WM 2022 - Nationalmannschafts-Statement zum "One-Love"-Verbot: "Es fühlt sich schon stark nach Zensur an"

Die Verantwortlichen der deutschen Nationalmannschaft haben sich kritisch und irritiert zum Verbot der "One-Love"-Kapitänsbinde bei der WM 2022 geäußert. DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff zeigten sich im Trainingscamp des DFB-Teams enttäuscht über das Verhalten des Weltverbandes FIFA. "Es handelt sich um eine Machtdemonstration", stellte Neuendorf klar.

Bierhoff erklärt Rückzug des DFB bei "One-Love"-Debatte

Quelle: Perform

"Die FIFA hat eine Aussage zu Diversität und Menschenrechten untersagt. Das ist aus unserer Sicht mehr als frustrierend und ein beispielloser Vorgang", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf im Trainingsstadion der deutschen Nationalmannschaft in Al Ruwais: "Das heute ist für uns ein weiterer Tiefschlag."
Die Kapitäne der Nationalmannschaften von Deutschland, England, Wales, Belgien, Dänemark, der Niederlande und der Schweiz wollten bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar eigentlich mit einer "One-Love"-Armbinde auflaufen. Laut FIFA hätte dies aber sportliche Sanktionen - zum Beispiel einer automatischen Gelben Karte noch vor Spielbeginn - nach sich gezogen.
Dies sei den Verbänden erst jetzt mitgeteilt worden, obwohl sie bereits vor Monaten die FIFA darauf hingewiesen hatten, die Binde tragen zu wollen. "Es fühlt sich schon stark nach Zensur an. Man kann uns die Binde nehmen, aber wir werden weiter für unsere Werte einstehen", sagte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff.
"Es handelt sich um eine Machtdemonstration der FIFA", stellte Neuendorf klar: "Das ist schon ein sehr bemerkenswerter Vorgang."

Bierhoff argumentiert: Vorfahrt für den Sport

Weil man die Spieler nicht aus der Ruhe bringen wollte, haben sich die sieben europäischen Verbände dazu entschieden, auf die Binde zu verzichten. "Wir wollen nicht, dass dieser Konflikt mit der FIFA auf dem Rücken der Spieler ausgetragen wird", sagte Neuendorf: "Wir wollten die Mannschaft und unseren Kapitän nicht diesem Risiko aussetzen."
Die Situation sei komplex, fügte Bierhoff an. "Manuel ist enttäuscht, weil es nicht möglich ist, die Binde zu tragen", sagte er über Neuer; Bierhoff findet es dennoch "richtig, dass wir hier keinen Alleingang machen. Das war das richtige Zeichen, dass wir hier zusammengestanden haben."
Die FIFA hatte den Verbänden mitgeteilt, dass die "One-Love"-Binde gegen die Ausrüstungsregularien verstoße. Man habe "klar artikuliert, dass wir mit sportlichen Sanktionen rechnen müssen", so Neuendorf: "Es war eine eindeutige Drohung in unsere Richtung, die wir sehr ernstnehmen müssen."

FIFA reagiert erst spät - mit Kalkül?

Allerdings wurde vonseiten des Weltverbandes "nur ganz generell auf sportliche Sanktionen verwiesen. Das hat die Situation für uns unberechenbar gemacht. Bis jetzt gibt es keinerlei konkrete Hinweise, wie dieses Sanktionen aussehen könnten. Auch das ist befremdlich."
Laut FIFA-Regularien sind keine politischen Botschaften als Teil des Team-Equipments erlaubt - ein Streitpunkt. "Das ist echt ärgerlich", meinte Bierhoff: "Für uns ist das keine politische Aussage, sondern ein Grundrecht. Wir haben die Brisanz nicht gesehen."
Dass die FIFA nun erst reagiert, sei nicht zu akzeptieren. "Sie wissen seit längerer Zeit, dass wir die Binde tragen wollen. Und dann kommt am Spieltag so eine Entscheidung, so eine Drucksituation. Das ist echt traurig, dass das in der Art passiert ist", formulierte es Bierhoff noch milde.
Neuendorf schilderte: "Wir haben diese Binde schon vor Monaten der FIFA zur Kenntnis gebracht. Bis kurz vor dem Turnier haben wir darauf keinerlei Antwort bekommen. Im Gegenteil: Wir haben die Binde zuvor ja schon getragen, in England, im Oman. Letzteres war ein FIFA-Spiel. Dass das kritisch gesehen wurde, wurde nicht an uns ran getragen. Dass jetzt so kurz vor dem Turnier diese Debatte begonnen wird, finden wir schon sehr kritisch."
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"Machtdemonstration der FIFA": DFB-Präsident über Binden-Eklat

Quelle: Perform

Neuendorf will sich keinen Vorwurf machen lassen

Beim DFB stehe man dennoch weiter zu den durch die "One-Love"-Armbinde zum Ausdruck gebrachten Werten. "Wir stehen zu dem, was wir gesagt haben und glauben daran, dass wir diese Werte während des Turniers auch weiter vertreten werden und müssen", so Neuendorf.
Dass dem DFB nun der Vorwurf gemacht werde, nicht standhaft geblieben zu sein, versteht der DFB-Präsident indes nicht. "Wir als DFB müssen uns dem Vorwurf nicht aussetzen, dass wir eingeknickt sind", sagte er trotzig.
Mit der Ankündigung vor einigen Tagen, FIFA-Präsident Gianni Infantino nicht bei dessen Wiederwahl beim FIFA-Kongress im Frühjahr unterstützen zu wollen, habe man bereits "ein deutliches Signal Richtung FIFA" gesetzt. Neuendorf: "Ich glaube, die Signale werden schon verstanden."
Der DFB habe zwar "kein Interesse daran, das Verhältnis zur FIFA nachhaltig zu belasten. Aber wir behalten uns weiterhin vor, uns kritisch zu äußern."
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Neuer steht hinter One-Love-Binde: "Haben keine Angst"

Quelle: Perform

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