Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Philippe Coutinhos Wohlfühlinsel: Warum der Barcelona-Flop unter Steven Gerrard bei Aston Villa wieder liefert

Dennis Melzer

Update 11/03/2022 um 09:24 GMT+1 Uhr

Im Winter wechselte Philippe Coutinho vom hochverschuldeten FC Barcelona auf Leihbasis zu Aston Villa. Beim Traditionsklub aus Birmingham traf der Brasilianer auf seinen ehemaligen Liverpool-Teamkollegen Steven Gerrard, der sich mittlerweile als Trainer einen Namen gemacht hat. Er brachte Coutinho wieder auf Trab – mit einem einfachen Kniff, der dem 29-Jährigen bei Barça verwehrt geblieben war.

Philippe Coutinho blüht bei Aston Villa auf

Fotocredit: Getty Images

Eine grazile Ballmitnahme auf engstem Raum mit der Sohle, Schussfinte, Haken und ein Abschluss, der den Weg durch die Hosenträger von Southampton-Keeper Fraser Foster ins Netz findet. Nur Augenblicke später lässt Philippe Coutinho sich von einer weinrot-himmelblauen Jubeltraube feiern. Die Entscheidung ist gefallen, 3:0 für Aston Villa gegen die Saints, die in der Folge noch ein weiteres Gegentor schlucken mussten.
Coutinhos Treffer in der 52. Minute hatte sich angedeutet, schon im ersten Durchgang glänzte der Brasilianer mit sehenswerten Dribblings und herausragender Übersicht für die Teamkollegen. Während er selbst gleich zweimal aus aussichtsreicher Position gescheitert war, hatte er Douglas Luiz‘ Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 in beeindruckender Manier vorbereitet.
Als Coutinho kurz vor Schluss unter dem Applaus des Villa-Anhangs ausgewechselt wurde, strahlte der kleine Magier über das ganze Gesicht, eine herzliche Umarmung von Trainer Steven Gerrard rundete den perfekten Tag für den 29-Jährigen ab. Ein Bild, das an vergessene Zeiten erinnerte. An glückliche Coutinho-Zeiten, an Coutinhos Liverpool-Zeiten.
Seit der Mittelfeldmann die Reds im Januar 2018 für 135 Millionen Euro in Richtung Barcelona verlassen hatte, wirkten Coutinhos freundliche Gesichtszüge nur allzu häufig versteinert. Viel zu lachen hatte er tatsächlich nicht. Bei den Katalanen setzte er sich nach einer ordentlichen Halbserie nie richtig durch, nach anderthalb Jahren zwischen Spielfeld und Bank ging es auf Leihbasis weiter zum FC Bayern München.

Coutinhos Bayern-Zeugnis: Befriedigend

Die Hoffnung, dass Coutinho beim deutschen Rekordmeister zum Unterschiedsspieler avancieren würde, wurde ziemlich bald gebremst. Zwar kam der Ballkünstler unter FCB-Coach Niko Kovac regelmäßig zum Einsatz, so richtig warm schienen die beiden miteinander jedoch nicht zu werden. Ganz ähnliche Erfahrungen hatte bereits Coutinhos Vorgänger James Rodriguez, zwischen 2017 und 2019 von Real an Bayern ausgeliehen, machen müssen.
Nachdem Hansi Flick im November 2019 von Kovac übernommen hatte, besserte sich die Situation, am Ende der Saison durfte sich Coutinho über das Triple freuen, beim irrwitzigen 8:2-Viertelfinal-Sieg in der Champions League über seinen Arbeitgeber Barcelona steuerte er binnen 15 Minuten zwei Tore und eine Vorlage bei. Elf Treffer und neun Assists in 38 Pflichtspielen standen letztlich zu Buche (obwohl er in der Zwischenzeit acht Bundesligaspiele in Serie verletzungsbedingt fehlte).
picture

Philippe Coutinho mit Bayern-Trainer Hansi Flick

Fotocredit: Getty Images

Keine schlechte Bilanz, von einer festen Verpflichtung nahmen die Münchner dennoch Abstand. Coutinhos Kaufoption soll seinerzeit bei satten 120 Millionen Euro gelegen haben.
Sein zweiter Anlauf bei Barcelona war zunächst von einigen Startelf-Einsätzen geprägt, im Winter 2020 zog Coutinho sich jedoch einen Riss im Außenmeniskus zu, der ihn fast ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Das große Fragezeichen, das nach der Genesung hinter seiner Form stand, sorgte im vergangenen Sommer für zahlreiche Wechselgerüchte, hinzu kam die desolate finanzielle Lage des spanischen Nobelvereins.
Coutinho, einer der Top-Verdiener Barcelonas, sollte Platz machen und mit seinem Weggang dazu beitragen, dass die Kassen zumindest etwas entlastet werden.

Steven Gerrard bemüht sich um seinen Kumpel

Einen Abnehmer fanden die Verantwortlichen allerdings nicht für ihren teuersten Einkauf der Klubgeschichte. Als Barça nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich ins Taumeln geraten war, trat Aston Villa auf den Plan. Gerrard, vormals Coach der Glasgow Rangers, leitete seit Mitte November die Geschicke an der Seitenlinie und bemühte sich intensiv um die Dienste seines früheren Liverpool-Mitspieler.
Gleich im ersten Spiel bedankte sich Coutinho mit einem Tor gegen Manchester United, zwei Wochen darauf lieferte er beim 3:3 im Duell mit Leeds United eine Gala-Vorstellung (ein Tor, zwei Vorlagen). "Er wollte unbedingt in die Premier League zurückkehren und wir haben ihm alles gegeben, was er braucht, um da rauszugehen und abzuliefern", sagte Gerrard nach der Partie gegen die Whites.
Gerrard lobte zudem: "Das Gute an Philippe ist, dass er so bescheiden, besonnen und bodenständig ist. Wenn man mit ihm spricht, würde man nicht glauben, dass man es bei ihm mit einem Weltklasse-Spieler zutun hat. Er ist einfach ein großartiger Mensch." Der 41-Jährige ergänzte: "Er wirkt lebhaft, seine technischen Fähigkeiten sind auf hohem Niveau. Ich glaube nicht, dass ich über Phil Coutinho, den Spieler, weitere Worte verlieren muss. Man muss seine Klasse betrachten und bewundern, wie er an die Sache herangeht."
picture

Als Trainer und Spieler wiedervereint: Steven Gerrard und Philippe Coutinho

Fotocredit: Getty Images

Laut Gerrard gehe es darum, dass Coutinho "den Fußball wieder genießt, mit den Jungs zusammen ist, lächelt und sich auf das Spiel freut." Dann bekomme der Ausnahmekönner "das Gefühl, dass dies wieder seine Bühne ist." Ebenjene Bühne nahm der 65-malige Nationalspieler am vergangenen Samstag gegen Southampton gänzlich für sich ein.

Gerrard: "Er war in seiner Liverpool-Form"

"Wir haben Phil fit bekommen. er ist in einer wirklich guten Verfassung“, schwärmte Gerrard im Anschluss bei der "BBC". "Er war heute wieder in seiner Liverpool-Form, vielleicht sogar einen kleinen Schritt darüber. Die Mitspieler haben seinen Aufschwung mitgenommen." Zum Verständnis, von welcher Form der 41-Jährige mit Blick auf Coutinho sprach: Im Rahmen seiner Zeit bei den Reds (2013-2018), seiner bislang absoluten Karriere-Hochphase, kam der Edeltechniker in 201 Pflichtspielen auf 54 Tore sowie 45 Vorlagen.
Dass er mit seinen Leistungen aktuell an vergangene Tage erinnert und Villa dazu veranlassen könnte, im Sommer 40 Millionen Euro (so hoch ist die Kaufoption) für eine permanente Verpflichtung zu investieren, ist eng an einen einfachen Gerrard-Kniff geknüpft: Vertrauen. Weder beim FC Barcelona noch beim FC Bayern wurde ihm die Überzeugung seitens der Trainer in sein Können vollumfänglich zuteil. Gerrard weiß aus der gemeinsamen Zeit bei Liverpool ganz genau um Coutinhos Stärken, lässt ihm die benötigten Freiräume, um sich zu entfalten.
Ein wichtiger Punkt im Umgang mit Fußballern ebenjenes Formats, die im Normalfall in der Lage sind, ganze Spiele im Alleingang zu entscheiden, sofern sie eine Wohlfühloase für sich ausgemacht haben. Andererseits, wenn die Wohlfühl-Watte Risse erhält, drohen derlei Schöngeister auch gerne in divenhafte, phlegmatische Muster zu verfallen.
Selbst wenn Coutinho ein solches Szenario drohen sollte, hat man dieser Tage das Gefühl, dass Gerrard die richtigen Worte finden würde, um dies zu verhindern. Sein Vertrauen hat Coutinhos Lachen, die grazilen Ballmitnahmen, die Schussfinten, Haken und Tore zurückgebracht.
picture

Müller erklärt: Das ist der Unterschied zwischen Neuer und Ulreich

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung