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Joachim Löw: Warum der Bundestrainer Angst um die Gesundheit seiner Spieler hat

Patrick Strasser

Update 04/09/2020 um 11:35 GMT+2 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft hat zum Auftakt der Nations League durch ein Gegentor in letzter Minute ein bitteres 1:1-Unentschieden gegen Spanien hinnehmen müssen. Doch das Remis scheint Bundestrainer Joachim Löw weniger zu stören, als die drohende Überlastung seiner Spieler. Es gibt aber auch gute Neuigkeiten: Niklas Süle und Leroy Sané feierten nach langer Verletzungspause ihre DFB-Comebacks.

Jogi Löw steht dem Zeitplan etwas kritisch gegenüber

Fotocredit: Getty Images

Arm in Arm, ganz innig und freundschaftlich verließen die Bayern-Profis Niklas Süle und Thiago den Rasen der Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart und marschierten beschwingt in die Kabinen. Beide hatten guten Grund zur Freude über das 1:1 zwischen der deutschen Nationalelf und der spanischen Auswahl zum Auftakt der Nations League. Süle, weil er sein erstes Pflichtspiel von Beginn an seit seinem Kreuzbandriss im Oktober 2019 über die vollen 90 Minuten bestreiten konnte und einen sehr guten Eindruck hinterließ. Und Noch-Mitspieler Thiago, weil er dank des Treffers von José Gayá in der sechsten Minute der Nachspielzeit nicht verloren hatte. Kennen sie ohnehin kaum mehr, Süle und Thiago, wie das Gefühl ist, ein Spiel zu verlieren.

Nach der längsten Länderspielpause für den DFB seit 70 Jahren, bedingt durch die Corona-Pandemie, zeigte die neu zusammengestellte DFB-Elf 289 Tage nach dem 6:1 gegen Nordirland in der EM-Qualifikation eine bemerkenswerte Frühform gegen die Spanier, die nun seit zwölf Länderspielen ungeschlagen sind.

Löw: "Haben gefightet bis zum Schluss"

Dennoch war der spätmöglichste Ausgleich ein kleiner Schock für die DFB-Auswahl, die damit weiter auf den ersten Pflichtspielerfolg gegen die Spanier seit der EM 1988 warten müssen. Die Enttäuschung war da, klar. Aber keinerlei Wut oder Trauer nach der ansprechenden Leistung. Ist ja auch nur Nations League, dieser so halb ernst genommene, 2018 erstmals ausgetragene Wettbewerb der UEFA. "Man ist natürlich verärgert und ein bisschen enttäuscht, wenn man in der 96. Minute den Ausgleich kassiert", erklärte ein aufgeräumter Joachim Löw.
Der Bundestrainer äußerte sich ganz milde: "Ich kann zufrieden sein, mit der Art und Weise bin ich über große Teile des Spiels sogar sehr zufrieden. Die Mannschaft hat so noch nie zusammengespielt und hat es wirklich gut gemacht. Wir hatten im Spiel insgesamt die besseren Chancen als die Spanier. Man muss in so einer Phase jedoch Abstriche machen. Die Spieler sind nicht in dem Wettkampf-Modus wie ein paar Wochen später, sie haben alles gegeben, was zu diesem Zeitpunkt der Saison möglich ist und gefightet bis zum Schluss."
Zu diesem Zeitpunkt: Anfang September, beim Auftakt der deutschen Nationalelf ins Länderspiel-Jahr 2020, beim ersten von acht (!) Länderspielen bis Mitte November.

Löw: "Es stehen Hammer-Wochen an"

Auf den durch die Terminverschiebungen straffen Kalender angesprochen, ging Löw für seine Verhältnisse regelrecht aus dem Sattel. Die Überlastung seiner Spieler ist für ihn ein wunder Punkt, das rote Tuch. Im Duell der beiden Ex-Weltmeister hätte man am Ende sehen können, "dass die Spieler auf dem Zahnfleisch gelaufen" seien, so der 60-Jährige, der sich darüber beklagte, dass anders als etwa in der Bundesliga festgelegt, der Verband UEFA die Möglichkeit von fünf statt drei Wechseln pro Team verweigert hat.
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Leroy Sané und Niklas Süle (im Hintergrund) feierten ihr DFB Comeback

Fotocredit: Getty Images

"Gerade jetzt hätte es Sinn gemacht. Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Spieler kommen aus dem Urlaub oder direkt aus der Vorbereitung. Es stehen Hammer-Wochen an, die Spieler brauchen aber auch mal Verschnaufpausen. Sonst passieren Muskelverletzungen. Die Gesundheit der Spieler steht über allem. Da bin ich extrem sensibel und empfindsam." Der "wahnsinnig volle Terminkalender" führe dazu, dass es "auf die Gesundheit, die Fitness und die Qualität niederschlägt. Wenn man da nicht aufpasst, hat man im März, April, Mai nächsten Jahres Probleme".
Löw schlägt Alarm, weil sein großes Ziel EM 2021 (Juni/Juli) lautet – und hatte Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique auf seiner Seite, der sagte: "Ich bedauere es, dass ich nicht fünf Auswechslungen durchführen konnte, dann hätte ich den Spielern mehr Ruhe gönnen können."

DFB: Zu viele Spiele für Löw

Ruhe? Erholung? Kaum möglich für Nationalspieler, die mit ihren Vereinen in europäischen Wettbewerben vertreten sind. In einer Saison ohne Winterpause, in der hierzulande bis zum 23. Dezember und wieder ab dem 2. Januar gespielt wird. Daher gab Löw vier Bayern-Profis (Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Leon Goretzka gewannen vor nicht mal zwei Wochen die Champions League) sowie den Leipziger Halbfinalisten Marcel Halstenberg und Lukas Klostermann diesmal frei.
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Belastungssteuerung und Rotation werden zu den wichtigsten Maßnahmen aller Trainer. Dass der DFB, um entgangene Einnahmen nach den gestrichenen März- und Juni-Länderspielen zu kompensieren, für den Nationalelf-Block im Oktober und November zu den beiden Nations-League-Pflichtspielen noch je einen Freundschaftskick hinzugefügt hat, ist für Löw nur schwer zu verdauen. "Drei Spiele im Oktober und drei im November, das muss nicht sein, das finde ich wenig sinnvoll", sagte er. Sinnvolles Training wird da nicht möglich sein, das Einspielen einer Stammformation wird sich auf die zwei, drei Vorbereitungswochen unmittelbar vor der EM 2021 beschränken.

Am Sonntag geht es schon weiter, am zweiten Spieltag der Nations League steht für das DFB-Team die Partie in Basel gegen die Schweiz an. Löw wird wechseln, rotieren. Bayerns Neuzugang Leroy Sané etwa musste nach 62 Minuten mit Krämpfen ausgewechselt werden – es war sein erster Startelf-Einsatz seit August 2019. Sané ist einer von vielen Kandidat für eine Pause. In Stuttgart waren Kai Havertz, Julian Brandt und Jonathan Tah nicht zum Zuge gekommen, sie dürften in Basel eine Chance erhalten, sich zu zeigen. Oder sich zu verletzten – könnte man ketzerisch sagen.
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