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Tour de France 2022 - Drei Dinge, die auffielen: Simon Geschke hat das Zeug, das Bergtrikot zu behalten

Felix Mattis

Update 11/07/2022 um 00:39 GMT+2 Uhr

Simon Geschke hat gekämpft bis zum Umfallen und sich auf der ersten Alpenetappe den Traum vom Wertungstrikot bei der Tour de France erfüllt. Nun ist die Frage: Wie weit kann der Freiburger das Bergtrikot tragen? Sein bisheriger Tour-Auftritt lässt vermuten: weit. Am Sonntag gab es aber auch im Kampf um Gelb interessante und wichtige Entwicklungen. Hier sind drei Dinge, die auffielen.

Action in den Alpen: Geschke lässt aufhorchen - Jungels erlöst Luxemburg

Der Mann des Tages war am Sonntag in den Alpen eindeutig Bob Jungels. Der Luxemburger holte mit seinem 64-Kilometer-Solo zu einem beeindruckenden Befreiungsschlag nach drei durchwachsenen Jahren aus.
Zum ersten Mal seit März 2019 überquerte der 29-Jährige die Ziellinie eines internationalen Rennens wieder als Erster.
Eine wichtige Erkenntnis der Etappe war daher, dass Jungels nach erfolgreich behandelter Endofibrose zurück in der Weltspitze ist.
Doch auf dem Weg nach Chatel geschahen noch einige andere sehr interessante Dinge, die auch für die kommenden zwei Wochen noch von großer Bedeutung sein könnten.
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Hier sind drei Dinge, die zum Abschluss der ersten Tour-Woche auffielen:

1. Geschke kann weiter kommen, als er denkt

Schon am Freitag auf dem Weg in die Vogesen hatte es Simon Geschke angedeutet: Das Bergtrikot reizte ihn am Ende dieser ersten Tour-Woche. Geschke sicherte sich mit zwei Bergwertungen der 3. Kategorie auf der 7. Etappe vier Punkte, mit denen er zwar an jenem Tag wenig anfangen konnte, die aber quasi der Unterbau für das waren, was am Sonntag folgte.
"Es gab heute die Chance, und die wollte ich unbedingt nutzen", sagte er nun. Sieben Jahre nach seinem höchst emotionalen Etappensieg in Pra Loup bedeutete ihm das Erringen des populären Jerseys mit den roten Punkten sehr viel. "Es war immer ein kleiner Traum, ein Trikot bei der Tour zu tragen", so der 36-Jährige.
Für diesen Traum ging er im letzten Anstieg zum Pas de Morgins nochmal extrem tief, um sich fünf Kilometer lang kurz vor dem Hauptfeld zu halten und die zwei entscheidenden Punkte zu ergattern. "Ich bin ein paar Tode gestorben an der letzten Bergwertung", kommentierte Geschke seinen Auftritt.
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Großer Kampf in den Alpen: So fuhr Geschke ins Bergtrikot

Doch nicht nur großer Kampf, auch Köpfchen gehörten zum Ritt ins Bergtrikot. Denn nachdem er 61 Kilometer vor dem Ziel bereits die 1.-Kategorie-Bergwertung am Col de la Croix gewonnen hatte, ließ sich der Deutsche nochmal in die größere Gruppe hinter Spitzenreiter Bob Jungels zurückfallen. Das kostete ihn zwar – wie man im Nachhinein weiß – die Chance, um den Tagessieg zu kämpfen. Doch Geschke hatte genau im Blick, was seine Beine hergaben: Er war nach dem Col de la Croix zu platt, um die nächsten 60 Kilometer mit Jungels allein zu bestreiten.
Diese Einsicht ist es, die ihm in den kommenden Tagen nun helfen wird, sein Bergtrikot zu verteidigen. Denn beim Sammeln der Punkte ist Taktik und gesunde Selbsteinschätzung wichtig. "Ich werde übermorgen genießen und natürlich werde ich versuchen, das Trikot so lange wie möglich zu verteidigen", sagte er am Sonntag und dämpfte erstmal die Erwartungen: "Ich sehe mich nicht sehr lange im Bergtrikot. Die Tour ist noch lang und es wurden, glaube ich, erst zehn Prozent der Bergpunkte vergeben."
Doch wie das mit Wertungstrikots eben so ist: Sie verleihen mitunter Flügel. Geschke weiß, dass er zur Verteidigung seines neuen Kleidungsstücks nicht auf die fünf verbleibenden Bergankünfte dieser Tour setzen braucht. "Gegen Pogacar werde ich davon keine gewinnen", scherzte er. "Meine Chance sind Ausreißergruppen."
Und Eurosport-Experte Jens Voigt meinte bereits am Sonntag direkt nach der Etappe: "Er sollte auf der Etappe nach dem Ruhetag gleich wieder in die Gruppe gehen!" Das ist tatsächlich denkbar, doch wenn keiner seiner direkten Gegner dort attackiert, kann es sich Geschke am Dienstag auch schenken und lieber auf den Mittwoch zielen.
Denn während die 10. Etappe insgesamt nur neun Bergpunkte bereithält, so dass ihm einzig Bob Jungels, Thibaut Pinot oder Magnus Cort realistischerweise das Trikot dort streitig machen könnten, gibt es tagsdrauf ganze 55 Zähler zu ergattern – 35 davon dürften an den Lacets de Montvernier, dem Col du Telegraphe und dem Col du Galibier ziemlich sicher an Ausreißer gehen. Ein noch dickerer Punkte-Pott wartet am Donnerstag auf dem Weg nach L'Alpe d'Huez, wo 60 Punkte zu holen sind und 40 davon am Galibier und dem Col de la Croix de Fer die Ausreißer unter sich ausmachen dürften.
Schafft es Geschke, an einem dieser Tage in der Spitzengruppe über die Ehrenkategorie-Anstiege zu fahren, könnte der gebürtige Berliner mit dem Gepunkteten Trikot doch noch sehr weit kommen. Denn dass seine Form hervorragend ist, hat er nicht erst am Sonntag bewiesen. Und durch den coronabedingten Ausfall von Kapitän Guillaume Martin darf sich Geschke nun wohl sogar auf Unterstützung seiner Teamkollegen für das Unterfangen 'Bergtrikot verteidigen' freuen.

2. Pogacar: Keine Atempause fürs Team

Es war, als wollte Tadej Pogacar vor dem Ruhetag nochmal ein Exempel statuieren. Der Slowene stellte auf dem Weg durch die Schweiz klar, dass er absolut kein Interesse daran hat, das Gelbe Trikot für einige Tage abzugeben. Deshalb ließ er seine Mannschaft der Ausreißergruppe des Tages vehement nachfahren, bis man an den für Gelb gefährlichen Rigoberto Uran auf eine Minute herangekommen war. Der Etappensieg interessierte Pogacar nicht, doch Uran war ihm ein Dorn im Auge.
Deshalb forderte der Titelverteidiger seine Teamkollegen den ganzen Tag über sehr, obwohl einige von ihnen schon zu Etappenbeginn deutliche Schwächen gezeigt hatten. Marc Soler war im ersten 4.-Kategorie-Anstieg des Tages am Genfer See bereits mit Marc Hirschi abgehängt und kam dann nur zurück, weil sich das Tempo im Feld beruhigte. Trotzdem musste er einen Mammutanteil an Führungsarbeit für UAE im weiteren Etappenverlauf leisten.
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Geschehen bestimmt, Gelb verteidigt: Pogacar-Team mit Machtdemostration

Nach allen öffentlichen Zweifeln an seiner Mannschaft wollte Pogacar am Sonntag offensichtlich eine möglichst plakative Machtdemonstration vollziehen, die er dann mit einem beeindruckenden 300-Meter-Sprint zur Ziellinie abrundete, dem nur noch Jonas Vingegaard folgen konnte. Das Duo holte so nochmal drei Sekunden auf Geraint Thomas und Co. heraus.
"Er war sauer. Sein Team hat den ganzen Tag alle Arbeit gemacht und dann versuchten die anderen, das auszunutzen und ihn am Ende zu isolieren", spekulierte Eurosport-Experte Mark Cavendish anschließend im TV-Studio. Pogacar habe zeigen wollen, dass sie das gerne versuchen können, damit aber auch keinen Erfolg haben würden. "Wenn ich mir angucke, wie er sprintet, wie er es macht, ist er sauer."
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Doch genau das wird das Szenario sein, dem sich Pogacar möglicherweise noch öfter wird stellen müssen: Dass die Konkurrenz ihn zu isolieren versucht. Denn auch wenn UAE die 9. Etappe kontrollierte, die Schwächen der Anfangsphase hat die Konkurrenz sicher nicht übersehen. Und ohne Atempause werden die Hirschis und Solers dieser Welt wohl kaum stärker.

3. Ineos verliert eine Spitze des Dreizacks

Einen großen Verlierer brachte der Sonntag auch noch hervor: Während Bora-hansgrohe-Kapitän Aleksandr Vlasov nochmal 27 Sekunden auf Pogacar und Vingegaard einbüßte, verabschiedete sich eine Spitze des Ineos-Grenadiers-Dreizacks endgültig aus dem Kampf um die Spitzenplatzierungen bei dieser Tour. Daniel Felipe Martínez konnte am Pas de Morgins nicht mehr mithalten und kam schließlich erst 16:02 Minuten nach Tagessieger Jungels in Chatel an.
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Der Kolumbianer, der in diesem Jahr Dritter bei Paris-Nizza war, die Baskenland-Rundfahrt gewann und bei Lüttich-Bastogne-Lüttich Vierter wurde, hatte vor dem Sonntag noch auf Gesamtrang zehn gelegen.
Mit ihm, Adam Yates und Geraint Thomas sowie Cross-Weltmeister Tom Pidcock hatten die Ineos Grenadiers vier Mann unter den besten Zehn und man wartete förmlich darauf, dass die Briten ihre erste Attacken lancierten, um die Überzahl im Taktikpoker zu nutzen. Nun ist eines der Asse schon vor den richtig schweren Alpenetappen aus dem Ärmel gepurzelt.
"Wenn ich in guter Form zur Tour gehe, kann ich mit ihnen mithalten", hatte Martínez Anfang Juni mit Blick auf Tadej Pogacar und Primoz Roglic gesagt. Schlecht war seine Form bislang nicht, doch der erste Tag in den Alpen war ein rabenschwarzer für ihn.
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