, die gleich bei ihrer Rückkehr Verantwortung übernahm.
Drei Dinge, die bei Deutschlands Niederlage gegen Kolumbien auffielen:

1. Der eine Ausfall in der deutschen Abwehr zu viel

Im Sydney Football Stadium lief die 30. Minute, als den deutschen Fans kurz der Atem stockte. Während einer Spielunterbrechung ließ sich Sara Doorsoun am linken Oberschenkel einen Verband angelegen. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte die Innenverteidigerin zu besten Akteurinnen auf dem Platz und hielt gegen die harte kolumbianische Spielweise gut dagegen. Drohte da nun nach Felicitas Rauch der nächste Ausfall in der deutschen Defensive?
Zur Freude der deutschen Fans spielte Doorsoun anschließend aber weiter. Und viel wichtiger: Der Oberschenkel schien ihr erstmal nichts auszumachen. Die 31-Jährige schmiss sich weiter in jeden Zweikampf. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war sie mit einem Tackling gegen den bis dahin weitgehend abgetauchten kolumbianischen Superstar Linda Caicedo zur Stelle.
Mit drei klärenden Aktionen und eine 100-prozentige Zweikampfquote war Doorsoun, die wie schon beim 6:0-Auftaktsieg gegen Marokko für die weiter angeschlagene Marina Hegering einspringen musste, eine wichtige Stütze in der umgebauten Abwehr, in der zudem Chantal Hagel die verletzte Rauch ersetzte. Doorsoun hatte maßgeblichen Anteil dran, dass bei der DFB-Auswahl die Null zur Halbzeit stand.
Also alles wieder gut? Der Sportliche Leiter der Nationalmannschaft, Joti Chatzialexio, gab sich am "ARD"-Mikrofon optimistisch: "Sie spielt im Moment hochkonzentriert und hält die Abwehr hinten dicht. Daher hoffe ich, dass sie durchspielt."
Wenige Minuten später war die Hoffnung zunichte: Doorsoun musste draußen bleiben, dafür rückte Sjoeke Nüsken in die Innenverteidigung. Es war der insgesamt siebte Ausfall im DFB-Team und nach Carolin Simon, Marina Hegering und Felicitas Rauch der vierte in der Abwehr. Ganz zu schweigen von der langzeitverletzten Giulia Gwinn, die es gar nicht in den WM-Kader schaffte und aktuell durch Svenja Huth ersetzt wird.
Umso schwerer wog nun die Verletzung von Doorsoun, deren Fehlen sich direkt bemerkbar machte. Kolumbien kam nun viel öfter gefährlich in den Strafraum. Beispielhaft dafür das Tor zum 1:0: Nach einem Abpraller schnappte sich Kolumbiens Superstar Linda Caicedo im Strafraum auf halblinker Position den Ball, tanzte zunächst Huth und Däbritz aus und zirkelte das Leder sehenswert mit rechts ins lange Eck (52.).
Bei allem Lob über das Traumtor der 18-Jährigen gab es im Anschluss auch klare Kritik am deutschen Abwehrverhalten. "Man darf ihr nicht so viel Platz und Zeit geben. Sie darf aus so einer Position nicht zur Mitte ziehen“, sagte Almuth Schult in der "ARD". "Im Strafraum sind ein Meter Sicherheitsabstand zu viel und dann auch noch von zwei Gegenspielerinnen. Es hätte ja auch eine einen Schritt vorgehen können und die andere sichert ab. Es hatten beide diesen Meter Sicherheitsabstand und der reicht dann Caicedo aus", analysierte die Ex-Torhüterin des VfL Wolfsburg weiter.
Kurz vor Schluss hatte Ramirez rechts im Strafraum ganz viel Platz und Caicedo verpasste am langen Pfosten nur um Zentimeter 0:2 und damit die Entscheidung (86.). Auch hier fehlte in der durchgewürfelten Verteidigung die Zuordnung. So wie auch beim entscheidenden 1:2 in der Nachspielzeit durch Manuela Vanegas (90.+7), als die Kolumbianerin nach einer Ecke völlig frei per Kopf den Siegtreffer markieren konnte.
Nicht nur aufgrund der Niederlage wartet auf Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nun viel Arbeit, denn dass Doorsoun bis zum dritten Gruppenspiel gegen Südkorea am Donnerstag wieder fit wird, scheint fraglich. "Es tut weh. Es hat mir zweimal doof reingezogen, aber ich hoffe, dass ich rechtzeitig rausgegangen bin", erklärte die gebürtige Kölnerin ihre Auswechslung.
Künzer hatte daher für Donnerstag ihre Zweifel: "Es sind im Prinzip drei Tage - das Risiko, dass sie startet und dann nach zehn bis 20 Minuten wieder rausmuss, ist wahrscheinlich zu groß."
Allerdings könnte für das Spiel gegen Südkorea, in dem das DFB-Team mit einem Sieg das Weiterkommen perfekt machen würde, womöglich Abwehrchefin Marina Hegering in die Startelf zurückkehren und so der Defensive wieder mehr Stabilität verleihen. Dass diese fehlt, machte das Kolumbien-Spiel deutlich.

2. Lena Oberdorf: Ihre Rückkehr macht Hoffnung

Keine Arbeit scheint Voss-Tecklenburg dagegen im defensiven Mittelfeld zu haben, denn dort kehrte Lena Oberdorf nach ihren Oberschenkelproblemen so zurück, wie man es von ihr gewohnt ist: Selbstbewusst, zweikampfstark, ballsicher und immer da, wo’s brennt.
Die Wolfsburgerin hatte trotz ihres Fehlens im Auftaktspiel gegen Marokko überhaupt keine Anpassungsprobleme und übernahm von Beginn an Verantwortung. "Sie ist quasi von 0 auf 100 voll wieder drin", lobte Künzer die 21-Jährige.
Die harte Gangart der Kolumbianerinnen kam Oberdorf dabei offenbar entgegen. "Für mich war es eigentlich ein gutes Spiel, um wieder in die Zweikämpfe und die Intensität reinzukommen", sagte sie nach dem Spiel in der "ARD".
Die Freude an der Intensität lässt sich auch mit Zahlen belegen: Oberdorf zeigte zusammen mit Huth die meisten Tacklings in der deutschen Mannschaft (jeweils 6) und hatte die meisten abgefangenen Bälle (4). Darüber hinaus führte sie die meisten Zweikämpfe aller Deutschen.
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Lena Oberdorf gehörte gegen Kolumbien direkt wieder zu den Leistungsträgerinnen

Fotocredit: Getty Images

In der 52. Minute eilte sie zudem der eingewechselten Nüsken im Strafraum gegen Mayra Ramirez zur Hilfe und klärte zur Ecke. Wenig später kassierte Oberdorf auch die einzige Gelbe Karte für das deutsche Team.
Auch offensiv schaltete sie sich immer wieder ein, auch wenn ihre Torschüsse mitunter geblockt wurden. Gemeinsam mit Kathrin Hendrich hatte sie die meisten Ballaktionen (100) in der deutschen Auswahl. Die "Krönung" ihres starken Comebacks folgte kurz vor Schluss, als Oberdorf nach einer schönen Passstafette im Strafraum von Torfrau Catalina Pérez gelegt wurde und den Elfmeter für das deutsche Team herausholte. Alexandra Popp verwandelte (89.) und Deutschland schien zumindest ein Remis sicher zu haben, bis eben Vanegas traf.
"So ein Tor darfst du in der Minute einfach nicht mehr kriegen", zeigte sich Oberdorf anschließend entsprechend enttäuscht. Doch so wie auf dem Platz gab sie sich auch direkt wieder kämpferisch: "Wir haben noch alles in den eigenen Händen. Jetzt müssen wir einfach nochmal alle Kräfte bündeln für das letzte Spiel."
Aus dem Mund von Oberdorf klingt das schon fast wie eine Drohung.

3. Kolumbiens Härte klaut DFB-Team den Mut

Vor dem Spiel war es das beherrschende Thema: Die harte Spielweise der Kolumbianerinnen. Besonders drastisch untermauert durch den Abbruch eines Testspiels vor der WM gegen Irland, als die Kickerinnen von der Grünen Insel aufgrund der kolumbianischen Gangart nicht mehr weiterspielen wollten.
Wie erwartet gingen die Südamerikanerinnen auch gegen das deutsche Team robust zu Werke. Bereits in der 15. Minute bekam Popp im Rücken der Schiedsrichterin einen Check von Gegenspielerin Daniela Arias ab, woraufhin sich die Doppel-Torschützin aus dem Auftaktspiel kurz behandeln lassen musste.
Auch weil Schiedsrichterin Melissa Bojas aus Honduras kaum einschritt, machte Kolumbien, zudem angepeitscht von tausenden frenetischen Fans, mit seinen Spielchen weiter. Und weil die deutsche Mannschaft - allen voran durch Oberdorf - dagegenhielt, entwickelte sich in Sydney speziell in der ersten Hälfte ein echter Abnutzungskampf.
Spielerisch ging allerdings sehr wenig. Vor allem die deutsche Mannschaft ließ sich durch die kolumbianische Härte den Schneid abkaufen und fand kaum zu ihrem offensiven Spiel. Den Vorwurf von übertriebener Härte wiegelte Popp allerdings ab. "Das fand ich nicht. Ich habe bezüglich der Nickligkeiten sogar mit mehr gerechnet. Es war gefühlt ein Auswärtsspiel, aber das war auch ziemlich geil, vor so einer Kulisse zu spielen“, erklärte die DFB-Kapitänin.
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Alexandra Popp wurde von den Kolumbianerinnen heftig bearbeitet

Fotocredit: Getty Images

"Es ist einfach mega bitter, durch einen Standard zu verlieren", sagte Popp in der "ARD": "Eigentlich hatten wir das Spiel unter Kontrolle. Der letzte Mut Richtung Tor hat gefehlt."
Auch Voss-Tecklenburg wollte die Gangart nicht als Ausrede gelten lassen: "Gerade in der ersten Halbzeit hatten wir nicht den Mut, in die Räume zu spielen, die da waren. Wir haben wenig Eins-gegen-eins-Situation in der letzten Konsequenz gewonnen. Es wirkte alles ein bisschen hektisch und unruhig und dann kann sich der Gegner auch ein bisschen mehr draufeinstellen. Und dann haben sie es gut verteidigt.“
17:8 Fouls für Kolumbien sprechen dennoch eine klare Sprache. Bereits in der Halbzeitpause forderten Künzer und Schult eine klarere Linie der Unparteiischen. "Irgendwann muss eine Schiedsrichterin eingreifen", so die Weltmeisterin von 2003.
Dies tat Bojas dann in Hälfte zwei, auch wenn ironischerweise die erste Gelbe Karte an Oberdorf ging. Und auch generell wirken vier verteilte Verwarnungen angesichts der Partie eher mickrig.
Doch wie Voss-Tecklenburg und Popp richtig einordneten, führte nicht die kolumbianische Härte zur deutschen Niederlage. Denn Kolumbien konnte noch mit viel mehr beeindrucken. Allen voran mit technischer Klasse und großer Leidenschaft. Und mit der Eigenschaft, die Deutschland über weite Strecken fehlte: Mut!
Exemplarisch das Traumtor von Caicedo, die es im deutschen Strafraum mit zwei Gegenspielerinnen aufnahm und den Ball anschließend sehenswert an Merle Frohms vorbei ins lange Eck jagte.
Der Mut zeigte sich auch nach dem Ausgleich, als Kolumbien sich nicht mit dem 1:1 und dem Punkt zufrieden gab, sondern wieder nach vorne spielte und schließlich mit dem späten 2:1 belohnt wurde.
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