WM 2022 in Katar: Deutschland gegen Spanien - warum es für die DFB-Auswahl um mehr als den Sieg geht
Deutschland steht bei der WM 2022 in Katar mit dem Rücken zur Wand. Ein bitteres Déjà-vu für die deutsche Nationalmannschaft, der am Sonntag gegen Spanien der vorzeitige K.o. bei der Weltmeisterschaft droht. Kai Havertz und Julian Brandt sind sich der prekären Lage bewusst, man habe intern entsprechend reagiert. Allerdings: Für die DFB-Auswahl geht es um einiges mehr als "nur" den Sieg.
Havertz: "Weiß, dass nicht jeder hinter uns steht"
Quelle: Perform
Eine Turniermannschaft ist eine "Mannschaft, die an einem Wettkampf teilnimmt". So lautet die Definition des Begriffs, der seit Jahrzehnten gerne mit dem DFB-Team in Verbindung gebracht wird. Man kann also festhalten: Die Zuschreibung passt noch immer.
Was hingegen überhaupt nicht mehr zutrifft, ist der fast schon mythisch überhöhte Unterton, der mitschwang, sprach man von Deutschland als Turniermannschaft. So schwach die Testspielergebnisse auch waren, so rumpelig das Spiel der DFB-Kicker auch daherkam - gewonnen haben sie ihre Partien bei Welt- und Europameisterschaften meistens trotzdem.
Ein Bild, das längst zum Zerrbild verkommen ist. Besonders brutal legt das die Bilanz der vergangenen neun Spiele bei Großturnieren offen: Sechs Niederlagen, ein Remis und nur zwei Siege! "Wenn man das liest, ist das natürlich zu 1000 Prozent zu wenig", versuchte Kai Havertz die Bilanz gar nicht erst schönzureden.
Das Duell mit Spanien am Sonntag (20:00 Uhr im Liveticker bei Eurosport.de) ist mehr als eine Do-or-Die-Partie. Deutschland spielt nicht nur gegen das drohende Vorrunden-Aus, sondern auch um seinen Nimbus und die internationale Wahrnehmung als Spitzenmannschaft. Was die Frage aufwirft, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die DFB-Auswahl in diese komplizierte Lage geraten ist.
Havertz nennt Gründe und schränkt ein: "Keine Entschuldigung"
"Wir haben in den vergangenen Jahren einen Umbruch durchlebt. Es gab einen Trainerwechsel, es sind viele neue Spieler hinzugekommen", sagte Havertz und schob eilig hinterher, dass dies "keine Entschuldigung" sei. Tatsächlich ist unbestritten, dass der WM-Kader für Katar die Qualität für deutlich mehr hat, als bei der 1:2-Niederlage zum Auftakt gegen Japan zu sehen war.
Mit Manuel Neuer steht einer der besten Keeper der Welt zwischen den Pfosten, über Joshua Kimmich lässt sich dasselbe im Hinblick auf die Sechserposition sagen. Es finden sich Toptalente wie Jamal Musiala oder Youssoufa Moukoko im Team, dazu Routiniers wie Thomas Müller und Mario Götze, die 2014 Weltmeister wurden. Und: Bundestrainer Hansi Flick kann auf einen bärenstarken und eingespielten Bayern-Block von bis zu sieben Spielern setzen.
Und trotzdem droht nach der desaströsen Endrunde 2018 das zweite Vorrunden-Aus bei einer WM in Folge. Das Szenario ist sogar realistischer als das eines Achtefinaleinzugs, schließlich haben die Spanier beim 7:0 im ersten Spiel gegen Costa Rica eindrucksvoll ihre Rolle als Titelkandidat unterstrichen.
Furchtbare DFB-Bilanzen: Wer soll da in Ehrfurcht erstarren?
Und Deutschland? Muss wohl Abstand vom eigenen Anspruch nehmen, bei großen Turnieren stets das Halbfinale als Mindestziel und den Titel als machbar einzustufen. Dazu passt der Trend, der sich in jüngerer Vergangenheit abzeichnete - und zudem es zwei weitere ernüchternde Statistiken gibt: Von sechs Nations-League-Partien in diesem Jahr gewann die DFB-Elf eine. Oder noch schlimmer: In den vergangenen 14 Begegnungen mit aktuellen WM-Teilnehmern gelang nur ein Sieg bei acht Remis und fünf Niederlagen.
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Weiterer Protest vor Spanien-Spiel? Havertz: "100 Prozent Fußball"
Quelle: Perform
So lässt sich weder Selbstvertrauen tanken noch Ehrfurcht bei der Konkurrenz verbreiten. Deutschland gilt inzwischen als schlagbar, auch bei Nationen wie Japan oder Mexiko und Südkorea, gegen die der viermalige Weltmeister bei der WM 2018 in Russland in die Knie ging.
Wie so oft in derart prekären Situationen wird der Ruf nach Führungsspielern laut, gepaart mit der Unterstellung, dass es daran mangle. Auch Julian Brandt musste im Vorfeld des Spanien-Spiels zu dem Thema Stellung nehmen. "Es hilft nicht, wenn nur zwei oder drei Spieler vorangehen", so der BVB-Profi. Er sei der Überzeugung, dass die Verantwortung auf alle Schultern verteilt werden müsse, schließlich "sind wir alle Führungsspieler in unseren Vereinen".
Klartext bei Flick-Meeting - kommt der Turnaround?
Wichtig sei es, die Aufgabe gegen Spanien nicht als bedrohlich wahrzunehmen, sondern "als Chance". Mit einem Erfolgserlebnis lasse sich "extrem viel Energie freisetzen", betonte der 26-Jährige. "Ich kann verstehen, dass bei vielen Fans und bei den Medien Negativität aufkommt. Es wird viel gegen uns geschossen", befand Havertz. Sorgen mache er sich aber nicht. "Es ist ein großes Spiel am Sonntag. Da bringt es nichts, jetzt negative Gedanken zuzulassen."
Das dürfte auch ein Anliegen von Flick sein, der nach der Pleite gegen Japan ein Meeting ansetzte, in dem Klartext gesprochen wurde. So viel lässt sich zwischen den Zeilen erkennen, wenn man Brandt und Havertz zuhört. "Nach der Aussprache gestern wissen alle, was wir anders machen müssen", berichtete Letzterer. Es sei wichtig gewesen, die Wahrheit auf den Tisch zu packen, "das macht uns stärker" und könne zum "Turnaround" führen.
In der Tat liegt in der Stärke des Gegners Spanien auch die Chance, sich mit einem Sieg wieder in Richtung einer Turniermannschaft zu entwickeln - und zwar einer, die nicht nur an Turnieren teilnimmt ...
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Zwischen Schock und Ekstase: Reaktionen der Fans auf die DFB-Pleite
Quelle: Perform
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