Nations League: Joshua Kimmich führt an, Antonio Rüdiger fehlt - Gewinner und Verlierer unter Julian Nagelsmann
Update 11/09/2024 um 16:01 GMT+2 Uhr
Diese deutsche Nationalmannschaft wächst. An ihren Aufgaben und mit ihren Auftritten. Das Duell am Dienstagabend in Amsterdam gegen Gastgeber Niederlande (2:2) war eine weitaus größere Herausforderung als drei Tage zuvor beim 5:0 gegen die harmlosen Ungarn. Ein anderer Gegner mit einer viel höheren Qualität – und dennoch trotzte das DFB-Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann allen Widerständen.
Nagelsmann: "Ich rege mich oft auf"
Quelle: Perform
Das 2:2 am zweiten Spieltag der Nations League wurde von beiden Teams leidenschaftlich, bissig, manchmal auch grenzwertig nicklig geführt. Unterm Strich "sehr unterhaltsam. Es ging hin und her", wie Nagelsmann betonte.
Auf den super frühen Rückstand nach 140 Sekunden folgte der Turnover durch die Treffer von Deniz Undav und Kapitän Joshua Kimmich ehe man sich in der zweiten Halbzeit noch den – verdienten – Ausgleich fing.
"Wir sind gut zurückgekommen, haben fußballerisch überzeugt. Am Ende waren wir dem Siegtor sogar näher. Mit dem 2:2 kann man leben", bilanzierte Nagelsmann, der vor allem die psychische Komponente seiner Mannschaft hervorhob: "Im Fußball wird viel zwischen den Ohren entschieden. Wir vermitteln diesen Glauben. Wir haben schon öfters gezeigt, dass wir zurückkommen können."
Erstmals im März, auch gegen die Niederlande. Damals bog man in einem EM-Test die Partie nach dem 0:1-Rückstand noch um, siegte 2:1. Bei der Heim-EM wendete das DFB-Team eine Pleite im dritten Vorrundenspiel gegen die Schweiz ab, traf last minute zum 1:1. Ein großer, doppelter Entwicklungsschritt als Mannschaft.
DFB-Elf wieder mit mehr Widerstandsfähigkeit
Unter Julian Nagelsmann agiert die deutsche Auswahl gegen schwächere Gegner hochkonzentriert und konsequent, gewinnt am Ende souverän, siehe das 5:1 zum EM-Auftakt gegen Schottland oder das 5:0 am Samstag gegen Ungarn.
Dazu kommt die erwähnte Widerstandsfähigkeit, man schmeißt den "Wutmotor" an, wie Thomas Müller so gerne sagt, und läuft auf Hochtouren gegen einen Rückstand an.
Und personell? Wer konnte sich in den zwei September-Länderspielen, den ersten beiden seit der euphorisierenden Heim-EM im Sommer, empfehlen, wer sein Standing verbessern? Wer dagegen baute ab und enttäuschte? Wem droht im Oktober, wenn es in der Nations League erst nach Bosnien-Herzegowina und dann in München erneut gegen die Niederlande geht, eine schöpferische Pause?
Die Gewinner und Verlierer im Überblick
Im DFB-Tor folgte Weltklasse auf Weltklasse. Das Erbe von 2014er-Weltmeister Manuel Neuer anzutreten, könnte schwieriger nicht sein.
Eine Baustelle, die Marc-André ter Stegen durch Top-Leistungen und mit dem psychologischen Schub, endlich die Nummer eins zu sein, schnell schließen konnte. Der Kapitän des FC Barcelona war gegen Ungarn zur Stelle, als er gefordert war, und strahlte trotz der Gegentreffer auch in Amsterdam Ruhe und Souveränität aus.
Nagelsmann kann mit ter Stegen, der für ihn unendlich viele Länderspiele (40) als Nummer zwei und gefühlt ewiger Stellvertreter von Neuer absolvieren musste, in Richtung WM 2026 in Nordamerika gehen.
Oliver Baumann und Alexander Nübel, beide noch ohne Länderspiel, stehen im zweiten Glied und sind zuverlässige Torhüter für anspruchsvolle Trainingseinheiten.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/09/11/4038978-81917208-2560-1440.jpg)
"Sonst hätten wir Spanien geschlagen": Nagelsmann über DFB-Manko
Quelle: Perform
Der neue Kapitän ging voran
Joshua Kimmich ging erstmals als offiziell ernannter Kapitän in seine Länderspiele Nummer 92 und 93 – und ließ Taten folgen. Der Bayern-Profi ist emotionaler als sein bedächtiger und introvertierter Vorgänger Ilkay Gündogan, der nach der EM zurückgetreten ist.
In den Tagen vor dem Ungarn-Spiel richtete Kimmich bei seiner Pressekonferenz zur Inthronisierung ein Statement an die Fans der Nationalelf, das auch nach innen wirken sollte: "Es war wichtig, dass wir es bei der EM geschafft haben, die Leute wieder zu bewegen und zu begeistern. Das wollen wir weiter tun. Jeder hat Bock darauf. Diese Mannschaft kann schnell wachsen."
Die Kapitänsbinde motivierte ihn zusätzlich, die Rolle als Rechtsverteidiger nahm er wieder klaglos an – und das obwohl er unter dem neuen Bayern-Trainer Vincent Kompany wieder als Sechser im Zentrum ran darf. Seine starke kämpferische Leistung krönte er in Amsterdam mit dem Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/09/11/image-72b6f7f9-e2f9-40d6-98fa-dc4c48ad50f4-85-2560-1440.jpeg)
Joshua Kimmich führt die DFB-Elf nun als Kapitän auf den Platz
Fotocredit: Getty Images
Raum hängt Mittelstädt ab, Rüdiger fehlt
Auf der linken Abwehrseite hat sich David Raum überraschend festgespielt mit einer soliden und einer sehr guten Leistung.
Der Leipziger hat damit Maximilian Mittelstädt vom VfB Stuttgart verdrängt, der noch im März als die ersehnte Entdeckung für die seit Jahren undichte Stelle links hinten erschien. Mittelstädt, der als einziger der 20 Feldspieler des 23er-Kaders bei diesen beiden Länderspielen nicht zum Einsatz kam, ist damit der große Verlierer.
In Sachen Innenverteidigung ist Antonio Rüdiger der Gewinner der beiden Partien. Der Abwehrspieler von Real Madrid ist der Boss der Defensive, durfte sich jedoch diesmal schonen, erhielt eine Pause. In seiner Abwesenheit strahlte das Duo Jonathan Tah und Nico Schlotterbeck vor allem in Amsterdam nicht die eingeforderte Ruhe aus, stand instabil, leistete sich zu viele Fehler.
Waldemar Anton gilt als Backup in der Abwehrzentrale, ebenso wie Robin Koch, der im Ranking jedoch klar dahinter ist. Benjamin Henrichs steht für beide Außenverteidiger-Positionen bereit, sitzt aber meist auf der Bank.
Wann löst Pavlovic als Sechser Andrich ab?
Im zentralen Mittelfeld gehören Oldie Pascal Groß und Jungstar Aleksandar Pavlovic zu den positiven Erscheinungen. Groß besticht durch sein Auge und seine Sicherheit am Ball, eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so brillante Passmaschine wie Toni Kroos, der mit Ende der EM auch seine Karriere beendete.
Groß dürfte weiter gesetzt sein, während der so selbstbewusste und abgeklärt agierende Pavlovic über kurz oder lang Robert Andrich aus dem Zentrum verdrängen dürfte. Gegen die Ungarn erzielte er obendrauf einen Treffer.
Die EM hatte der 20-Jährige verpasst, weil er nach einer erneuten Infektion an den Mandeln operiert werden musste – nun das Comeback. "Pavlo verkörpert schon sehr, sehr viel von dem, was ich mir auf der Sechs vorstelle", lobte ihn Nagelsmann.
Angelo Stiller, der gegen Ungarn sein Länderspiel-Debüt feiern dürfte, gehört im zentralen Mittelfeld die Zukunft. Emre Can dagegen nicht.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/09/11/image-d430260b-b74a-4416-8a43-4e38679dd75d-85-2560-1440.jpeg)
Aleksandar Pavlovic gehört die Zukunft im deutschen Mittelfeld
Fotocredit: Getty Images
Verdrängen Gnabry und Sané die jungen Beier und Führich?
Dass Florian Wirtz und Jamal Musiala im Offensivbereich DIE großen Hoffnungsträger der deutschen Nationalelf sind, weiß jeder, sieht jeder.
Sie brillieren, sie harmonieren, wollen auf dem Platz am liebsten "rumzocken den ganzen Abend", wie Musiala meinte. Für die ebenfalls noch jungen Maximilian Beier und Chris Führich bleiben da nur Minuten-Einsätze als Kurzzeit-Joker.
Der zuletzt erstarkte Serge Gnabry darf auf ein DFB-Comeback im Oktober hoffen. Sein Teamkollege beim FC Bayern, Leroy Sané, fehlte nach einer Leisten-OP wegen Trainingsrückstand und wird wieder dazustoßen. Was es für Beier und Führich noch schwieriger machen würde.
Warum alle drei Stürmer überzeugten
Kurioserweise muss man in der Sturmspitze alle drei Kandidaten als Gewinner nennen. Der so laufstarke und spielintelligente Kai Havertz ist gerade als hängende Spitze die ideale Ergänzung zu "Wusiala", auch wenn er selbst noch torgefährlicher werden muss.
Niclas Füllkrug bewies gegen Ungarn seinen Torriecher auf der Mittelstürmer-Position und fehlte dann in Amsterdam verletzt. Deniz Undav machte gegen die Niederlande als Füllkrug-Ersatz sein erstes Länderspiel von Beginn an und erzielte seinen ersten Treffer.
"Ich bin überglücklich, alle in meiner Familie sind stolz auf mich und glücklich“, freute sich der VfB-Profi. Undav trägt dieses Unkonventionelle und Unberechenbare in sich, mit dem er auf dem Platz die Gegenspieler überrascht. Außerhalb des Rasens trägt der Mann aus dem Friesland den Schalk im Nacken, ist immer für einen Spaß zu haben. Ein zweiter Thomas Müller, der ebenfalls aus der Nationalelf zurückgetreten ist?
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/09/09/image-b0371432-c594-4618-b4fd-a14818114a9b-85-2560-1440.jpeg)
Kai Havertz und Niclas Füllkrug beim Nations-League-Duell gegen Ungarn
Fotocredit: Getty Images
Nagelsmann: Was uns noch fehlt
"Ich habe ja nun auch die Nummer 13, ich trete in große Fußstapfen. Wenn es einer schaffen kann, dann ich. Ich kriege das gut hin", meinte Undav nach der Partie bei "RTL" locker und selbstbewusst, "ich labere viel, mache viel Spaß. Man sollte manche Sachen nicht so ernst nehmen und Spaß im Leben haben."
Das Fazit von Nagelsmann klang am späten Abend in Amsterdam so: "Die Mannschaft glaubt an sich, und das ist der Schlüssel. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Alle haben gezeigt, dass sie viel Lust haben. Wir haben schon viel Weltklasse. Am Ende geht es über die Konstanz. Da fehlt uns noch ein bisschen. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir erfolgreich sein werden."
Das könnte Dich auch interessieren: Drei Dinge, die auffielen: Comeback-Qualitäten und defensive Schwächen
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/09/11/4038944-81916528-2560-1440.jpg)
"Unglücklich": Nagelsmann hadert mit Schiedsrichter-Leistung
Quelle: SID
Ähnliche Themen
Werbung
Werbung