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Handball-EM 2024 - Drei Dinge, die beim Sieg gegen Ungarn auffielen: Köster ist weltklasse

Christian Missy

Update 23/01/2024 um 07:50 GMT+1 Uhr

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat im dritten Hauptrundenspiel Ungarn 35:28 (18:17) besiegt und wieder beste Chancen auf das Erreichen des Halbfinals. Im Vergleich zum Unentschieden gegen Österreich gelang dem DHB-Team eine enorme Leistungssteigerung, vor allem im Angriff. Der beste Akteur Julian Köster überragte seine ebenfalls starken Mitspieler dabei deutlich. Was auffiel.

Köster begeistert DHB-Stars: "Genieße jede Minute"

Mit der besten Turnierleistung bei der Heim-EM 2024 und dank Schützenhilfe durch Frankreichs 33:28-Sieg gegen Österreich kann Deutschland wieder das Halbfinale aus eigener Kraft erreichen. Beim 35:28 (18:17)-Sieg im dritten Hauptrundenspiel gegen Ungarn steigerte sich das DHB-Team im Vergleich zum Unentschieden gegen Österreich enorm.
Vor allem die Angriffsleistung der Deutschen war über 60 Minuten hinweg weltklasse. Weil in der ersten Halbzeit die Defensive noch nicht richtig funktionierte und die deutschen Torhüter fast keinen Ball hielten, blieb das Spiel aber spannend.
In der zweiten Halbzeit kamen dann aber auch die Abwehr und Torhüter Andreas Wolff ins Spiel - und die LANXESS arena in Köln verwandelte sich in ein Tollhaus. Getragen von dieser Stimmung spielte die DHB-Auswahl einen deutlichen Sieg heraus.
Bester Spieler in einer deutschen Mannschaft mit vielen guten Akteuren war Julian Köster. Aber auch andere Aspekte lassen die deutschen Fans wieder von einer Medaille träumen.
Drei Dinge, die beim deutschen Sieg gegen Ungarn auffielen.

1.) Julian Köster ist der deutsche Karabatic

Man muss sich das nach diesem Spiel noch einmal klar machen. Julian Köster ist 23 Jahre alt und spielt beim VfL Gummersbach. Klar, großer Traditionsstandort, aber eben Siebter der Bundesliga und kein deutscher Vertreter in einem internationalen Wettbewerb. Wenn man Köster gegen Ungarn so spielen sah, könnte man meinen, dieser Mann trägt einen europäischen Top-Klub Woche für Woche durch Champions-League-Schlachten.
Denn Kösters Leistung war schlichtweg überragend und der vorläufige Höhepunkt einer Weltklasse-Turnierleistung. In der Abwehr präsentierte er sich beweglich, zweikampfstark und mit einem starken Stellungsspiel. Im Angriff bekam Ungarn ihn zu keinem Zeitpunkt in den Griff. Durchbrüche, Rückraumwürfe, Schlagwürfe (traumhafte 116-km/h-Fackel in der 40. Minute), Hüftwürfe (ganz wichtiges Tor in der 46. Minute). Der 23-Jährige erzielte acht Tore bei neun Versuchen - kein Spieler traf in diesem Spiel öfter.
Fast noch wichtiger für die Statik des deutschen Spiels: Köster arbeitete auch sehr viel für seine Mitspieler, warf sich in Lücken, zog oft zwei Abwehrspieler und spielte dann noch die Kreisläufer frei. Für seine bisherige Turnierleistung bekam der Gummersbacher viel Lob, im Fokus stand dennoch öfter Juri Knorr. Gegen Ungarn wurde aber Köster völlig zurecht zum Spieler des Spiels ernannt.
Diese Mischung aus Leidenschaft, Torgefährlichkeit, Spielübersicht und Abwehrstärke gibt es im Welthandball nicht so häufig. Nikola Karabatic hat wegen dieses Pakets (und seiner irrwitzig großen Trophäensammlung) den Spitznamen "Kannibale" erhalten. Während der Franzose auf den letzten Metern seiner Karriere ist, könnte mit Köster ein deutscher Karabatic bei diesem Turnier richtig Schwung aufnehmen.

2.) Der deutsche Angriff erreicht endlich Weltklasse-Niveau

Es war der Hauptkritikpunkt nach dem enttäuschenden Unentschieden gegen Österreich: die fehlende Dynamik und Struktur im deutschen Angriff. Auch im DHB-Team selbst war der Frust groß. "Wir waren überhaupt nicht zufrieden und haben das akribisch analysiert", sagte Rune Dahmke im "ZDF". "Wir haben viel kommuniziert und Video geschaut", ergänzte Köster. So viel, dass nicht einmal Zeit für die Halle blieb. "Wir haben gestern nicht trainiert", erklärte Bundestrainer Alfred Gislason, "sondern drei, vier Sitzungen gemacht".
Das Videostudium zeigte offensichtlich Wirkung. Denn in der Offensive agierte das DHB-Team deutlich schneller und variantenreicher. Mal wurde der Ball mit Tempo von Station zu Station gespielt, mal wurde mit Doppelkreuzungen, mal mit leeren Kreuzungen gearbeitet. Die Konsequenz war immer die gleiche: Die Rückraumspieler kamen mit Tempo in gute Wurfpositionen. Entweder wurden die direkt genutzt oder die ungarischen Abwehrspieler so aus der Deckung gezogen, dass dahinter die Kreisläufer oder daneben die Außenspieler Platz hatten.
Statt einer One-Man-Show von Juri Knorr waren alle DHB-Akteure ins Spiel eingebunden. Die Zahlen untermauern das. Acht DHB-Spieler trugen sich in die Torschützenliste ein - alle mit mindestens drei Treffern. Mit Sebastian Heymann und Kai Häfner übernahmen zwei zusätzliche Rückraumspieler Verantwortung, nicht wie zuletzt nur Köster und Knorr.
So war es dieses Mal in der ersten Halbzeit der Angriff, der eine schwächelnde Abwehr kompensierte. In der zweiten Halbzeit klappte dann beides - und in der Konsequenz auch das Tempospiel, was gegen Österreich ebenfalls ausbaufähig war.

3.) DHB wandelt Trotz in Energie um

Die Kritik nach dem Österreich-Spiel war groß. Zwar war der Kampfgeist gegen Island und den Alpen-Nachbarn schon da und sicherte einen Sieg und ein Unentschieden. Gegen Ungarn gelang es nun aber so richtig, Willen in positive Energie umzuwandeln. So sagte Juri Knorr nach dem Spiel im "ZDF": "Wir hatten die besseren Mittel und waren vom Kopf her weiter. Das haben uns wenige zugetraut." Vielleicht schwang da ein bisschen Trotz mit, hatte Knorr doch nach dem Österreich-Spiel fehlenden Zusammenhalt der Öffentlichkeit bemängelt. Nun sei "die Genugtuung riesig".
Ob aus Trotz oder dank intensivem Videostudium - das DHB-Team zeigte gegen Ungarn beides: puren Willen und die nötige Reife. Das beste Beispiel für den Willen war Rune Dahmke, der in der 40. Minute nach einem Abpraller den Ball aus der Luft fischte - eingeklammert von zwei deutlich größeren und schwereren ungarischen Gegenspielern.
"Wenn du vor ausverkauftem Haus für dein Land spielst, dann legst du alles in die Waagschale", erklärte er die Szene nach dem Spiel. "Uns beflügelt es, wenn die Halle explodiert."
Mit ihrer Leistung sorgten die Spieler dafür, dass die Kölner LANXESS arena die deutsche Mannschaft mit Lautstärke und Euphorie überschüttete - und auch für einen zufriedenen Bundestrainer. Denn Alfred Gislason antwortete nach dem Österreich-Spiel ebenfalls ziemlich genervt. Nach der Ungarn-Partie war der 64-Jährige stolz: "Der Druck war riesig, mit einer Niederlage wäre das Halbfinale weg gewesen. Das war heute phänomenal."
Ob allerdings vor dem Spiel gegen Kroatien ebenfalls auf Training verzichtet werde, das verriet Gislason nicht.
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Knorr wettert gegen Kritik: "Ich weiß nicht, was erwartet wird"

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