Ötztaler-Radmarathon 2018 - Viertplatzierter Lenz: "Ab morgen bin ich Triathlet"
Andreas Lenz ist einer von 4.780 Startern beim Ötztaler-Radmarathon, dem prestigeträchtigsten Jedermannrennen der Saison. Mit Platz vier in der Gesamtwertung hat sich der 27-jährige Hobby-Radsportler einen Traum erfüllt. Im Interview mit Eurosport.de spricht Lenz über seine persönliche Schrecksekunde am Brennerpass und verrät, warum ihm das regnerische Wetter durchaus in die Karten gespielt hat.
Andreas Lenz beim ÖRM 2018
Fotocredit: Eurosport
Andreas Lenz hat beim Ötztaler-Radmarathon den sensationellen vierten Platz erreicht. Der Oberbayer steht stellvertretend für rund 30.000 Jedermann-Radsportler, die sich alljährlich um einen der rund 4.800 Startplätze bewerben. Lenz, der sportlich ein Allrounder ist, fährt in erster Linie zum Spaß Rennrad. Bis zum Start des Ötztalers hatte Lenz 10.000 Kilometer auf dem Tacho. Insgesamt fährt er rund 12.000 Kilometer im Jahr. Im Interview erzählt der Student, wie der erfolgreichste Tag seiner Sportkarriere verlaufen ist.
Das Interview führte Thomas Janz
Deine ersten Worte nach der Zieleinfahrt waren: "Ich muss meine Mama anrufen". Hast Du Deine Mutter schon erreicht?
Andreas Lenz: Ich habe versucht, meine Mutter im Zielbereich anzurufen, aber da war das Netz zu schlecht. Eine SMS ist schon raus, schließlich hat Mama zu Hause mitgefiebert.
Mit welchem Ziel bist Du in den Ötztaler-Radmarathon gegangen?
Lenz: Ich dachte, wenn es super läuft, kann es sich für die Top 10 ausgehen. Dass es Platz vier in der Gesamtwertung und Rang zwei in der Altersklasse wird, damit habe ich nicht gerechnet. Ich kann es immer noch nicht fassen. Es ist, wie wenn man aus einem Traum erwacht!
Wie hast Du Dich auf den Ötztaler vorbereitet?
Lenz: Ich bin im Juli und August mit rund 4.500 Kilometern viel gefahren und habe mich wirklich gut gefühlt. Letzte Woche habe ich voll rausgenommen und war für den "Ötzi" super erholt. Das schlechte Wetter ist mir eher entgegengekommen. Als schwerer Fahrer braucht man etwas mehr Sauerstoff in der Luft (lacht). Hitzeschlachten liegen mir eher weniger. Ich trainiere nicht sklavisch nach Trainingsplan, sondern mache das alles nach Gefühl. Manchmal liest man etwas, nimmt das mit und baut Trainingsformen ein, die man von Fahrerkollegen so mitbekommt.
Wie lief das Rennen, das von kühlen Temperaturen und regennassen Straßen geprägt war?
Lenz: Die Jungs sind das Kühtai gleich raufgebrochen, da war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mitfahren soll. Die Spitzengruppe war, angeführt von Michael Spögler, richtig schnell. Die Abfahrt nach Innsbruck verlief mit angepasster Fahrweise soweit ganz in Ordnung. 100 km/h hatte ich allerdings nicht auf dem Tacho. Die Auffahrt zum Brenner war soweit ganz entspannt. Die Gruppe lief gut und keiner hat wegen der Führung gezickt. Am Brenner oben bin ich gestürzt! Nach einem Schlenker von Stefano Cecchini bin ich auf dem Hintern gelandet. Es war keine Absicht und er hat sich gleich danach entschuldigt. Trotzdem hatte ich Riesenglück, dass das Rennen für mich nicht schon zu diesem Zeitpunkt vorbei war. Am Jaufenpass hat Cecchini das Rennen in die Hand genommen und weitestgehend die Führung übernommen. Ich habe mir das von hinten angesehen und bin meinen Stiefel gefahren. Ich wollte Körner für das Timmelsjoch sparen.
Der letzte Anstieg am Timmelsjoch über 30 Kilometer ist die Hölle. Wie ist es Dir am Scharfrichter des Rennens ergangen?
Lenz: In der Abfahrt vom Jaufenpass habe ich die Bestzeit hingelegt. Mathias Nothegger meinte im Siegerinterview: 'Die sind runtergefahren wie die Gestörten!'. Dann bin ich wahrscheinlich noch gestörter unterwegs gewesen (lacht). In den Anstieg zum Timmelsjoch bin ich mit Nothegger und Daniel Rubisoier reingefahren. Nothegger hat sich dann relativ schnell verabschiedet. Dieser Berg ist einfach brutal lang. Oben heraus wird die Leistung dann einfach weniger. In den Serpentinen habe ich einen weißen Punkt fahren sehen, der sehr schnell auf mich zukam. Es war Cecchini, den ich allerdings erst im Tunnel überholen konnte. Cecchini hatte einen Motorplatzer - beim ihm ging nichts mehr. So hat er auch keine Anstalten mehr gemacht, die letzten Kilometer mitzufahren.
Welche Gedanken sind Dir während der Abfahrt nach Sölden durch den Kopf gegangen?
Lenz: Der Reifenplatzer vom letzten Jahr bei der zweiten Kehre nach der Mautstelle. Man konfrontiert sich langsam mit dem Gedanken, dass man beim prestigeträchtigsten und wichtigsten Jedermann-Marathon in Europa auf den vierten Platz fahren könnte. Da schwirrt plötzlich vieles im Kopf herum, wie Familie, Freunde, aber auch der Weg über die Saison hinweg und so manche Erinnerungen an Momente im Training. An der Mautstelle hatte ich Tränen der Freude in den Augen und dann ging es nur noch bergab Richtung Ziel.
Wie hast Du die Zieleinfahrt erlebt?
Lenz: Die letzten Meter zum Ziel habe ich sehr genossen. Die Leute haben mich gefeiert. Nach dem Überqueren der Ziellinie habe ich pure Freude verspürt und nur noch mein Fahrrad in den Himmel gestreckt. Andererseits musste ich schauen, dass ich vor Erschöpfung nicht umkippe und auf beiden Beinen stehen bleibe. Die ersten Meter zu Fuß nach 238 Kilometern und 5.500 Höhenmetern sind etwas holprig und gewöhnungsbedürftig (lacht).
Was bedeutet dieser Erfolg für den Hobbyrennfahrer, der Geowissenschaften studiert und kein Radprofi werden will?
Lenz: In jedem Fall ist es mein größter sportlicher Erfolg. Mein Leben wird sich nicht verändern und ich mich sowie nicht. Andererseits gehöre ich jetzt zu einem erlesenen Kreis. Vierter beim Ötztaler-Radmarathon, das gelingt nicht vielen und darauf bin ich sehr stolz. Ich habe damals nicht zum Radfahren begonnen, um etwas beim Ötztaler zu reißen. Aber mit der Zeit träumt man natürlich davon, ein gutes Ergebnis herauszufahren und das habe jetzt geschafft.
Wie geht es sportlich weiter?
Lenz: Ab morgen bin ich Triathlet! In drei Wochen steht der Ironman in Cervia auf dem Programm. Darauf werde ich mich vorbereiten. Mal schauen, was noch geht. Aber jetzt brauche ich erst mal ein paar Tage zur Regeneration. Danach ist die sportliche Saison beendet.
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