Racing Straßburg mischt mit radikalem Jugendkurs die Ligue 1 auf: Die "Chelsea-Filiale" ist der Kindergarten Europas

Jugend forscht im Elsass. Mit einer 2023 begonnenen radikalen Kursänderung mischt der Racing Club Straßburg die französische Ligue 1 auf und betritt in dieser Saison durch die Teilnahme an der Conference League sogar die europäische Bühne. Die Konkurrenz verspottet den Klub gerne als "Filiale des FC Chelsea" ohne eigene Identität. Doch der ungewöhnliche Weg gibt den "Blauen" recht.

RC Straßburg begeistert mit der jüngsten Mannschaft der Top5-Ligen seit 2000

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Ausgerechnet Metz. Der Spielplan der Saison 2025/26 der Ligue 1 bescherte Racing Club Straßburg gleich zum Auftakt das "Derby des Ostens" gegen den Aufsteiger aus Lothringen.
Und ausgerechnet gegen den verfeindeten Rivalen gelang Straßburg - abgesehen vom 1:0-Auswärtssieg - Historisches. Erstmals bestand die Startelf einer Mannschaft in den fünf großen Ligen Europas aus elf Spielern, die alle in den 2000er Jahren geboren wurden. Kapitän Emanuel Emegha war mit 22 Jahren und etwas mehr als sechs Monaten der älteste Straßburger.
Mit einem Altersschnitt von 20,4 Jahren stellte Straßburg zudem die zweitjüngste Anfangself seit Mai 2006. Damals schickte der FC Middlesbrough gegen Fulham ein Team mit einem Durchschnittsalter von 20,1 Jahren aufs Feld.
Der vor zwei Jahren eingeschlagene Jugendtrend setzt sich auch in dieser Saison fort. Die 2023 erfolgte Übernahme des Vereins durch das Investoren-Bündniss BlueCo, dem auch die Mehrheitsanteile am FC Chelsea gehören, hat die Ausrichtung des Klubs grundlegend verändert.
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Kapitän Emanuel Emegha (L) traf im zweiten Saisonspiel gegen den FC Nantes

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Chelsea-Boss Todd Boehly brachte den Umschwung

Der umstrittene Chelsea-Boss Todd Boehly schrieb sich auf die Fahne, RC Straßburg mit "nachhaltigen Investitionen" zu großem Wachstum zu verhelfen. Boehlys Hintergedanke: Die besten Talente Frankreichs, idealerweise ergänzt durch hoffnungsvolle Nachwuchskicker aus anderen Ländern, sollten in Straßburg ausgebildet werden und später den FC Chelsea verstärken.
Im Gegenzug sollten Neuzugänge der Londoner, die in den meisten Fällen ebenfalls sehr jung waren, nach Straßburg transferiert werden, um in der Ligue 1 Spielpraxis sammeln. "Straßburg ist für Chelsea das, was RB Salzburg für RB Leipzig ist", vergleicht Tanguy Mantovani von Eurosport Frankreich.
Dieses Konzept hat sich bezahlt gemacht. In der letzten Saison erreichte Straßburg mit Rang sieben die zweitbeste Platzierung in der Ligue 1 in den letzten 45 Jahren. Nach einer eher schwachen Hinrunde holte die Mannschaft von Chefcoach Liam Rosenior, mit 41 Jahren ein "Jungspund" im Trainergeschäft, im Frühjahr zwischenzeitlich 32 von 39 möglichen Punkten.
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Trainer Liam Rosenior setzt in Straßburg auf junge Talente - und ist selbst erst 41 Jahre alt

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Im aktuellen 34-Mann-Kader tummeln sich 32 Spieler unter 24. Lediglich Ersatztorhüter Karl-Johan Johnsson (35) und Linksverteidiger Eduard Sobol (30), auch selten erste Wahl, fallen aus der Reihe.

Transferkrösus hinter Paris Saint-Germain

Der Jugendwahn hat aber auch seinen Preis. RC Straßburg ist nach dem übermächtigen Paris Saint-Germain der Klub mit den meisten Transferausgaben in diesem Sommer. 15 neue Spieler wurden für 102 Millionen Euro verpflichtet, sieben davon sind noch Teenager. Dafür nahm der Klub durch den Verkauf des 21-jährigen Habib Diarra zum AFC Sunderland aber auch 31,5 Millionen Euro ein.
Die Konkurrenz rümpft derweil die Nase. Vor allem aus Metz kommen immer wieder Giftpfeile. Dort wird RC Straßburg als "Chelsea B" oder "Filiale des FC Chelsea" verspottet.
"Die Fans von Metz sagen, Straßburg sei kein 'echter Verein'. Dagegen sind die eigenen Anhänger glücklich über die Entwicklung. Sie haben Spieler wie Andrey Santos gesehen, von denen sie vor der Partnerschaft mit BlueCo nicht zu träumen gewagt hätten, dass sie einmal das Trikot von Straßburg tragen würden", sagt Mantovani.

Wie nachhaltig ist der Erfolg von RC Straßburg?

Es herrscht große Zufriedenheit im Elsass, zumal die Bilanz nach sechs Punkten aus zwei Spielen und Platz drei in der Tabelle optimal ist. Doch bei der Frage, wie nachhaltig der Erfolg sein kann, wenn stets die besten Spieler nur in Straßburg "geparkt" werden, um später zum Kooperationspartner Chelsea zu wechseln, kommen Zweifel.
"Es ist schwer zu sagen, ob Straßburg ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Spieler hat, die es behalten will. Der Verein läuft Gefahr, von den Wünschen des FC Chelsea abhängig zu sein. Und in der Vergangenheit hat sich der Verein nicht besonders gut bei Verkäufen angestellt", urteilt Ligue-1-Experte Joachim Durand von "Transfermarkt.fr".
Fest steht, dass der Kindergarten von Racing Club Straßburg derzeit einer der spannendsten Vereine in Europa ist. Die "Blauen" zeigen eindrucksvoll, was man mit dem Vertrauen in junge Spieler erreichen kann.
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Quelle: Perform


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