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Chelsea treibt Transfer-Wahnsinn auf die Spitze - mit Aktionismus gegen den sportlichen Sinkflug

Robert Bauer

Update 27/01/2023 um 08:57 GMT+1 Uhr

Alarmstufe Rot bei den Blues: Der FC Chelsea ist bislang eine der Enttäuschungen der laufenden Premier-League-Saison und droht sogar das internationale Geschäft zu verpassen. Deshalb griff Klub-Boss Todd Boehly zu drastischen Maßnahmen. Fast 180 Millionen Euro gab Chelsea in diesem Winter für Transfers aus. Doch steckt dahinter eine Strategie oder handelt es sich dabei um blanken Aktionismus?

Kai Havertz (l.) und Neuzugang Mykhaylo Mudryk - FC Chelsea

Fotocredit: Getty Images

Fast auf den Tag ein Jahr ist es her, als Hakim Ziyech die Stamford Bridge beben ließ.
Der marokkanische Nationalspieler legte sich den Ball an der Strafraumkante auf seinen starken linken Schlappen und schlenzte den Ball gefühlvoll in hohem Bogen in den Winkel. Tottenham-Keeper Hugo Lloris war völlig machtlos.
Wenig später sollte Thiago Silva mit seinem Treffer zum 2:0-Endstand den Derbysieg des FC Chelsea gegen die Spurs endgültig unter Dach und Fach bringen und damit die vorsichtigen Meisterhoffnungen der Blues am Leben halten.
Von derart erfolgreichen Zeiten können Ziyech und Co. aktuell nur träumen.

Chelsea unter Potter im Sinkflug

Der Champions-League-Sieger von 2021 rangiert in der Premier League auf einem enttäuschenden zehnten Platz. In der Vorsaison hatte Chelsea unter dem damaligen Coach Thomas Tuchel zum gleichen Zeitpunkt nach 20 Spieltagen ganze 13 Zähler mehr auf dem Konto (29 gegenüber 42).
Nach einem vielversprechenden Start (neun Pflichtspiele in Folge ohne Niederlage) unter dem neuen Trainer Graham Potter, der seit der Entlassung Tuchels im vergangenen September die Geschicke leitet, geriet Chelsea recht schnell außer Tritt. Gerade einmal zwei Siege holten die Londoner in den vergangenen elf Pflichtspielen. Zu wenig für die Ansprüche des Klubs, weshalb die Kritik an Potter zuletzt lauter wurde.
"Das Team ist äußerst merkwürdig und schlecht zusammengestellt", übt Fußball-Experte Pete Sharland von Eurosport in London Kritik an der Kaderplanung der Blues und ergänzte: "Diese Situation überfordert Potter. Manche Leute sind nicht für diesen Job bei einem Topklub geschaffen und ich denke leider, dass er einer dieser Leute ist."
Aufgrund der sportlichen Talfahrt griff Chelseas neuer Eigentümer Todd Boehly, der Nachfolger des langjährigen Bosses Roman Abramowitsch, daher zu drastischen Maßnahmen.
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Bashir Humphreys, Graham Potter und César Azpilicueta (von links/FC Chelsea) nach der 0:4-Pleite gegen Manchester City

Fotocredit: Getty Images

Chelseas Kaufrausch sorgt für Kritik

Mit Mykhaylo Mudryk (Shakhtar Donezk/70 Millionen Euro), Benoît Badiashile (AS Monaco/38 Mio. Euro), Noni Madueke (PSV Eindhoven/35 Mio. Euro), Andrey Santos (Vasco da Gama/12,5 Mio. Euro), David Datro Fofana (Molde FK/12 Mio. Euro) und João Félix (Atlético Madrid/11 Mio. Euro Leihgebühr) holte Chelsea in diesem Winter gleich sechs Neuzugänge für insgesamt sage und schreibe 178,5 Millionen Euro - und die Tendenz ist weiter steigend.
Dem Vernehmen nach sollen auch Christopher Nkunku (RB Leipzig), Malo Gusto (Olympique Lyon) sowie WM-Shootingstar Enzo Fernandez (Benfica Lissabon) spätestens im kommenden Sommer den Weg an die Stamford Bridge finden.
Doch schon jetzt haben die Blues seit dem vergangenen August rund 460 Millionen Euro für Transfers und damit mehr Geld als alle andere Klubs weltweit ausgegeben. Zum Vergleich: Auf Platz zwei in diesem Ranking liegt Ligarivale Manchester United mit "nur" 240 Millionen Euro.
Bezahlt gemacht hat sich jener Kaufrausch bislang jedoch nicht. Im Gegenteil, der Klub erntete dafür sogar scharfe Kritik. "Um ehrlich zu sein, finde ich die Transferpolitik ein bisschen ekelhaft. Die FIFA sollte die Teams davon abhalten, junge Talente auf Vorrat zu holen, aber Chelsea hat diese Freiheiten? Irgendetwas ist im englischen Fußball wirklich schief gelaufen", bilanziert Eurosport-Experte Sharland.
Immhin soll die UEFA nun Untersuchungen anstellen, um exorbitante Ausgaben eines Vereins in einem Transferfenster begrenzen.
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Chelsea-Neuzugang Michailo Mudryk

Fotocredit: Getty Images

Mudryk begeistert bei Debüt

Bei genauerer Betrachtung von Chelseas jüngsten Transfers stechen speziell die extrem langen Vertragslaufzeiten der jungen Talente heraus. So unterschrieb Stürmer Fofana (20) bei den Blues bis 2029, Madueke (20) und Badiashile (21) noch ein Jahr länger und Mudryk (22) gar bis 2031.
Immerhin überzeugte 100-Millionen-Euro-Mann Mudryk gleich bei seinem Debüt gegen den FC Liverpool (0:0) und avancierte mit einem Topspeed von 36,63 km/h auf Anhieb zum schnellsten Spieler der laufenden Premier-League-Saison.
"Zehn Minuten haben ausgereicht, um sagen zu können, dass ich nicht gegen Mudryk hätte spielen wollen", zeigte sich Gary Neville bei Twitter beeindruckt vom Flügelstürmer.
Der Rest des Sextetts wird sich dagegen erst noch beweisen müssen. Im Fall Felix ist dies gleich mal ordentlich schief gegangen. Die hochveranlagte Leihgabe von Atlético Madrid sah in seinem ersten Spiel (1:2 in der Liga gegen Fulham) glatt Rot.
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Mykhaylo Mudryk (r./FC Chelsea) im Zweikampf mit James Milner (FC Liverpool)

Fotocredit: Getty Images

Havertz droht das Aus - schlägt Bayern zu?

Bei derart vielen Neuverpflichtungen muss jedoch selbstverständlich Platz im Kader geschaffen werden, womit man wieder bei dem eingangs erwähnten Ziyech angelangt wäre. Der Offensivallrounder steht laut einem Bericht des "Telegraph" genau wie die ehemaligen Bundesliga-Profis Christian Pulisic und Kai Havertz auf der Abschussliste.
Für Letztgenannten soll es mit dem FC Bayern sogar schon einen potentiellen Abnehmer geben. "Sport1" dementierte jedoch ein etwaiges Interesse der Münchner.
Es stellt sich dennoch die grundsätzliche Frage, warum Chelsea den 23-jährigen Nationalspieler, der sich in einem entwicklungsfähigen Alter befindet und zudem in der laufenden Spielzeit der treffsicherste Angreifer ist (sechs Treffer), offenbar wegschicken will. Ähnliches gilt im Übrigen für Pulisic.
"Ich denke, beide sind in Ungnade gefallen. Bei Havertz scheint es so, als wüsste niemand, wie man ihn richtig einsetzt und Pulisic kann einfach nicht über einen längeren Zeitraum fit bleiben. Ich denke, dass beide wahrscheinlich entweder in diesem oder im nächsten Transferfenster gehen werden. Damit gehen mehr als 130 Millionen Euro den Bach runter - das ist verrückt", zeigt sich Sharland fassungslos.
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Kai Havertz - FC Chelsea

Fotocredit: Getty Images

Mehr Aktionismus denn Strategie

Auch Liverpool-Coach Jürgen Klopp konnte der Transferstrategie des Ligakonkurrenten nur wenig abgewinnen. "Ich glaube nicht, dass Chelsea in den nächsten zehn Jahren so weitermachen kann. Oder - vielleicht können sie es auch", sagte er jüngst zynisch und betonte: "Chelsea löst die Probleme ganz offensichtlich anders als wir."
Und zwar mit millionenschweren Neuverpflichtungen. Doch steckt dahinter wirklich eine Strategie oder handelt es sich dabei um blanken Aktionismus?
"Ich glaube, Boehly liebt es, große Deals einzutüten, denn das nährt sein Ego. Allerdings braucht der Verein auch Verstärkungen. Einer der Gründe, warum man ein Team wie Chelsea kauft, ist das Versprechen, regelmäßig in der Champions League zu spielen. Sie geben nun so viel Geld aus, um zu versuchen, dieses Ziel zu retten", so Sharland.
Ob dieses Unterfangen jedoch von Erfolg gekrönt wird, bleibt fraglich.
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