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Tour de France 2022 - Drei Dinge, die auffielen: Hunger von Pogacar und Vingegaard killt die Kleinen

Felix Mattis

Update 22/07/2022 um 08:22 GMT+2 Uhr

Jonas Vingegaard hat der 109. Tour de France mit seinem Triumph in Hautacam endgültig seinen Stempel aufgedrückt. Auch wenn er selbst davon noch nicht sprechen will, so dürfte dem Dänen der Gesamtsieg kaum mehr zu nehmen sein. Doch wichtig war in den Pyrenäen, dass er noch einmal unterstrich, dass dieser Sieg nicht nur auf dem einen Tag am Granon fußt. Drei Dinge, die auffielen.

Episches Duell - und respektvoll: Vingegaard vs. Pogacar in der Analyse

Jonas Vingegaard wollte den Etappensieg in Hautacam unbedingt – und er hat ihn sich geholt.
Dabei half dem Dänen der erneut bärenstarke Auftritt von Wout Van Aert, der sich nun Fragen lassen darf, ob er nicht irgendwann selbst ums Gelbe Trikot kämpfen kann.
Doch auch unabhängig von Van Aerts Hilfe zeigte Vingegaard über drei Wochen, dass er der Stärkste bei dieser Frankreich-Rundfahrt war.
Was im Gigantenduell zwischen ihm und Tadej Pogacar aber auch festzuhalten war: Ihre dominanten Auftritte ließen anderen kaum Luft zum Atmen.
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Highlights: Vingegaard-Doppelschlag trifft Pogacar und Geschke hart

Drei Dinge, die in Hautacam auffielen:

1.) Vingegaard der verdiente Tour-Sieger

"Vom Gesamtsieg will ich noch nicht sprechen. Darüber können wir in zwei Tagen reden", sagte Jonas Vingegaard im Flash-Interview nach der 18. Etappe zu Seb Piquet, der Stimme der Tour. Es ist das Übliche. Die Tour ist erst in Paris vorbei.
Und aus Sportlersicht ist das natürlich auch richtig: Man muss konzentriert bleiben, darf nicht stürzen und muss eben auch im Zeitfahren nochmal sehr tief gehen – selbst mit 3:26 Minuten Vorsprung auf Titelverteidiger Tadej Pogacar.
Doch die letzte Bergetappe mit dem Solo-Sieg des Dänen im Gelben Trikot oben in Hautacam – genau wie vor 26 Jahren Bjarne Riis – hat es dann doch eigentlich sehr deutlich gezeigt: Jonas Vingegaard wird der Sieger der 109. Tour de France sein. Der 25-Jährige war über drei Wochen in Frankreich der Stärkste, wusste auf jeden Angriff der Konkurrenz eine Antwort und wies Pogacar zweimal deutlich in die Schranken: am Col du Granon und nun in Hautacam.
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Pogacar ist geschlagen: Vingegaards süßer Triumph in Hautacam

"Auch wenn noch ein paar Etappe zu fahren sind, denke ich, dass ich heute die Tour verloren habe", ordnete Pogacar die Sachlage nüchtern ein, und Vingegaards Sportdirektor Grischa Niermann brachte es nochmal auf den Punkt: "Jonas ist an den längeren Anstiegen der beste Kletterer der Welt. Das hat er heute wieder gezeigt."
Sicher: Die Stärke seines Teams Jumbo-Visma half Vingegaard sowohl in den Alpen beim Großangriff mit Primoz Roglic, als auch jetzt in den Pyrenäen, wo Sepp Kuss und Wout Van Aert Pogacar schließlich ans Limit brachten. Doch der Eindruck von drei Wochen Tour de France war auch: Selbst mit etwas weniger Unterstützung hätte er Pogacar bezwingen können.
Das erkannte auch Pogacars Teamchef Mauro Gianetti an: "Was Vingegaard heute gezeigt hat, war außergewöhnlich – und darüber hinaus ist er noch ein großer Sportsmann." Dass der Däne nämlich nach Pogacars Sturz in der Abfahrt vom Col de Spandelles auf den Slowenen wartete, das komplettierte das Bild vom verdienten Tour-Sieger endgültig.
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Großes Fair Play! Pogacar stürzt in der Abfahrt - Vingegaard wartet

2. ) Wout Van Aert ist nicht zu fassen

Wout Van Aert ist ein Phänomen. Könnt Ihr Euch erinnern, wie der Belgier nach der Etappe in Longwy kritisiert wurde, dass er Kräfte verschleudert hätte, die er später in der Tour als Helfer für seine Kapitäne Roglic und Vingegaard noch brauchen würde? Nun, ich schrieb damals, dass man das erst nach den Pyrenäen wirklich beurteilen könne. Nun ist es soweit: Die Kritiker waren im Unrecht.
Die Leistung, die der Mann im Grünen Trikot über drei Wochen Tour de France gebracht hat, war schier unfassbar. Mehr als 600 Kilometer fuhr er in Fluchtgruppen. Er sammelte an jedem Zwischensprint Punkte, wenn sie irgendwie in Reichweite waren, obwohl er sein Grünes Trikot schon nach der ersten Woche so fest auf seinen Schultern hatte, dass ihm es kaum noch jemand ausziehen konnte.
Van Aert spielte förmlich mit der Konkurrenz, sprang in Gruppen, wartete dann am Straßenrand wieder auf seine Kapitäne und zog nun zum krönenden Abschluss in Hautacam nochmal eine Monstershow ab. Nach einem weiteren Tag in der Fluchtgruppe schüttelte er erst die Kletter-Asse Thibaut Pinot und Dani Martinez im Schlussanstieg ab, um dann noch für Kapitän Vingegaard eine 'Bilderbuch-Relaisstation' zu geben und dabei keinen Geringeren als Tadej Pogacar zu distanzieren – ähnlich wie Lennard Kämna es im Mai für Jai Hindley im Duell mit Richard Carapaz beim Giro d'Italia an der Marmolada getan hatte, nur irgendwie doch noch eindrucksvoller.
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Moment der Entscheidung: Van Aert und Vingegaard hängen Pogacar ab

Oben in Hautacam kam er schließlich als Etappendritter an. "Vielleicht war das ein guter Test, um zu wissen, ob ich eines Tages auch das Gelbe Trikot ins Auge fassen kann", sagte der Belgier, der im vergangenen Jahr schon für staunende Gesichter gesorgt hatte, als er als Ausreißer die Mont-Ventoux-Etappe gewann. Doch Van Aert bremste die Erwartungen auch ein wenig: "Ich konnte das nur einen Tag. Gestern habe ich 20 Minuten verloren. Das die ganze Tour zu machen, ist etwas Anderes."
Das Ding ist aber: Van Aert macht solche Dinge ja quasi über die ganze Tour hinweg. Und wie spielerisch das alles für ihn war, zeigte sich auch am Donnerstag noch einmal. Denn um ein Haar hätte der 27-jährige am Belgischen Nationalfeiertag sogar noch Geschichte geschrieben. "Im Ziel wurde mir klar, dass ich auch das Bergtrikot hätte haben können", sagte er. "Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich am Aubisque gesprintet!"
Der Letzte, der in einer Tour sowohl das Grüne Trikot als auch das Gepunktete Trikot gewann, war übrigens Eddy Merckx. Das ist 53 Jahre her.

3.) Geschke im Giganten-Duell zermahlen

Drei Etappensiege für Tadej Pogacar, zwei für Jonas Vingegaard sowie zwei für Wout Van Aert – und theoretisch könnte da am Freitag, Samstag oder Sonntag sogar noch etwas hinzukommen. Sieben von 18 Etappen und alle vier Wertungstrikots gehen bei der 109. Tour de France an nur drei Männer. Dieses Trio hat die Frankreich-Rundfahrt in diesem Jahr fast nach Belieben dominiert.
Siege anderer Fahrer schienen fast nur in ihren Gnaden überhaupt möglich zu sein. Die 'Kleinen' bei der Tour, sie hatten nichts zu lachen, wenn Pogacar, Vingegaard oder Van Aert Hunger hatten. Der Letzte, der das am Donnerstag in den Pyrenäen noch einmal schmerzhaft zu spüren bekam, war Simon Geschke. Nach zwei Wochen tollem Kampf ums Bergtrikot, musste er es abgeben, weil die 'Big Guns' die Bergwertung quasi im Vorbeigehen mitnahmen.
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Geschke am Boden: Entthronter Bergkönig den Tränen nah

"Der Kampf um Gelb könnte auch über das Bergtrikot entscheiden", ahnte Geschke schon vor dem entscheidenden Tag. Doch nicht nur er wurde zum Opfer des Erfolgshungers von Pogacar und Vingegaard. Wie überlegen das Duo allen Anderen bei dieser Tour war, zeigt sich auch in der Gesamtwertung: Schon vor dem Zeitfahren vom Samstag ist der Vorsprung des Gelben Trikots auf Rang drei so groß, wie er am Ende einer Tour in den letzten 20 Jahren nur einmal war: 2014 beim Sieg von Vincenzo Nibali.
Auch Kletterer wie Thibaut Pinot bissen sich vergeblich mit zahlreichen Ausreißversuchen auf Bergetappen die Zähne aus, weil Pogacar und Vingegaard das Geschehen bestimmten. Und Lennard Kämna kann sich sicher auch noch sehr gut daran erinnern, wie das Duo an der Super Planche des Belles Filles 70 Meter vor Schluss an ihm vorbeischoss.
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Dramatisches Finale: Kämna verliert Sieg auf den letzten Metern

Dort siegte Pogacar und sagte, dass er unbedingt gewinnen wollte, weil seine Freundin im vor Ort war und sie die gemeinsame Anti-Krebs-Stiftung bekanntmachen wollten. In Hautacam nun erklärte Vingegaard, dass er den Sieg holte, weil er es seiner Freundin und seiner Tochter versprochen hatte.
Es gibt sicher Fahrer im Peloton, die froh sind, dass Pogacar und Vingegaard noch nicht mehrere Kinder haben, für die sie jedes Jahr jeweils einen Etappensieg brauchen.
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