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DFB-Team nach Achterbahnfahrt gegen England zwischen Sorgen und Hoffnung vor der Weltmeisterschaft

Patrick Strasser

Update 27/09/2022 um 12:05 GMT+2 Uhr

Es war das erste Heimspiel der "Three Lions" im Wembley nach dem Tod von Königin Elizabeth II. Die Schweigeminute vor dem Anpfiff des Klassikers England gegen Deutschland war ein ergreifender Akt, denn diese war tatsächlich bedrückend still. Und wohl so besonders, dass die Spieler in der ersten Halbzeit in stillschweigender Eintracht wenig Aufregendes boten. Nach der Pause wurde es dann wild.

Flick bilanziert: Remis gegen England "sehr enttäuschend"

Aus London berichtet Patrick Strasser
Rollercoaster nennen die Briten eine Achterbahnfahrt – und die erlebte die deutsche Nationalelf am Montagabend in London in ihrem abschließenden Nations-League-Spiel gegen die bereits in die Liga B abgestiegenen Briten. Gute Ansätze, ein stimmiges Spiel, eine – vermeintlich – souveräne Führung, doch dann folgte der Rückschlag. Aus dem 2:0 wurde ein 2:3, am Ende rettete Chelsea-Legionär Kai Havertz die DFB-Elf mit einem echten Mittelstürmer-Tor.
Ein Abstauber nach Schuss des eingewechselten Serge Gnabry. 3:3. Eine gute Show mit starken Momenten in der Offensive, die Hoffnung macht und Vorfreude weckt mit Blick auf die in knapp acht Wochen in Katar beginnenden WM - aber auch große Sorgen und Zweifel bereitet, was die Defensive betrifft.
Gemischte Gefühle bei allen Beteiligten nach diesem wilden 3:3. "Da war für jeden was dabei, würde ich sagen“, meinte Thomas Müller und witzelte: "Wer in der 65. Minute den Fernseher ausgemacht hat, ist euphorisch Richtung WM ins Bett gegangen."
Der Routinier des FC Bayern, diesmal erst in der 79. Minute eingewechselt, täuschte sich, meinte wohl ein wenig später als Havertz' Tor zum 2:0 (67.), bilanzierte jedoch treffend: "Es waren sowohl positive Aspekte dabei als auch Sachen, die nicht so gut gelaufen sind."
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Flick warnt DFB-Team: "Bei einer WM sind solche Dinge tödlich"

Ergibt unterm Strich: Einerseits Sorgen und Zweifel, andererseits Hoffnung und Vorfreude. Die Analyse dieses in vielen Facetten so unberechenbaren Teams knapp zwei Monate vor dem ersten Gruppenspiel bei der WM gegen Japan am 23. November:

Sorgen & Zweifel

Das 0:1 gegen Ungarn in Leipzig war nahezu in allen Belangen schlecht – aber tatsächlich nur ein Ausrutscher? "Wir haben uns natürlich mehr vorgenommen, was am Freitag bereits zerplatzt ist", gestand Müller, "wir wollten ins Final-4-Turnier, das haben wir nicht geschafft."
Der 33-Jährige relativierte jedoch: "Das wird aber in keiner Weise etwas damit zu tun haben, wie wir in die WM gehen." Die Gefühlslage von Bundestrainer Hansi Flick sah so aus wie er verriet: "Natürlich sind wir enttäuscht, wir haben 2:0 geführt."
Sein Hauptkritikpunkt: "Nach dem Anschlusstreffer kam ein Bruch in unser Spiel, solch eine Phase - das darf uns nicht passieren.“ Dieser Blackout hat mit fehlender Körperlichkeit und Aggressivität zu tun, wie der 57-Jährige bemängelte: "Wir haben uns innerhalb von 15, 20 Minuten den Schneid abkaufen lassen. Da waren die Engländer besser, viel aggressiver. Die Tore sind durch individuelle Fehler gefallen. Wir müssen in den Zweikämpfen konsequenter agieren. Das war gegen Ungarn teilweise auch schon so. Jeder einzelne Spieler muss wissen, was er auf seiner Position zu tun hat. In der Abwehrkette müssen wir die Automatismen verbessern, daran müssen wir arbeiten. Das müssen wir besser machen."
Laut Joshua Kimmich wurde das DFB-Team nach der Führung "viel zu passiv", man habe viel zu tief verteidigt und "nicht mehr den Mut gehabt, gegen den Ball zu spielen - irgendwo unerklärlich."
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Serge Gnabry (l.) und Joshua Kimmich während des Spiels gegen England

Fotocredit: Getty Images

Ein Rätsel – ist es mehr die Psyche als die taktischen bzw. körperlichen Elemente? Viel zu tun für Flick. Bloß wann? Man hat im November nur eine Woche Vorbereitung, trifft sich nur neun Tage vor dem eigenen WM-Auftakt. Havertz meinte: "Wenn du 2:0 führst und auf einmal 2:3 hinten liegst, muss dir das natürlich Sorgen bereiten."

Hoffnung und Vorfreude

Neben Doppelpacker Havertz bestach Jamal Musiala durch seine Übersicht, sein Spielverständnis und seine Dribbelstärke. "Kai und Jamal haben es richtig gut gemacht, Kai auf der Neun, Jamal auf der Zehn", erklärte Flick und sagte: "Beide haben gezeigt, dass sie wichtige Spieler für uns sein können. Jamal ist sowohl defensiv als auch offensiv ein Spieler, der uns guttut."
Der späte Doch-Noch-Ausgleich ebenso. "Wir haben nach der Halbzeit 20 Minuten richtig guten Fußball gespielt und sind verdient in Führung gegangen", sagte Flick und betonte: "Positiv ist, dass wir nach dem Rückstand noch einmal zurückgekommen sind. So können wir es besser verkraften als bei einer Niederlage."
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Müller rät nach Remis: "Real Madrid als großes Vorbild" nehmen

Laut Müller "kann uns auch ein gutes Gefühl geben". Sollte es. Auch, dass ein Ausfall von Stammtorhüter und Manuel Neuer kein großes Problem darstellen würde, da Stellvertreter Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona – wie in Wembley zu sehen – ebenfalls ein Weltklasse-Torhüter ist. Die Auswahl der Mittelfeld- und Offensivspieler (Leon Goretzka und Marco Reus fehlten) ist überragend, nun muss das Angriffsspiel nur noch zielstrebiger werden.

Warum Real Madrid ein Vorbild für den DFB sein sollte

Müller, der in Katar seine vierte WM angeht, nannte noch ein überraschendes Vorbild für die DFB-Auswahl: Real Madrid, den aktuellen Champions-League-Sieger, der in den K.o.-Runden der vergangenen Saison so starke Comeback-Qualitäten gezeigt hatte.
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Müller rät nach Remis: "Real Madrid als großes Vorbild" nehmen

"Ich habe ja unter vielen Trainern gearbeitet, auch unter Carlo Ancelotti, der international mit am meisten gewonnen hat", sagte Müller und erläuterte seine Gedanken: "Bei Real läuft auch nicht immer alles brillant, aber sie behalten den Kopf oben und den Glauben an sich selbst. Es geht nach Dingen, die nicht so gut gelaufen sind, immer wieder darum, aufzustehen, und die Confidence, wie er es immer gesagt hat, das Selbstvertrauen zu behalten. Da tun wir gut daran, da dranzubleiben."

Flick: "Alle sind heiß darauf, eine wirklich gute WM zu spielen"

Flick, der sein Team erst in sieben Wochen wiedersieht und hoffen muss, dass seine Auserwählten in bis zu 13 Pflichtspielen unversehrt bleiben, meinte abschließend: „Ich bin absolut überzeugt: Wenn wir den Kader fixiert haben und uns dann am 14. November treffen, sind alle heiß darauf, eine wirklich gute WM zu spielen. Dann gehe ich mit einem sehr positiven Gefühl in die WM."
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Flick mit Ausblick: "Gehen positiv Richtung WM"

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