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Olympia 2016 in Rio - Heinrich-Blog: Das ist kein Märchen, das ist die grausame Wahrheit

Sigi Heinrich

Publiziert 10/08/2016 um 17:30 GMT+2 Uhr

Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich beschäftigt sich in seinem Olympia-Blog mit der Doping-Problematik und ihren Folgen. Obwohl er viele Sommerspiele begleitet hat, ist ihm die pure Lust an Leistungen und Ergebnissen verloren gegangen. Neue und alte Beispiele wie der weißrussische Hammerwerfer Iwan Zichan bestärken Heinrich in seiner Annahme. Nun muss eine Reaktion der sauberen Athleten folgen.

Der Weißrusse Ivan Zichon im Jahr 2015

Fotocredit: AFP

Natürlich staunen wir. Über die Flut an Weltrekorden im Olympischen Schwimmbecken. Über einen in diesem Metier verhältnismäßig alten Mann wie Michael Phelps, der schier unaufhaltsam durch das Wasser pflügt. Über junge Mädchen, die schier unschlagbar zu sein scheinen. Geht bei allen alles mit rechten Dingen zu? Diese Frage hängt über unseren Köpfen.
Die kriminellen Doper in allen Sportarten haben es geschafft, das Misstrauen über alle zu legen wie eine Giftwolke. Wir trauen der Wahrheit nicht mehr, wir sehen in allen Feinde, Betrüger. Wir wissen weder ein noch aus. Das ist eine der schlimmsten Folgen, die jene zu verantworten haben, die betrogen haben und jene, die den Betrug nicht so ernsthaft bekämpfen, wie es notwendig wäre. Und wenn es auch möglich gewesen wäre. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen unserer Emotionen und Gefühle.
Können wir uns noch vorbehaltlos freuen? Jubeln wir noch wie früher, so kindlich fast, so fröhlich, so vorbehaltlos, wenn Usain Bolt möglicherweise nächste Woche wieder wie eine Rakete über die Tartanbahn fliegt? Nein. Klare Antwort. Ich traue mich einfach nicht. Als Sportfan nicht, auch nicht als Kommentator.

Mit dem Finger auf die Sünder zeigen

Ich trage einen ständigen Gewissenskonflikt aus. Ich muss doch jubeln, wenn gesiegt wird, wenn neue Rekorde fallen und nicht als erste Reaktion zweifeln. Mein Herz, mein Gefühl freut sich. Mein Verstand baut eine Mauer auf, die immer größer wird. Wir müssen, sage ich mir, mittlerweile immer erst die Dopingproben abwarten.
Gegenüber den sauberen Athleten – und das ist, davon bin ich trotzdem noch überzeugt, die Mehrzahl - ist das in höchstem Masse ungerecht. Das weiß ich. Aber gerade auf ihnen ruht meine Hoffnung. Sie haben es in der Hand, den Betrügern in ihren Reihen die rote Karte zu zeigen. Rio könnte eine Wende bedeuten, denn die Front derer, die es bisher einfach so hingenommen haben, wieder und wieder gegen ehemalige Dopingsünder starten zu müssen, bröckelt.
Es wird im übertragenen Sinn mit dem Finger auf die ehemaligen Sünder gezeigt. Julia Jefimova aus Russland hat das bei den Schwimmern ebenso zu spüren bekommen wie der Chinese Sun Yan. Ich stelle mir manchmal – ziemlich naiv, ich weiß – vor, dass Athleten, die wissen, dass sie sauber sind, gegen Kontrahenten, die nachweislich schon mal nachgeholfen haben, um ihre Leistung zu steigern, einfach nicht antreten.
Dem Startblock den Rücken zukehren, so dass nur noch der Dopingsünder übrig bleibt. Oder die Dopingsünder. Plural. Denn es sind in Rio de Janeiro über einhundert (in Zahlen: 100) Teilnehmer am Start, die schon mal gesperrt waren.

Vergehen kommen tröpfchenweise ans Licht

Ein Beispiel totaler Unverfrorenheit und Gewissenlosigkeit will ich ihnen nicht vorenthalten: Iwan Zichan, Hammerwerfer aus Weißrussland. Im Dezember 2012 wurde dem mittlerweile 40-Jährigen die Silbermedaille von den Olympischen Spielen in Athen 2004 aberkannt (anabole Steroide). Auch die Bronzemedaille bei den Spielen in Peking wurde ihm aberkannt (Testosteron). Zichan klagte dagegen vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS), das im Juni 2010 seine Disqualifikation aufhob.
Angeblich wegen einer Panne im Labor. Im April 2014 wurde ihm wegen Dopings der Weltmeistertitel von 2005 aberkannt. Zichan startete bei den Europameisterschaften in diesem Jahr in Amsterdam und gewann die Silbermedaille. Das ist kein Scherz. Das ist kein Märchen. Das ist die grausame Wahrheit. Nächste Woche wirft er den Hammer in Rio de Janeiro...
Ach ja, noch schnell eine Eilmeldung: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat dem ukrainischen Speerwerfer Alexander Pjatnyzja (Anabolika) die Silbermedaille von London aberkannt. Die bekommt jetzt Antti Russkannen aus Finnland. Typisch freilich, dass die Namen von 98 Athleten und potenziellen Startern in Rio de Janeiro, die bei Nachtests der Spiele in Peking und London einen positiven Dopingbefund haben, nur tröpfchenweise an die Öffentlichkeit gelangen.
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